Usbekistan

Durchsuchung von Usmanows Anwaltskanzlei war illegal: Der Rechtsstaat funktioniert

Im Februar durchsuchten Ermittler die Büros der Münchener Anwälte des usbekischen Milliardärs. Doch das Landgericht Frankfurt erklärt das Vorgehen für rechtswidrig.

Alischer Usmanow (M.) kämpft seit Monaten gegen Hausdurchsuchungen durch deutsche Behörden.
Alischer Usmanow (M.) kämpft seit Monaten gegen Hausdurchsuchungen durch deutsche Behörden.Alexei Nikolsky/TASS/imago

Lange Zeit schien Alischer Usmanow der perfekte Buhmann der veröffentlichten Meinung zu sein. Über den usbekischen Milliardär, der auch einen russischen Pass besitzt, konnte man buchstäblich schreiben, was man wollte. Die EU unterstellte ihm eine Mitverantwortung für den russischen Angriffskrieg; die Polizei durchsuchte, obwohl die Objekte gar nicht ihm gehören, seine angeblichen Residenzen zu Wasser und zu Lande; die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Sanktionsverstößen; die Medien überzogen ihn mit Superlativen wie „Putins Lieblingsoligarch“.

Inzwischen ist dieses Etikett strafbewehrt, jedenfalls dann, wenn behauptet wird, Wladimir Putin selbst habe Usmanow so genannt. Ende August drohte das Hamburger Landgericht der Wiener Tageszeitung Kurier, die „ehrabträgliche Behauptung, von Putin als ‚Lieblingsoligarch‘ bezeichnet worden zu sein“, koste die Zeitung im Wiederholungsfall 250.000 Euro oder maximal zwei Jahre Ordnungshaft. Die Verfügung war nicht der erste Klageerfolg, den der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel im Rahmen seiner medienrechtlichen Verteidigung des Usbeken verzeichnete.

Seit einer Welle verschiedener Durchsuchungen und breiter medialer Vorverurteilung nimmt Alischer Usmanow den deutschen Rechtsstaat beim Wort. Wer angegriffen ist, darf sich wehren. Und der Rechtsstaat zeigt seine Qualitäten: Er funktioniert.

Selbst die Bundesbank wurde von den Ermittlern ignoriert

Der jüngste Beweis, ebenfalls aus dem August 2023, ist ein Beschluss des Landgerichts Frankfurt/Main zugunsten einer Rechtsanwaltskanzlei in München. Deren Geschäftsräume waren im Februar auf amtsgerichtliche Anordnung hin durchsucht worden. Zuvor waren auf dem Konto der Kanzlei 100.000 Euro als Vorauszahlung für die anwaltliche Vertretung des in Taschkent ansässigen Usmanow eingegangen. Das Geld kam von einer nicht sanktionierten Moskauer Wirtschaftskanzlei; die eigens kontaktierte Bundesbank hatte bestätigt, dass eine Sondergenehmigung nicht erforderlich sei.

Die Staatsanwaltschaft, so mit dem Fall vertraute Personen, interpretierte die Honorarzahlung dennoch als Sanktionsbruch und Verstoß gegen das sogenannte Bereitstellungsverbot im Rahmen der Sanktionsverordnungen. Das Verbot soll verhindern, dass sanktionierte Personen in der EU über Finanzmittel oder wirtschaftliche Ressourcen verfügen. Für die Staatsanwaltschaft war klar: Anwaltliche Vertretung kommt einer solchen Bereitstellung gleich.

Das Landgericht seziert die Argumentation mit dem Skalpell juristischer Differenzierung. Weder seien die 100.000 Euro dem usbekischen Unternehmer zugutegekommen noch habe er darüber die Verfügungsgewalt. Die Zahlung diene auch nicht der Unterstützung von Handlungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.

Auch jede sanktionierte Person darf sich vor Gericht verteidigen

Dem Vernehmen nach wird in dem Urteil ausdrücklich klargestellt, dass jeder Mensch, auch eine sanktionierte Person, das Recht hat, sich vor Gericht verteidigen zu lassen. Das schließt notwendigerweise die Bezahlung einer Anwaltsforderung ein.

Entsprechend hat das Frankfurter Landgericht die Durchsuchung für rechtswidrig erklärt. Die Voraussetzungen hätten mangels eines Anfangsverdachts nicht vorgelegen.

