Der Bundesregierung droht im Mai im Bundestag eine ähnlich blamable Abstimmungsniederlage wie kürzlich bei der Impfpflicht – diesmal geht es um das Sondervermögen für die Bundeswehr. Es soll nach Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch mit einer Änderung des Grundgesetzes abgesichert werden. Dafür wären aber Stimmen der Unionsfraktion notwendig. Die will der Grundgesetzänderung und auch dem Bundesgesetz zur Einführung des Sondervermögens in der derzeit vorliegenden Fassung jedoch nicht zustimmen.
Die hält man bei der Union nämlich für einen Etikettenschwindel. Tatsächlich ist in beiden Gesetzentwürfen keine Rede mehr von einem „Sondervermögen Bundeswehr“. Dort geht es stattdessen nur noch allgemein um die „Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ durch die anvisierten 100 Milliarden Euro, die das Sondervermögen umfassen soll. Diese Formulierung lasse auch ganz andere Verwendungen zu als die Auf- und Ausrüstung der Bundeswehr, sagte Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, am Dienstag der Berliner Zeitung.
"Was für die Sicherung des Friedens in Europa gebraucht wird, wird getan." @Bundeskanzler Scholz macht im Bundestag klar, dass die #Bundeswehr neue, starke Fähigkeiten braucht. Dafür werden wir deutlich mehr investieren und ein Sondervermögen Bundeswehr einrichten. pic.twitter.com/AhdTYn9M1S
— Verteidigungsministerium (@BMVg_Bundeswehr) February 27, 2022
„Die Unionsfraktion kann der Einrichtung eines Sondervermögens Bundeswehr im Grundgesetz nur zustimmen, wenn klare Bedingungen erfüllt sind“, so Middelberg. Olaf Scholz habe in seiner Rede in der Sondersitzung des Bundestages ausdrücklich ein „Sondervermögen Bundeswehr“ angekündigt. „Inhaltlich muss deshalb eindeutig sein, dass die 100 Mrd. Euro vollständig der Bundeswehr zukommen“, sagte der CDU-Politiker. „Das muss bereits durch die Formulierung im Grundgesetz klargestellt sein.“
Die Unionsfraktion will außerdem sicherstellen, dass das Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Streitkräfte zu investieren, auch nach dem Auslaufen des Sondervermögens eingehalten wird. „Das heißt, der reguläre Verteidigungshaushalt muss stärker aufwachsen und spätestens 2027 die zwei Prozent erreichen“, erläuterte Middelberg. „Auch hier halten wir uns an die klare Aussage des Bundeskanzlers in seiner Rede vom 27. Februar.“
Die Union gibt sich dabei bereits kompromissbereit. Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz hatte bislang immer darauf gepocht, dass das Sondervermögen nicht auf das Zwei-Prozent-Ziel angerechnet werden dürfe, sondern dazugerechnet werden müsse. Scholz hatte die entsprechende Passage in seiner Zeitenwende-Rede im Bundestag so vage formuliert, dass es in dieser Hinsicht Interpretationsspielraum gab. Diese Ungenauigkeit ist nun ausgeräumt: Sowohl im Entwurf des Bundesgesetzes wie auch dem für die Ergänzung des Grundgesetzes heißt es, dass die 100 Milliarden Euro mit dem Zwei-Prozent-Ziel verrechnet werden können.
Passt der SPD-Fraktion das Sondervermögen grundsätzlich nicht?
In der SPD, so argwöhnt man zumindest in der Union, gibt es starke Bestrebungen, das Sondervermögen aufzubrauchen und den Etat des Verteidigungsministeriums danach wieder stark zurückzufahren. Scholz hatte das Sondervermögen zur Überraschung der eigenen Fraktion und des grünen Koalitionspartners in der Sondersitzung des Bundestags wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine angekündigt. Lediglich Finanzminister Christian Lindner (FDP) war vorab informiert. Lindners Ministerium ist federführend bei der Ausgestaltung der Gesetze, für deren Zustimmung man auch die Union gewinnen will
Nach Angaben aus der Union hat es dazu aber erst ein Treffen gegeben. Finanzminister Christian Lindner und sein Staatssekretär trafen sich mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und dem CDU-Abgeordneten Mathias Middelberg. Die Union hatte auch an anderer Stelle mehrfach darauf verwiesen, dass sie auf einem genauen Tilgungsplan für die zusätzlichen Schulden pocht, die wegen des Sondervermögens aufgenommen werden.
Hauptstreitpunkt ist aber die verwässerte Zielsetzung der Grundgesetzänderung. Sie dürfte nicht zuletzt auf den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zurückzuführen sein. Er hatte bereits in der Generaldebatte des Bundestages Ende März erklärt, dass „zur Kriegsverhinderung mehr gehört als immer größere Rüstungsausgaben, und schon gar nicht gehört dazu, nachfolgenden Generationen vorzuschreiben, wie hoch diese Ausgaben zu sein haben.“ Ein weltweites militärisches Engagement der deutschen Streitkräfte sei nicht das Verständnis seiner Partei einer klugen Außen- und Sicherheitspolitik, so Mützenich weiter.




