Im Garten des Finanzministeriums spielt sich am Mittwochvormittag die gleiche Szene ab, wie es sie bisher bei jedem Entlastungsvorschlag aus der FDP gegeben hat. Finanzminister Christian Lindner trägt seine Pläne für das Inflationsausgleichsgesetz vor, alle Nachfragen zielen darauf ab, wieso der Vorschlag bereits von Grünen, Linken und Teilen der SPD kritisiert wurde. Müsse er nicht „nachgebessert“ werden, wieso Lindner nicht „großzügiger“ sei und ob das Ganze nicht einen „Alleingang“ des Ministeriums darstelle.
Lindner pariert die Anwürfe mit Erläuterungen zum Gesetzescharakter, was möglich, was unmöglich ist. Außerdem hätten sowohl Wirtschaftsminister Habeck und Arbeitsminister Heil doch ebenfalls Eckpunkte zu Projekten ihrer Ministerien vorgestellt. Seien das auch Alleingänge? Der FDP-Chef wirkt dabei fast so, als würde er Nachhilfe in Sachen Rechtslage, Parlamentarismus und Fairness erteilen. Ist das sympathisch? Na ja. Geht es anders? Wohl nicht.
Europäische Nachbarn ächzen unter hohen Kosten
Wie schon beim Tankrabatt und dem 9-Euro-Ticket sind die Vorwürfe da, ehe das Ergebnis bekannt ist. Der Tankrabatt wurde vor Beginn zerrissen. Er bringe nichts, sei Klientelpolitik und schaffe die falschen Anreize. Das 9-Euro-Ticket hingegen wäre eine noble Wohltat, wahre Entlastung und der Mobilität-gewordene Klimaschutz.
Nun, drei Wochen vor dem Auslaufen der beiden Maßnahmen, sieht die Sache etwas anders aus. Deutschland hat im Vergleich zu großen Nachbarn viel niedrigere Spritpreise, Franzosen, Italiener, Spanier, Dänen und fast alle anderen Europäer ächzen unter höheren Kosten an der Zapfsäule.
Das 9-Euro-Ticket hingegen hat nach ersten Erkenntnissen des Grünen-nahen Interessenverbands Agora nur bescheidene zwei bis drei Prozent der Autofahrten ersetzt. Die Agora-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Bürger einfach beides nutzten: Schiene und Straße. Gleichzeitig führte das Ticket zu überfüllten Zügen, ausgefallenen Fahrten und viel Streit.
Selbstredend gibt es auch beim Tankrabatt Defizite und beim 9-Euro-Ticket lobenswertes. War es wirklich gut, dass die Rohölkonzerne so viel Gewinn machen konnten? Hat das 9-Euro-Ticket nicht auch sehr viele Menschen entlastet, die ansonsten den üblichen Monatspreis hätten zahlen müssen? Auf beide Fragen lautet die Antwort: Ja.
Lindner lehnt Fortsetzung von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket ab
Und doch lehnt Lindner die Fortsetzung von Rabatt und Ticket ab. Er sagt, das sei eben nicht zu finanzieren. Das wirkt zumindest plausibel: Pandemie, Ukraine-Krieg, Gaskrise und Lieferengpässe haben den deutschen Fiskus enorm belastet. Auch der Staatshaushalt ist nicht unerschöpflich.
Trotzdem will der Finanzminister 48 Millionen Bürger in Deutschland entlasten. Lindner sprach von einer Steuersenkung in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro. Im Durchschnitt läge sie bei 192 Euro pro Person und Jahr. Der Finanzminister will vor allem die kalte Progression ausgleichen und verhindern, dass der Staat von steigenden Preisen steuerlich profitiert. Wenn jetzt nichts getan werde, so Lindner, käme es zu einer „Steuererhöhung durch Unterlassung“.




