Seit zwei Monaten ist der neue Berliner Senat im Amt. Das sind keine hundert Tage. So gesehen ist es schon eine Leistung, wenn man betrachtet, wie viele Menschen der neue Senat in dieser kurzen Zeit schon gegen sich aufgebracht hat.
Es sind zum Beispiel eine Menge Radfahrer sauer. Seit Wochen blockieren immer mal wieder größere Gruppen die Berliner Straßen. An einem Montagmorgen drehten Radler mal eben 30 Minuten lang mitten im Berufsverkehr auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg ihre Runden - aus Protest. Der Stau drängelnder Autofahrer war immens. Fast so wie bei den Aktivisten der Letzten Generation, die einige Tage später auf der Friedrichstraße mit Bobbycars herumfuhren.
Ein Protest von Klimaaktivisten war natürlich erwartbar. Die CDU, die jetzt mit Kai Wegner den Regierenden Bürgermeister stellt, hatte sich immer gegen die Sperrung der südlichen Friedrichstraße ausgesprochen. Dass sie die Straße nun direkt nach Amtsantritt für den Autoverkehr wieder öffnen würde, kann man als eingelöstes Wahlkampfversprechen verbuchen. Dass die Aktivisten der Letzten Generation gegen jede Wiederbelebung von Autoverkehr protestieren würden, war ebenso klar wie folgerichtig.
Was die Radfahrer betrifft, liegt die Sache anders. Wegner hat zwar oft gegen Radspuren polemisiert. Dementsprechend versucht die CDU jetzt auch, die Sache einfach als konsequente Politik zu verkaufen. Ganz so einfach ist es aber nicht.
Auch Wähler von Kai Wegner sind sauer
Radfahrer gibt es in allen politischen Strömungen, und in der Berliner Innenstadt bewegen sich viele Menschen bevorzugt mit dem Rad, auch solche, die Wegner gewählt haben. Wenn nun nach der Berliner Wiederholungswahl Wegners Parteikollegin und neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner ankündigt, alle Radverkehrsprojekte überprüfen zu lassen und den Bezirksämtern mittteilt, dass sämtliche Finanzierungs- und Mittelzusagen für solche Projekte erst mal storniert sind und dies auch noch mit der Notwendigkeit von Parkplätzen begründet wird, muss sich niemand über Protest wundern – auf der Straße, in den Ämtern und bei den betroffenen Projektträgern und Bauunternehmen.
Und damit nicht genug, auch Tramprojekte werden ja überprüft. Es gibt eine Ankündigung, keine neuen mehr zu genehmigen.
Es sind enorm viele Menschen gerade verärgert über diese Rolle rückwärts bei der in Berlin doch nur sehr zaghaft begonnenen Verkehrswende. Der CDU-geführte Senat hat sie selbst aufgestört.
Radfahrer klagen gerade an allen Ecken, an jedem zweiten Stammtisch jedenfalls. Darunter sind ebenso passionierte Radfahrer wie auch solche, die erst durch Pop-up-Radwege und neue Spuren zu Radlern wurden. Es beschweren sich Planer, Firmenchefs und Handwerker. Es sind Grünen-Wähler dabei, aber auch solche, die der CDU ihre Stimme geben. Dass Radspuren aufgelöst und an den Autoverkehr zurückgegeben werden, dass aus Radspuren wieder Parkplätze werden sollen, verstehen sie nicht.
Es fühlt sich für diese Menschen danach an, als ob ihnen etwas weggenommen werden soll. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es diese Strecken schon gibt, oder ob es nur um Projekte geht. Am Stammtisch klingt es so: Die nehmen uns was weg, und schuld ist die CDU.
Das ist jetzt ein bisschen lustig. Hatten nicht die Konservativen in der Vergangenheit Pläne für Radwege anstelle von Parkplätzen und den Verlust von Autospuren als Verbot deklariert – nach dem Motto, die verbieten euch, mit dem Auto zu fahren?





