Frieden für die Ukraine

Geheimer Ukraine-Friedensplan liegt Berliner Zeitung vor: Putin signalisiert Zustimmung – Berlin schweigt

Das Geheimpapier liegt offiziell in Washington, Kiew und Moskau vor. Dahinter stehen Akteure aus mehreren Ländern. Und was ist mit Berlin?

Menschen nehmen auf dem Maidan Platz in Kiew Abschied von dem Ukrainischen Künstler David Chichkan.
Menschen nehmen auf dem Maidan Platz in Kiew Abschied von dem Ukrainischen Künstler David Chichkan.Oliver Müller

Der Berliner Zeitung liegt ein brisantes Dokument vor, das die Grundzüge eines möglichen Friedensplans zwischen Russland und der Ukraine skizziert. Das Papier wurde dem Weißen Haus als auch dem Kreml sowie der ukrainischen Präsidialverwaltung zugeleitet und ist Teil der aktuellen Friedensbemühungen, die seit dem heutigen Nachmittag offiziell sind.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach übereinstimmenden Berichten internationaler Medien einen Entwurf eines US-Plans zur Wiederaufnahme diplomatischer Bemühungen um ein Kriegsende erhalten. In den kommenden Tagen will er darüber mit Präsident Donald Trump sprechen, wie Selenskyjs Büro am Donnerstag mitteilte. Thema des Gesprächs sollen die „zentralen Punkte für das Erreichen des Friedens“ sein.

Kiew: „Als Ergebnis Frieden erreichen“

In einer auf Telegram veröffentlichten Erklärung betonte Selenskyjs Büro: „Wir bleiben offen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten sowie mit unseren Partnern in Europa und weltweit, um als Ergebnis Frieden zu erreichen.“

Eines der kursierenden Geheimpapiere, das der Berliner Zeitung vorliegt, wurde am 4. November auch dem Kanzleramt in Berlin zugeleitet. Als einzige der beteiligten Parteien hat die deutsche Seite bisher nicht auf das Dokument reagiert.

Papier bei Putin – und Merz?

Dem Vernehmen nach erhielt auch der russische Präsident Wladimir Putin das Dokument an einem Donnerstag Anfang des Monats. Er soll sich nach informierten Kreisen mehrere Stunden Zeit genommen haben, um sich intensiv mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen. Anschließend signalisierte er grundsätzliche Zustimmung zu den Eckpunkten.

Dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz wurde das Papier informierten Kreisen zufolge am darauffolgenden Dienstag vorgelegt und nach ausbleibender Reaktion ein zweites Mal übermittelt worden sein.

Die vier Säulen des Papiers, das unserer Redaktion vorliegt und das von hochrangigen Persönlichkeiten aus Russland und der Ukraine ausgearbeitet worden war, betreffen territoriale Fragen, Sicherheitsgarantien, humanitäre Aspekte sowie Nachkriegswiederaufbau und Sanktionen.

Kernpunkte sind die Festschreibung klarer Grenzen entlang der derzeitigen Kontaktlinie in Cherson und Saporischschja, eine Sonderregelung für Donezk sowie die Zusicherung, niemals militärische Gewalt zur Regelung territorialer Dispute einzusetzen.

Diese Sicherheitsgarantien sind für die Ukraine im Gespräch

Die Ukraine würde Sicherheitsgarantien ähnlich Artikel 5 der Nato erhalten, müsste aber auf einen Nato-Beitritt verzichten. Aus dem Originaldokument gehen die folgenden Punkte hervor: „Ukraine am Ende ähnlich Artikel 5“ sowie „Verzicht auf Nato-Beitritt“. Zudem sieht der Plan die Anerkennung der russischen Sprache und die Wiederzulassung der russisch-orthodoxen Kirche vor.

Ein zentraler Mechanismus des Plans ist die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds, in den eingefrorene russische Vermögenswerte fließen würden. Im Gegenzug würden die Sanktionen gegen Russland aufgehoben.

Die USA würden zunächst in einer Arbeitsgruppe und anschließend bei der Ausarbeitung von Verträgen sowie deren Vorlage bei den Vereinten Nationen als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine fungieren.

Die internationale Presse reagiert mit Skepsis

Die Financial Times berichtet, dass ihr Informationen vorlägen, die sie offenbar vom Weißen Haus erhalten hat. In dem Bericht heißt es, der Entwurf entspreche weitgehend den bisher bekannten russischen Forderungen und decke sich sogar mit einem russischen Friedensvorschlag aus dem Jahr 2022.

Diese Einschätzung ist jedoch nur in Teilen zutreffend. Insbesondere die im Plan vorgesehenen Sicherheitsgarantien für die Ukraine gehen deutlich über frühere russische Positionen hinaus.

Weit von der Realität entfernt?

Der Economist bezeichnet die Forderungen als „weit von der Realität entfernt“ und vermutet ein Manöver zur Schwächung Präsident Selenskyjs in einem Moment innenpolitischer Anfechtbarkeit. Die New York Times sieht in den vorgelegten Vorschlägen eine Fortsetzung der Maximalforderungen des Kremls, während Politico vor einer zu hastigen Einigung auf Kosten der Ukraine warnt.

Besondere Aufmerksamkeit verdient eine Falschmeldung, die teilweise in deutschen Medien kolportiert wurde. Demnach müsse die ukrainische Armee halbiert werden. Diese Forderung findet sich jedoch weder im Originalplan noch in den Detailausführungen. Vielmehr spricht das Dokument von einem Recht auf eine starke Armee defensiven Charakters. Eine Reduzierung der Truppenstärke ist darin nicht vorgesehen.

An der Ausarbeitung sind Witkoff und Dmitriew beteiligt

An dem Plan arbeiteten der US-amerikanische Unterhändler Steve Witkoff und der russische Gesandte Kirill Dmitriew, wie aus dem Dokument hervorgeht. Dmitriew, der den russischen Staatsfonds leitet, hatte sich Ende Oktober drei Tage lang mit Witkoff und anderen Mitgliedern aus Trumps Team in Miami getroffen. Laut Axios setzt der Plan hauptsächlich die Vorschläge um, auf die sich Trump und Putin im August in Alaska geeinigt hatten.

Ob und wann das Kanzleramt sowie das Auswärtige Amt über den Friedensplan informiert wurden, lassen diese beiden Stellen bislang unklar – die Berliner Zeitung hat dazu eine Anfrage gestellt, deren Antwort noch aussteht.