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Vor einigen Wochen wurden europäische Politiker durch Gerüchte über ein mögliches Abkommen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin beunruhigt, das die Wiederaufnahme umfangreicher Erdgaslieferungen von Russland über Deutschland in die EU ermöglichen könnte. Einige Quellen wiesen darauf hin, dass sich Personen aus dem Umfeld beider Staatschefs heimlich in der Schweiz getroffen haben, wo die Holdinggesellschaften der beiden Nord-Stream-Pipelines ihren Sitz haben, um Details möglicher gemeinsamer Geschäfte zu besprechen.
Wie wahrscheinlich sind diese Entwicklungen und welche Vorteile könnte ein solches Abkommen für Europa bringen? Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Gespräche bereits begonnen haben. Es ist auffällig, wie vehement Kreml-Insider die Gerüchte nach dem jüngsten Telefonat zwischen Trump und Putin dementiert haben. Moskau hat einen guten Grund, das Abkommen mit möglichen Friedensgesprächen in der Ukraine zu verknüpfen: Putin hatte mehrfach betont, dass die Aufhebung der Sanktionen eine der Voraussetzungen sein sollte. Der Putin besonders am Herzen liegende Gazprom-Konzern meldete dieser Tage einen Verlust von 1,08 Billionen Rubel (11,5 Milliarden Euro) für das Jahr 2024. Die Erdgasexporte aus Russland sanken von 206,8 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2021 auf 119 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2024, während die Exporterlöse von rund 53,3 Milliarden Euro auf weniger als 40 Milliarden Euro sanken. Der europäische Markt ist nach wie vor einer der lukrativsten, da die Preise steigen und derzeit doppelt so hoch sind wie im Durchschnitt von 2021.
Experten: Hohe Gaspreise in der EU bis mindestens 2027
Branchenexperten gehen davon aus, dass die Gaspreise in der EU mindestens bis 2027 hoch bleiben werden. Dann sollen neue LNG-Projekte – die meisten davon in den USA und Katar – ans Netz gehen und die weltweite LNG-Exportkapazität bis 2030 um fast 50 Prozent steigern. Selbst in diesem Fall werden jedoch die Kosten für russisches Pipelinegas, das vom EU-Markt nahezu verdrängt wird, deutlich niedriger bleiben. Derzeit importieren die EU-Staaten weiterhin ausschließlich LNG aus Russlands arktischen Gasfeldern, die von Gazproms Konkurrenten, allen voran Novatek, einem privaten russischen Gasunternehmen, betrieben werden. Das Ziel, alle Gaslieferungen aus Russland einzustellen, bleibt also weiterhin utopisch, da fast 15 Prozent der EU-Importe aus Putins Reich stammen. Allein für russisches LNG haben die Europäer im Jahr 2024 mehr als sieben Milliarden Euro bezahlt.
Was könnten die Amerikaner und Russen also tun, wenn sie eine Einigung erzielen? Der einfachste Weg wäre, einen Anteil an der Nord-Stream-Betreibergesellschaft an ein US-amerikanisches oder Offshore-Unternehmen zu verkaufen und die durch die Explosionen von 2022 verursachten Schäden zu beheben. Die Reparaturkosten scheinen mit rund 600 Millionen Euro nicht sehr hoch zu sein. Wenn die US-Führung das Vorhaben unterstützt, würden die Europäer es höchstwahrscheinlich nicht behindern.
Im nächsten Schritt müssten die russischen Behörden vermutlich die Gesetzgebung aufheben, die Gazprom ein Monopol für Pipeline-Gasexporte gewährt. Sie könnten diese Rechte alternativ auf Joint Ventures zwischen Gazprom und ausländischen Unternehmen ausweiten. Nach Inkrafttreten dieser Änderungen könnten US-Investoren Gas in Russland kaufen. Das ist ja auch heute noch völlig legal. Danach könnten sie es als amerikanisches Gas nach Europa pumpen, das die EU seit 2022 in wachsenden Mengen beliefert.
Infolgedessen könnten die US-LNG-Exporte beispielsweise nach Asien umgeleitet werden, während das aus Russland stammende Pipeline-Gas im Rahmen von EU-US-Verträgen nach Europa fließen würde. Ein ähnliches System gibt es bereits: Es wird in der russischen Arktis angewandt, wo LNG aus dem Jamal-SPG-Projekt teilweise als französisches Gas vermarktet wird. TotalEnergies hält einen bedeutenden Anteil an diesem Unternehmen. Eine solche Option könnte die häufig geäußerten europäischen Bedenken hinsichtlich der Unzuverlässigkeit russischer Lieferanten ausräumen.
US-LNG-Plan: Die meisten EU-Regierungen sind dagegen
Offen gesagt könnte ein solcher Deal, wenn er gemeinsam mit allen Beteiligten orchestriert würde, für alle von Vorteil sein. Die USA – oder besser gesagt Trumps enger Kreis – würden zumindest einen Teil der Preisdifferenz zwischen den Kosten für russisches Pipelinegas und dem für US-LNG einstreichen. Die Russen würden ihre Exporte nach Europa wieder aufnehmen und so ihre Produktion steigern. Diese ist von 762 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2021 auf 685 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2024 gesunken. Die Russen würden einen besseren Preis erzielen als China ihnen derzeit zahlt. Die Europäer würden billigeres Gas erhalten und so den angeschlagenen Industrien, die mit hohen Energiepreisen zu kämpfen haben, einen Rettungsanker bieten.
Das gesamte Vorhaben erfordert allerdings ernsthafte Zugeständnisse von Russland, da die ausländischen Investoren Zugang zu Putins geheiligter Sphäre der Wirtschaft erhalten würden. Putin ist seit seinen ersten Machtjahren vom Gasgeschäft besessen. Für den Westen könnte dies einen Versuch symbolisieren, Russland von China zu lösen, was eher symbolisch als praktisch wäre. Es könnte jedoch zu einem zusätzlichen Druckmittel gegenüber dem Kreml werden, da dieser nun erkennt, dass Europa auch ohne russische Lieferungen überleben kann.
Die meisten EU-Regierungen – darunter auch die künftige deutsche – hatten bereits Bedenken und Widerstand gegen den Plan geäußert. Man versteht, warum: Seine Umsetzung wäre ein erster Schritt zur Aufkündigung der gesamten Sanktionspolitik – obwohl die EU nie ein Verbot für russisches Gas verhängt hatte, während sie russisches Öl und Kohle verboten hatte. Trumps Team schlägt dennoch offen vor, zumindest einige der Russland-Sanktionen aufzuheben, wenn ein Waffenstillstand in der Ukraine vereinbart wird. Das Weiße Haus hat also keine derartigen Einschränkungen. Alles hängt also davon ab, ob es tatsächlich zu einer politischen Entspannung zwischen den USA und Russland kommt.
Als Fazit kann gesagt werden: Die Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen von Russland nach Europa unter US-amerikanischer Schirmherrschaft scheint ein praktikables Konzept zu sein. Allerdings ist es ebenso eng mit politischen und militärischen Fragen verknüpft wie die russischen Energielieferungen, bevor sie Putins Aggression gegen die Ukraine zum Opfer fielen. Daher sollte die Idee, dass Russland und die USA Nord Stream 2 gemeinsam nutzen, vorerst noch nicht als unmittelbare – und absolut zuverlässige – Option angesehen werden.
Der russische Wirtschaftswissenschaftler Vladislav L. Inozemtsev ist Mitbegründer und Senior Fellow des Center for Analysis and Strategies in Europe, einer in Zypern ansässigen Denkfabrik. Er lebt im Exil.
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