Randale in Berliner Freibädern

Gewalt in Freibädern: Frau Spranger, was haben Sie seit letztem Sommer eigentlich gemacht?

Berlins Innensenatorin ist zuständig für die Freibäder – und damit auch für die Randale dort. Bisher bleibt Iris Spranger defensiv. Das ist sonst nicht ihre Art.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD)
Innensenatorin Iris Spranger (SPD)Berliner Zeitung am Wochenende. Fotos: imago

Namensregistrierung, Ausweispflicht, Videoüberwachung der Eingänge, Verstärkung der Zäune, mancherorts mobile Polizeiwachen vor der Tür. Berlins Freibäder sollen besser ausgerüstet werden. Das ist gut, richtig und notwendig, weil diese Einrichtungen für viele seit längerer Zeit zu No-Go-Areas geworden sind. Aggressives Verhalten und die Randale weniger junger Männer schrecken seit Jahren viele potenzielle Besucher ab.

Doch manches bleibt merkwürdig. Täuscht der Eindruck, oder ist gerade mal wieder völlig überraschend der Sommer ausgebrochen, die schlimmen Nachrichten aus den Bädern inklusive? Da stellt sich doch die Frage: Wieso hat man das seit Jahren einfach laufenlassen? Muss es erst zur nächsten Eskalation kommen, damit überhaupt etwas gemacht wird?

All diese Fragen muss sich Iris Spranger gefallen lassen, denn sie ist gleich in zweierlei Hinsicht verantwortlich. Die SPD-Politikerin ist als Innensenatorin nicht nur zuständig für die Polizei. Sie ist qua Amt auch Aufsichtsratsvorsitzende der landeseigenen Berliner Bäderbetriebe. Mehr Verantwortlichkeit geht nicht.

Und was sagte die Verantwortliche, nachdem sie am Donnerstagnachmittag  das Prinzenbad in Kreuzberg inspiziert hatte – eines von mindestens drei Berliner Problembädern, aus denen zuletzt Tumulte gemeldet wurden? Was also sagte Iris Spranger, als sie gefragt wurde, was sie seit dem vergangenen Sommer in der Bädersache getan habe? „Ich habe den Bäderbetrieben schon im letzten Jahr sehr, sehr deutlich gesagt: Wir stocken auf.“ Personal, mehr Leute, meinte die Behördenchefin. Wenn die Bäderbetriebe es denn wollten. Wow! Das Geld dafür sei vorhanden. Doppel-Wow!!

Entweder wollten die Bäderbetriebe kein weiteres Personal. Aber das kann ja wohl nicht stimmen, wer verzichtet schon freiwillig auf zusätzliche Kräfte im häufig herausfordernden Dienst am Beckenrand? Oder es liegt gar nicht an der Anzahl des Bademeister und Securities, sondern an unzulänglichen Regeln und fehlenden Sanktionsmöglichkeiten. Sicher lässt sich sagen: Genutzt hat bisher offensichtlich nichts wirklich. Die Zustände haben sich Jahr für Jahr gefühlt eher dramatisiert.

Dennoch bedurfte es erst eines Brandbriefs der Bäderangestellten und nun einer Art kollektiver Krankschreibung mit der Folge einer Schließung des Bades am Columbiadamm in Neukölln (Problembad Nummer 2, danach kommt noch das Sommerbad Pankow), um unmissverständlich aufzuzeigen: So geht es nicht weiter! Hier wird auf unserem Rücken Politik nicht gemacht!

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und Innensenatorin Iris Spranger vor dem Prinzenbad
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und Innensenatorin Iris Spranger vor dem PrinzenbadEmmanuele Contini

Sicher: Dieser Hilferuf richtet sich pro forma an den Vorstand der Bäderbetriebe, de facto aber richtet er sich direkt an Iris Spranger als Aufsichtsratschefin und Fachsenatorin. Was also tut sie konkret?  

Nun ist Iris Spranger wirklich nicht als zimperliche Politikerin bekannt, die sich vor harten Maßnahmen scheut. Im Gegenteil. Für eine SPD-Politikerin schwimmt sie ziemlich weit raus, wenn sie sich stark macht für eine deutlich bessere Ausstattung und weitergehende Befugnisse der Berliner Sicherheitsbehörden: Mehr Elektroschockgeräte will sie, mehr Bodycams sowieso, mehr Rechtssicherheit für den finalen Rettungsschuss, einen längeren Unterbringungsgewahrsam auch gegen Klimakleber. Und über allem: mehr Personal. Natürlich.

Die Kotti-Wache in Kreuzberg ist Iris Sprangers Prestigeobjekt

Spranger hat nie ein Hehl daraus gemacht, wie froh sie über den Regierungswechsel hin zur CDU ist. Dass die Polizei – und damit auch sie selbst – sich von den langjährigen Partnern von Grün und Links nicht mehr dauerkritisieren lassen muss. Dass die Unterstellung, die Sicherheitsbehörden seien auf dem rechten Auge latent blind, zumindest nicht mehr aus der eigenen Koalition kommt. Dass sie sich von denselben Leuten nicht mehr dafür auslachen muss, dass sie eines ihrer Prestigeprojekte gegen allen Spott und alle Widerstände durchsetzte: eine Polizeiwache am Kottbusser Tor. (Fast) alle, selbst die Spranger sonst so wohlgesonnene Gewerkschaft der Polizei, halten die Einrichtung an Berlins traditionellem Brennpunkt für alles Erdenkliche für überflüssig und überteuert. Für eine Schaufensterveranstaltung der Innensenatorin, darauf erpicht, Stärke zu beweisen. Ihre eigene und die des Staates, den sie darstellt. Am Ende wusste Spranger in Sachen Kotti-Wache eigentlich nur eine namhafte Unterstützerin uneingeschränkt bei sich: die Parteifreundin und damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey.

Giffey ist als Regierungschefin Geschichte, am Donnerstag im Prinzenbad wurde Iris Spranger vom neuen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner begleitet. Erinnert man sich an dessen CDU-Wahlkampf mit der Forderung nach der Vornamensabfrage der Silvester-Krawallbrüder, weiß jeder: Noch mehr Unterstützung für das schnelle Umsetzen schärferer Bäderregeln geht nicht. Und braucht eine Innensenatorin auch nicht.

Doch wie klang das denn am Donnerstag auf die Frage, wie schnell die vielen genannten Maßnahmen umgesetzt würden? „Selbstverständlich so schnell wie möglich“, sagte Spranger. Ach!? „Lieber Tage als Wochen“, sagte Wegner. Alte Politikerweisheit: Nutze den Moment! Schließlich ist der Sommer schneller vorbei, als man Zeit dazu hat, Profil zu zeigen.

Stellt sich die abschließende Frage: Was ist los, Frau Spranger?