IS

Islamismus: Berliner Untergrund-Organisation spendet für den „Islamischen Staat“

Beschuldigte eines Salafisten-Vereins sollen Geld für den IS gesammelt haben. Razzien könnten den Terrorunterstützern nun einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Frauen in Hijabs im syrischen Al-Hol-Camp, das von den Kurden kontrolliert wird
Frauen in Hijabs im syrischen Al-Hol-Camp, das von den Kurden kontrolliert wirdWirestock/imago

Relativ lange herrschte Ruhe in Berlin: Über Terrorvereinigungen wie den „Islamischen Staat“ (IS) war nur wenig zu hören. Doch im Untergrund liefen die Aktivitäten der Terrorunterstützer und Islamisten weiter. Am Mittwochmorgen durchsuchten Ermittler des Landeskriminalamtes neun Objekte in Berlin: zwei in Reinickendorf, zwei in Neukölln und je eines in Friedrichshain, Tegel, Spandau, Wilmersdorf und Schöneberg.

Neun Männern im Alter zwischen 21 und 42 Jahren wird vorgeworfen, den IS mit Geld unterstützt zu haben, unter anderem für den Freikauf oder die Schleusung von Mitgliedern der terroristischen Vereinigung aus nordsyrischen Lagern in Al-Hol und Roj.

Die Beschuldigten hatten nach Informationen der Berliner Zeitung bis zu deren Verbot im Februar 2021 durch den Berliner Innensenator einer Missionierungsvereinigung angehört. Diese Gruppierung firmierte unter den Namen Tauhid Berlin und Jama’atu.

Polizisten beschlagnahmen Handys und Zahlungsunterlagen

Deren etwa 20 Mitglieder hatten sich an dem 2017 verbotenen Verein Fussilet orientiert, in dem der Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri verkehrte. Tauhid und Jama’atu propagierten den bewaffneten Dschihad und Anschläge auf Zivilisten, verherrlichten den „Islamischen Staat“ und verbreiteten antisemitische Inhalte. Die Islamisten trafen sich in Privatwohnungen. Vor dem Verbot versuchten sie vergeblich, Räume anzumieten oder in Moscheen unterzukommen. Dort fanden sie aber keinen Anschluss. „Mit dem Verbot konnten wir verhindern, dass sich aus der Gruppe heraus in Berlin Terrorstrukturen entwickeln“, sagte danach der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, Michael Fischer.

Der Verfassungsschutz und die Staatsanwaltschaft haben die Mitglieder weiter auf dem Schirm. Die neun Beschuldigten stehen laut Staatsanwaltschaft nach wie vor dem gewaltsamen Jihad nahe sowie der Ideologie des „Islamischen Staates“. Die Spenden, die die nun beschuldigten Mitglieder an den IS übermittelt haben sollen, lagen eher im unteren Bereich – „bei 50 Euro und manchmal ein bisschen höher“, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte.

Bei den Durchsuchungen beschlagnahmten die Polizisten Geld, Unterlagen im Zusammenhang mit den Zahlungen sowie Mobiltelefone und andere Datenträger, die zur Kommunikation mit den Spendensammlern gedient haben könnten.

Die Razzia erfolgte in Abstimmung mit der Bundesanwaltschaft und gehört zu einem größeren Verfahrenskomplex. In diesen eingebunden sind neben dem Generalstaatsanwalt Berlin auch die Staatsanwaltschaften Celle, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Koblenz, München, Naumburg, Stuttgart und Thüringen.

Verfassungsschutz zählte 1100 Salafisten in Berlin

Während es in Berlin bei Durchsuchungen blieb, wurden in den anderen Bundesländern drei Männer und vier Frauen verhaftet. Sie sollen bis Donnerstagabend dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

Die Beschuldigten gehören nach Angaben der Bundesanwaltschaft einem internationalen Netzwerk an, das die terroristischen Aktivitäten des „Islamischen Staates“ in Syrien durch finanzielle Spenden gefördert hat. Seit 2020 warben zwei Anhängerinnen des IS aus Syrien heraus auf Telegram-Kanälen für Geldzahlungen zugunsten der Vereinigung.

In das Netzwerk eingebunden waren Finanzmittler, die Gelder sammelten und Konten oder digitale Spendenkassen zur Verfügung stellten. Über diese wurden die gesammelten Geldbeträge an IS-Mitglieder in Syrien oder an Mittelspersonen transferiert.

Laut Bundesanwaltschaft wurden die Spenden vor allem dafür genutzt, die Versorgung von inhaftierten IS-Leuten zu verbessern, die sich in den nordsyrischen Lagern Al-Hol und Roj befinden und die von Kurden kontrolliert werden. Teilweise sei den Inhaftierten mit dem Geld die Flucht oder Schleusung aus den Lagern ermöglicht worden. Insgesamt wurden den Ermittlungen zufolge auf diese Weise aus Deutschland mindestens 65.000 Euro an den IS in Syrien transferiert.

Seit mehreren Jahren gibt es in sozialen Medien wie Facebook Spendenkampagnen unter anderem mit Titeln wie „Deine Schwester im Camp“, mit denen IS-Frauen finanziell unterstützt werden.

In seinem jüngsten Bericht für das Jahr 2021 rechnet der Verfassungsschutz in Berlin 2260 Personen dem islamistischen Spektrum zu – eine Steigerung um 90. Allein 1100 davon gehören demnach der salafistischen Szene an. Der Verfassungsschutzbericht für das zurückliegende Jahr wird im nächsten Monat erwartet.