Berlin-Die Grünen haben sich am Sonntag mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, nun auch offizielle Koalitionsverhandlungen mit der SPD und der FDP aufzunehmen. Auf einem Länderrat der Partei gab es von den 70 Delegierten lediglich zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung für den entsprechenden Antrag der Parteiführung.
Der Co-Parteivorsitzende Robert Habeck hatte das Sondierungspapier zuvor verteidigt. „Es ist natürlich noch gar nichts gewonnen“, sagte er. „Wir haben noch keinen Koalitionsvertrag und sind noch nicht in der Regierung. Aber es ist ganz gut gelaufen.“ Man habe trotz der Abstriche, die man machen musste, ein gutes Sondierungspapier erreicht. Man sei dabei, grüne Geschichte zu schreiben.
Habeck: „Wir sind in einer Hoffnungszeit angekommen“
Zu den Erfolgen, die man darin erzielt hatte, zählte er vor allem die sozialpolitischen Festlegungen: So habe man mit der Kindergrundsicherung, dem Mindestlohn von 12 Euro, der Herabsetzung des Wahlalters und der Festlegung auf ein modernes Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsrecht viel erreicht. „Es wird nun legale Fluchtwege geben statt Sterben im Mittelmeer“, so Habeck. Die Klimapolitik, eigentlich grünes Kernthema, erwähnte er kaum. „Wir sind in einer Hoffnungszeit angekommen“, beschwor er die Delegierten. „Einer Hoffnungszeit, die wir nicht enttäuschen dürfen.“
Die meisten Delegierten äußerten sich in diesem Sinne. Kritik am Sondierungspapier wurde zwar geäußert, das allerdings eher moderat. So wurde bemängelt, dass die Mobilitätswende in den bisherigen Gesprächen zu kurz kann. Andere forderten, dass es beim Thema Klima mehr geben müsse als Allgemeinplätze und Absichtserklärungen.
Die Unterhändler, die an den Sondierungen beteiligt waren, verteidigten das Erreichte. Es sei klar, dass es an den Grünen liegen werde, ob diese Regierung wirkliche Klimapolitik mache, sagte Britta Haßelmann, bisherige Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, ihn schmerze es natürlich, dass man kein allgemeines Tempolimit durchsetzen konnte. „Dafür bekommen wir das Ende des Verbrennungsmotors und endlich eine Bundesregierung, die den Klimaschutz auf europäischer Ebene nicht mehr ausbremst“, sagte er. „Das ist doch ein Riesenaufbruch.“
Als letzte Rednerin des kleinen Parteitages ging Annalena Baerbock ans Mikrofon. Auch sie sprach von Hoffnung. „Wir sind jetzt an diesem Moment, diesen Aufbruch zu verwirklichen, und ich glaube, wir spüren eine gemeinsame Lust, das jetzt anzupacken“, sagte sie. Anders als Habeck ging sie auch auf das Kapitel zum Klimaschutz im Sondierungspapier ein. „Das ist die globale Aufgabe unserer Zeit“. Man habe aber im Wahlkampf gesehen, dass das nicht für alle selbstverständlich sei. Es müsse daher eine Regierung geben, die das mit allen ihren Maßnahmen untermauere. Man werde dafür noch sehr hart verhandeln müssen.
Klimapolitik und Digitalisierung könnten aber nicht allein in Deutschland vorangebracht werden. Dazu müsse es europapolitische Initiativen geben, so Baerbock. „Das wird vermutlich die schwierigste Aufgabe der künftigen Bundesregierung werden.“
Die FDP will am Montag formal entscheiden, ob sie Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Die SPD hatte bereits am Freitag einstimmig dafür votiert. Einen Mitgliederentscheid über den endgültigen Koalitionsvertrag wird es dort nicht geben. Das sagte der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans im Interview mit der Bild am Sonntag. „Es muss eine angemessene Beteiligung der Mitglieder geben, zum Beispiel online“, so Walter-Borjans. Zeitaufwand und Kosten einer klassischen Mitgliederbefragung wären angesichts der überwältigenden Zustimmung in der SPD allerdings kaum zu vertreten.
Ampelkoalition: Es wird schon um Posten gestritten
Zugleich hat jetzt aber auch schon die Debatte über Personalfragen begonnen. So haben sich FDP-Politiker am Wochenende für ihren Parteichef Christian Lindner als Bundesfinanzminister ausgesprochen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki sagte am Sonntag in einem Fernsehinterview, man habe seiner Partei vorgeworfen, „Voodoo-Ökonomie“ zu betreiben. sagte er. „Nun muss man uns schon vertrauen, dass wir das stemmen.“