Es ist nicht die erste Entscheidung zugunsten des usbekischen Unternehmers. Im Mai hat eine andere Kammer desselben Landgerichts vier weitere Durchsuchungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen für rechtswidrig erklärt. Damals ging es um Geldwäsche, und auch damals fehlte der Anfangsverdacht einer Straftat.

Weiterhin anhängig ist eine von Usmanow angestrengte Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die individuellen EU-Sanktionen gegen Alischer Usmanow (und andere Betroffene) eine Verletzung seiner Menschenwürde als Teil der bundesrepublikanischen Verfassungsidentität darstellen.

Was im Sommer letzten Jahres als Initiative ehrgeiziger Staatsanwälte begann, beschäftigt heute einige der profiliertesten Anwälte und Richter der Nation. Damals war der Auslöser massiver Druck der deutschen Medien und Politik, die vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs konkrete Strafen sehen wollten, konkrete Enteignungen. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft reagierte mit der Eingreifreserve „Ukraine“. Sie hat wohl überreagiert.

Eingreifreserve mit „besonderem Kniff“

Das Opfer war rasch ausgemacht: Alischer Usmanow. Kein Zweiter aus dem Umfeld der russischen Superreichen war in Deutschland ähnlich exponiert. Immobilien am Tegernsee und die Superjacht „Dilbar“ bei Bremen gehören zwei sogenannten Trusts, wie Milliardäre auf der ganzen Welt sie verwenden. Jahre vor dem Krieg hat Usmanow Teile seines Vermögens zugunsten seiner Familie dorthin ausgelagert. Die Praxis ist legal und weit verbreitet, das Konstrukt bei der deutschen Justiz allerdings nicht sonderlich beliebt.

Im September 2022 war die Frankfurter Eingreifreserve entschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen. Der Spiegel, der die Vorgänge eng begleitete, schrieb von einem „besonderen Kniff“, den die Staatsanwälte sich ausgedacht hätten. Gewissermaßen eine konzertierte Attacke an drei Fronten: Geldwäsche, Steuerrecht, Sanktionsvergehen.

Till Lindemann: Er ist unschuldig

Von Tomasz Kurianowicz

29.08.2023

In der Folge kam es zu den rechtswidrigen Durchsuchungen. Doch schon früh gab es auch Zweifel. Dem Vernehmen nach weigerte sich eine Amtsrichterin, einzelne Durchsuchungsanordnungen zu unterzeichnen. Eine Kollegin übernahm das dann. Auch in der Frage, ob der Taschkenter Unternehmer in Deutschland eine Wohnung hat oder nicht, gingen die Ansichten auseinander. Ein Kölner Staatsanwalt schrieb im August 2022: „[Alischer Usmanow] ist weder deutscher Staatsbürger noch ist er in Deutschland wohnhaft.“

Usmanow rechnet mit weiteren Ermittlungen

Im Umfeld des Unternehmers wird auch künftig mit weiteren Ermittlungen gerechnet. Immerhin, so heißt es, sei die Rechtswidrigkeit der wesentlichen Eingriffe – Durchsuchungen, Privatsphäre, Eigentum – jetzt letztinstanzlich festgestellt.

Allein der Hartnäckigkeit des auserwählten Opfers ist es zu verdanken, dass es so weit gekommen ist. Die Wochenzeitung Die Zeit kommentiert Usmanows Feldzug vor deutschen Gerichten unter dem Titel „Die Rache des Oligarchen“. Aber sind Rechtsweg und Rache dasselbe? Andere Beobachter schreiben, in Russland hätte der Unternehmer diese Möglichkeit nicht gehabt. Das ist richtig. Und doch klingt bei solchen Kommentaren Missgunst durch – man missgönnt dem Milliardär seinen juristischen Erfolg.

Dabei ist es nicht nur Usmanows Erfolg oder der seiner Anwälte. Der eigentliche Erfolg gebührt dem deutschen Rechtsstaat. Dass der Rechtsstaat in der Lage ist, seine Fehler zu korrigieren, beweist seine Überlegenheit. Die Ironie ist nur, dass dieser Beweis durch einen ausländischen Milliardär erbracht wurde, dem Teile der deutschen Justiz, moralisch unterstützt von einer breiten Medienfront, rechtswidrig ans Leder wollten.