Ein Bericht im Auftrag des Bundesinnenministeriums zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland eines neunköpfigen Expertenteams stößt immer mehr auf Kritik. Nun meldet sich die Bloggerin Sigrid Herrmann zu Wort: Sie wird in dem Bericht als Negativbeispiel in öffentlichen Debatten über Muslime und den Islam aufgeführt. Dagegen möchte sie sich wehren. Um Geld für eine Rechtshilfe zu sammeln, startete sie einen Spendenaufruf.
Innerhalb von vier Tagen wurden auf der Website GoFundMe.com schon über 4000 Euro gespendet. Mit dem rechtlichen Beistand erhofft sich Sigrid Herrmann eine umfassende Beratung auf verschiedenen Rechtsgebieten. Sie möchte überprüfen, „inwiefern der Staat Dritte einsetzen und fördern kann, die die Rechte Dritter nicht beachten“. Als Ziel setzt sich die Bloggerin, dass die „diffamierende Darstellung“ ihrer Person in dem Bericht korrigiert oder vollständig unterbleibt.
In einem öffentlich verbreiteten Bericht für das Bundesinnenministerium werden meine Arbeit und ich als Person diffamiert. Dagegen muss ich mich wehren und habe deshalb eine Spendenkampagne initiiert. Bitte unterstützt mich dabei, mein Recht zu bekommen!https://t.co/4SMAwLhwrQ
— Sigrid Herrmann (@SigridHerrmann) July 10, 2023
Sigrid Herrmann, die eigentlich studierte Biologin ist, sagte gegenüber der Berliner Zeitung, dass sie Kontakt mit dem Bundesinnenministerium aufgenommen habe, um herauszufinden, wer die rechtliche Verantwortung des Expertenberichts trage. Bislang habe sie keine Antwort erhalten.
Ist ein potenzieller Rechtsstreit angemessen?
Herrmann ist von dem Expertenteam angegriffen worden, weil sie 2017 nach Recherchen des Spiegel einen „falschen Extremismus-Vorwurf gegen mehrere Mitarbeitende einer hessischen Beratungsstelle“ erhoben habe. Daraufhin wurden die betroffenen Mitarbeitenden suspendiert. Der Expertenkreis schreibt, dass sich Sigrid Herrmanns Vorwürfe „im Nachgang als nicht haltbar“ erwiesen.
Auch, so heißt es weiter, stelle sich die Frage, inwieweit die Arbeit der Bloggerin wirklich ohne muslimfeindliche Stereotype erfolge. Im Bericht taucht Herrmann in einem Kapitel über die Kontaktschuld-Frage auf. Der Begriff ist umstritten. Unter eine angebliche Kontaktschuld fallen zum Beispiel Kontakte zu mutmaßlich radikalen Organisationen. Oft werden selbst die kleinsten Schnittstellen verurteilt. Ihre Forschungen hätten „Mutmaßungscharakter“, urteilten die Experten.
Dagegen wehrt sich die Bloggerin. Sie sagt, dass der Artikel „verzerrte Informationen“ beinhalte und „ohne die vereinbarte Endabnahme publiziert wurde“. Sigrid Herrmann steht weiterhin zu ihrer damaligen Aussage, diese sei bis heute einsehbar. Es müsse zwischen „ideologisch fragwürdig und sicherheitsrelevant“ unterschieden werden. Ersteres hätte sie mit ihrer Recherche belegt.
Sie wolle, so die selbsternannte Islamismus-Expertin, über islamistische Strukturen aufklären, adressiert an kommunale Akteure, muslimische Familien und Gemeinden sowie die Politik. Mit der Sammlung von Informationen über Vernetzungen von muslimischen Verbänden wolle sie Kinder und Jugendliche vor der Integration in islamistische Strukturen bewahren.
Herrmann weiter: Wer ihr Islam- oder Muslimfeindlichkeit unterstelle, könne selber nicht zwischen Islam und Islamismus unterscheiden. Dass sie in dem Bericht als muslimfeindlich dargestellt wird, empfinde sie als „bösartig und ehrenrührig“.
Den Grund für die negative Porträtierung ihrer Person sieht Herrmann darin, dass ihre„ Aufdeckung islamistischer Strukturen auch legalistischen Islamisten auf die Füße tritt“. Zudem erwidert die Bloggerin, dass sie entgegen der Aussagen im Bericht sehr wohl mit Belegen arbeite. Die Befunde beziehe sie aus „öffentlichen Gerichtsverhandlungen, öffentlich zugänglichen Registern und Eigenangaben von Personen in den sozialen Medien“ sowie zusätzlichen technischen Hilfsmitteln, die zum Beispiel zur Übersetzung von arabischen Texten dienen.
Sigrid Herrmann fokussiert sich in ihren Recherchen eigenen Angaben nach auf kleinteilige Berichterstattung, durchsucht Social-Media-Profile von Muslimen, um dann nachzuweisen, dass diese Personen in irgendeiner Art und Weise Kontakte zu Verbänden, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, pflegen.
Berichterstattung über Muslime: Eine komplizierte Sache?
Ob der Expertenkreis oder die Bloggerin Herrmann im Recht sind, kann in einem zukünftigen Rechtsstreit – wenn er zustande kommt – geklärt werden. Im Fokus wird dann gewiss die Frage stehen, wann die Grenze von einer konstruktiven zu einer muslimfeindlichen Berichterstattung überschritten wird. Laut der Expertin Saba-Nur Cheema, die an der Studie mitgearbeitet hat, gibt es allerdings gewisse Richtwerte.



