Berlin-Kann es sein, dass manche alte deutsche Sprichwörter doch ihre ganz eigene Wahrheit haben? Zum Beispiel dieses: Wenn zwei sich streiten, freut sich die Dritte. Das zweite große Fernseh-Triell der Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz lebte ein bisschen von dieser Gruppendynamik. Die beiden Männer stritten sich, Baerbock nahm oft den Faden auf, um klar zu machen, dass die große Koalition genau so den Stillstand zelebriere. Sie zeigte sich bei den meisten Themen sicher, stand ab und zu aber auch im Schatten der Auseinandersetzung.
Der Unionskandidat Armin Laschet, der beim CSU-Parteitag am Sonnabend auf Krawall gebürstet worden war, legte gleich mal kampfeslustig los. Gerade mal sechs Minuten dauerte es bis er seine erste Attacke abfeuerte, der gleich noch mehrere folgten. „Es ist schon ein Wunder, welche Schönfärberei Sie an den Tag legen“, bescheinigt Laschet seinem SPD-Kontrahenten. In jener Szene ging es gerade um die Geldwäsche und die Razzia, die vor einigen Tagen in Finanzministerium stattfand. Aber eigentlich verwendete Laschet den Vorwurf gleich für vieles, was Scholz zu sagen hatte – so dass dieser zum ersten Mal seit vielen Wochen aus der buddhamäßigen Ruhe fiel und fast ein bisschen eingeschnappt reagierte.
Zu Wirecard und Geldwäsche sagte Scholz, hier würden Dinge bewusst verdreht. „Sie haben absichtlich einen falschen Eindruck geweckt“, warf er Laschet vor und legte nach: „An Ihrer Frage merkt man wie unredlich Sie sind. Es gibt viele Kriminelle, die Straftaten begehen. Dafür beschuldigt niemand die Polizei.“
Das Triell lief also erwartungsgemäß wesentlich aggressiver ab als die erste Auflage der Live-Diskussion vor zwei Wochen bei RTL. Davon profitierte die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock erstaunlich gut. Sie begnügte sich manchmal einfach mit einem Lächeln nach links und rechts bevor sie genüsslich die „Vergangenheitsbewältigung“ der großen Koalition kommentierte, die hier zu hören sei.
Klimaschutz und Mietendeckel: Baerbock punktete, Laschet wirkte defensiv
Allerdings war die Hälfte der Sendezeit schon vorbei, als die wichtigen Themen Digitalisierung und Klimaschutz zur Sprache kamen. Da die beiden Herren einen großen Teil ihrer Redezeit mit gegenseitigen Hakeleien verbrauchten, blieb es Baerbock überlassen, in einem längeren Statement die Pläne der Grünen für die Klimawende vorzutragen – und das sehr souverän.
Bemerkenswert bei Laschet: Sobald er selbst gefordert wurde, Dinge darzulegen, wirkte er defensiv und merkwürdig ideenlos. Zum Thema Mietendeckel fragte er sogar erst mal verwirrt zurück: „Wie war die Frage?“. Wie Laschet will auch Scholz lieber auf Neubau setzen. Der CDU-Kandidat vertraut darauf, dass es schon brummt, wenn man erst mal die Bürokratie entschlackt. Der SPD-Kandidat will keinen richtigen Mietendeckel, aber ein Moratorium, was aufs Gleiche rausläuft.
Beim Thema Digitalisierung lief es ähnlich. Von Laschet kam ein schwacher Appell, es dürfe dabei „kein Weiter-So“ geben. Immer, wenn ein Wahlkämpfer diese Worte verwendet, fällt mittlerweile ein Politikberater irgendwo tot um. Scholz rettete sich in die Aufzählung verschiedener Maßnahmen, die eingeleitet worden seien und vertraute dabei auf seine einschläfernder Wirkung.
Ausweichend antworteten alle drei auf mögliche Bündnisse nach der Wahl. Alle wollen erst mal für sich selbst kämpfen und dann sehe man schon weiter. Laschet hält das Linksbündnis, das Scholz nicht ausschließen mag, offenbar schon für ausgemachte Sache, so dass er eine eigene Koalition gar nicht erst skizzieren mag. Baerbock hält ihm darauf hin vor, die Linkspartei mit der AfD gleichzusetzen, was Laschet so aber auch nicht gemeint haben will.
So geht es munter hin und her, was in der Kulisse einigermaßen kurios wirkte, weil sich Kandidaten und Moderatorin in ähnlichen Farben gekleidet hatten und in ihren blauen und violetten Outfits geradezu mit dem Hintergrund der Studiokulisse verschmolzen. Deutscher Wahlkampf – irgendwie unsexy, so das Urteil einiger ausländischer Journalisten, die das Triell mit zahlreichen deutschen Kolleginnen und Kollegen in einem extra Presse- und Gästezentrum neben dem Studio in Adlershof verfolgten.
Beim Schlusswort traten alle Kandidaten vor ihre Rednerpulte
Alle drei hatten dafür ihre Anhänger mitgebracht. Die Parteispitzen von CDU, SPD und Grünen bildeten dabei jeweils eigene Grüppchen, die sich untereinander tunlichst nicht mischten. Es reicht ja auch, wenn man nach dem 26. September in mutmaßlichen Koalitionsverhandlungen aufeinander trifft.





