Die UN-Klimakonferenz COP30 in Brasilien, deren Abschluss für diesen Freitag geplant war, geht in die Verlängerung. Wer von den gut 50.000 Teilnehmern kein fixes Rückflugticket hat, streitet weitere Stunden (oder Tage) über den Abschlusstext namens „Global Mutirão“ oder Belém-Paket.
Für die Aktivisten, die gegen alle Evidenz am 1,5-Grad-Ziel in Sachen Erderwärmung festhalten, geht es ums Prinzip. Sie fordern nicht weniger als die Selbstverpflichtung der Menschheit zum Ausstieg aus fossilen Energierohstoffen bis zur Jahrhundertmitte: „Net Zero 2050“ bei den menschengemachten Treibhausgasemissionen, neben CO2 betrifft das Methan, Lachgas und andere. Ab 2051 müssten dann sämtliche Emissionen durch sogenannte Treibhausgassenken – seien es Wälder oder Maßnahmen zur CO2-Abscheidung – kompensiert werden.
Ziel der Regierungs- und NGO-Vertreter aus der Europäischen Union ist die Festschreibung einer auf das 2050er-Ziel ausgerichteten „Roadmap“ im Abschlussdokument, eines politischen Fahrplans. Eine solche Roadmap soll konkrete Meilensteine, Zeitpläne und Unterstützungsmechanismen enthalten. Ausdrücklich erwähnt wird seitens der EU die Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten und der Grundsatz der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“.
Gemeinsam, aber differenziert
Hinter den Worten „gemeinsam, aber differenziert“ verbirgt sich die Forderung, dass die „alten“ Industriestaaten, deren maßgebliche Emissionen in der Vergangenheit liegen, überproportional für die Kosten der globalen Dekarbonisierung heranzuziehen sind. Konkretes Beispiel: Deutschland als klassisches Mitglied dieser Gruppe wäre nicht nur verpflichtet, seinen 1,8-Prozent-Anteil an den heutigen Treibhausgasemissionen auf null zurückzufahren, sondern zudem mit der Forderung konfrontiert, für die gesamten Emissionen der deutschen Volkswirtschaft seit Beginn des Industriezeitalters (kumuliert rund 3,8 Prozent) finanziell geradezustehen.
Der EU-Vorschlag wird von mehr als 80 Ländern unterstützt, neben den Europäern vornehmlich kleine Inselstaaten, afrikanische und lateinamerikanische Länder. Die entsprechenden Erwartungen fanden sich auch in den ersten Entwürfen des Abschlussdokuments. In der letzten Version, die kurz vor Konferenzschluss vom brasilianischen Präsidium vorgelegt wurde, gab es dann keinerlei Erwähnung mehr, weder von fossilen Brennstoffen noch von einer Roadmap. Dem Vernehmen nach wurden die Hinweise auf Druck Saudi-Arabiens, Russlands und anderer Ölstaaten gestrichen.
Nach Bekanntwerden des brasilianischen Entwurfs drohten mehr als 30 Länder, darunter fast die gesamte EU, das COP30-Paket insgesamt abzulehnen, sollte die Roadmap mit dem Ziel „Net Zero 2050“ nicht wieder aufgenommen werden. Das war Auslöser der Verlängerung.
Der Streit ist das spektakulärste, doch längst nicht das einzige Thema des diesjährigen Klimagipfels. Von ähnlicher Reichweite, politisch und finanziell, ist die sogenannte Klimafinanzierung: Wer stellt wem wie viele Milliarden zur Verfügung, die dann (hoffentlich) in Klimaschutz oder doch Klimaanpassung investiert werden? Verhandlungsbasis ist die stehende Zusage der Industriestaaten, Jahr für Jahr 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, außerdem die „Baku-to-Belém-Roadmap“ zur Aufstockung dieser Finanzmittel auf jährlich 1,3 Billionen (!) Dollar bis 2035. Auch strengere Emissionsreduktionsziele für 2035, die Anfang 2026 fällig sind, gehörten zur Tagesordnung.
Es sind ehrgeizige Pläne, die gerade den rezessionsgeplagten Deutschen – beim Klimaschutz immer mit der Fahne voran – größere Bürden auferlegen als mancher Kapitulationsvertrag in der Vergangenheit, Stichwort Versailles 1919. Was würde „Net Zero 2050“ konkret bedeuten?
Wofür kämpfen die Europäer eigentlich?
Drei Kernpunkte, erstens die sofortige globale Emissionsreduktion: Die weltweiten Treibhausgasemissionen müssten bis 2030 um 45 bis 55 Prozent gegenüber 2019 sinken, bis 2035 um 35 bis 55 Prozent – je nachdem, ob die Welt sich für das 2- oder das 1,5-Grad-Ziel entscheidet.
Zweitens müssten ab 2026 die globalen Emissionen sinken, Jahr für Jahr.
Drittens dürfte es weltweit ab sofort keine neuen Investitionen in fossile Infrastruktur (Öl, Gas, Kohle) geben. Außerdem dürften bestehende Anlagen nur mit nachgeschalteter CO2-Abscheidung weiterbetrieben werden.
Selbst wenn Deutschland bis 2035 den Ausstieg aus der Industriegesellschaft meistern würde – diese Ziele werden nicht erreicht.
Bei Licht betrachtet stellt sich die Frage: Wofür kämpfen die Europäer hier eigentlich? Keine der Voraussetzungen zur Erreichung von „Net Zero 2050“ ist auch nur annähernd realistisch. Es wird kein „Net Zero 2050“ geben, egal ob sich das Ziel im Abschlusskommuniqué der COP30 wiederfindet oder nicht.
Auch die zweite Forderung, an der die COP-Klimaschützer wie an einem Dogma festhalten, ist aus der Zeit gefallen. Das 1,5-Grad-Ziel ist Makulatur. Dass manche Medien und Politiker weiterhin so tun, als handele sich dabei um eine reale Option, gemahnt an Endsieg-Versprechen aus ungern erinnerter Vorzeit.
Hat also die Trump-Regierung, die sich der COP-Konferenz komplett verweigert, am Ende recht? Die in Belém dominante Mentalität, die allein auf Alarmismus und illusorische Maximalziele setzt, taugt nicht zur Mobilisierung der acht Milliarden Homo sapiens, deren Mittun beim Ausstieg aus fossilen Energien unabdingbar ist. Da sind die „bösen“ Ölförderländer mit ihrer skeptischen Haltung der Wirklichkeit näher als die sogenannten Klimaschützer. Statt Arabern und Russen die Schuld zuzuschieben, wenn die Kommuniqués nicht ganz so weltfremd-idealistisch ausfallen wie herbeigesehnt, sollten die Regierungen und NGOs besser in sich gehen.
Oder sich ein Beispiel am chinesischen Technologiefortschritt nehmen. Die bald größte Volkswirtschaft der Erde wird konsequent auf nichtfossile Energien umgestellt – unter vorübergehender Beibehaltung sogar der Kohleverstromung, weil nur günstige Energie den Fortschritt wirklich befeuern kann.



