Kommentar

Sondierungen: Ehrliche Kompromisse – mit leichtem Vorteil für die FDP

Die eigentlichen Koalitionsverhandlungen beginnen erst. Die Grünen haben aber schon jetzt ein paar Kröten geschluckt. Und wichtige Fragen sind noch offen.

Robert Habeck, Annalena Baerbock (beide Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) verkünden am Freitag erste Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche.
Robert Habeck, Annalena Baerbock (beide Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) verkünden am Freitag erste Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche.imago

Berlin-Noch ist nicht hundertprozentig klar, ob dieses Land eine Ampelkoalition bekommt. Seit Freitag aber wissen wir, dass es immerhin Koalitionsverhandlungen dafür gibt. Die Sondierungen sind abgeschlossen, es liegt ein erstes zwölfseitiges Papier auf dem Tisch, das nun die Grundlage für alles weitere sein soll.

Dabei ist klar geworden, dass die beteiligten Parteien – SPD, Grüne und FDP – ehrlich bereit zu sein scheinen, Kompromisse einzugehen. Die zehn Punkte, die in den Sondierungsergebnissen festgehalten wurden, enthalten für jeden Partner Genugtuung und Zumutung. Die SPD bekommt ihren Mindestlohn von zwölf Euro. Das ist keine Überraschung, schließlich war es das zentrale Wahlversprechen, mit dem Kanzlerkandidat Olaf Scholz seine Respekt-Kampagne geführt hat. Das Mindestrentenniveau von ohnehin nur noch 48 Prozent soll nicht weiter abgesenkt, die Lebensarbeitszeit nicht erhöht werden. Das ist ebenfalls ein Erfolg für die SPD, wobei sich das auch mit grünen Forderungen deckt.

Sicherlich ist das Sondierungspapier lediglich eine Grundlage für die nun erst beginnenden Koalitionsverhandlungen. Es ist an einigen Punkten aber schon recht konkret, interessanterweise meist da, wo die FDP im Vorfeld Forderungen aufgestellt hat.

So haben die Liberalen eine teilweise Kapitaldeckung in das Rentenkonzept verhandelt. Dafür sollen jährlich zehn Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden. Wenn man bedenkt, dass der Zuschuss zur Rentenkasse bereits einen dreistelligen Milliardenbetrag ausmacht, ist das allerdings eher wenig.

Es gibt aber weitere Punkte für die FDP: So wird es kein generelles Tempolimit geben. Das hatte der grüne Unterhändler Anton Hofreiter vor Tagen quasi im Interview bereits zugestanden. Jetzt steht es auch im Papier – ebenso wie der Verzicht auf die Vermögenssteuer und die Erhöhung von Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer. Auch an der Schuldenbremse wird festgehalten. Wie man die ebenfalls versprochen „Zukunftsinvestitionen … insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur“ finanzieren will, darf man gespannt abwarten. Das könnte dann schon noch mal eine jener  Nachtsitzungen erfordern, die man eigentlich vermeiden will.

Vielleicht ändert sich das im Laufe der Koalitionsverhandlungen, aber derzeit sieht es so aus, als sei die Einigkeit, die am Freitag bei der Vorstellung des Papiers herrschte, vor allem durch Zugeständnisse seitens der Grünen erkauft worden.

Natürlich ist ein umfassendes Klimaschutzprogramm verabredet worden. Wie es konkret aussehen soll, wird hoffentlich in den Koalitionsverhandlungen präzisiert. Die  Ausführungen dazu sind erst mal vage. So ist das erklärte Ziel der Grünen, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, nicht verbindlich festgeschrieben, sondern nur als Ziel, das „idealerweise“ bis dahin erreicht werden soll. Solaranlagen soll es auf allen dafür  „geeigneten“ Dächern geben, Pflicht wird das aber nur für gewerblich genutzte Räume. Privatleute will man durch Förderprogramme locken. Achtung, Finanzierungsvorbehalt!

Die Windkraft soll ausgebaut werden, klar. Zwei Prozent der Landesflächen sollen dafür zur Verfügung stehen. An das heikle Thema Abstandsregeln hat man sich aber noch nicht herangewagt. Die EEG-Umlage soll in den nächsten vier Jahren wegfallen, um die Bürger bei den Stromkosten zu entlasten. Mal abgesehen davon, dass das nur einen kleinen Teil der Steuern auf den Strompreis ausmacht und daher den Preis wohl nicht spürbar senken wird, reißt dies ein zusätzliches Loch in die Staatskasse. Und Genehmigungsverfahren für Windanlagen sollen verkürzt werden. Nun, das ist so dringend, dass es sogar Armin Laschet im Wahlkampf versprochen hatte.

Man wird den Verdacht nicht los, dass die Grünen sich irgendwie noch ein bisschen schämen, dass sie 2017 mit Angela Merkel und ihrer Union so dicke waren, dass die Liberalen schließlich ausgezogen sind. Hat man deshalb jetzt ein paar Zugeständnisse mehr gemacht? Tröstlich wirken da die Kapitel zur Gesellschaftspolitik und zur Digitalisierung. Da wird der Aufbruch ins 21. Jahrhundert offenbar von allen drei Partnern gleichermaßen getragen. Vermutlich haben Grüne und FDP die SPD da ein bisschen gezogen, womit sich die Vorgespräche der beiden „kleineren“ Parteien gelohnt haben können.

Vieles wird nun darauf ankommen, wie die Ressorts zugeschnitten sind, wer welche Kompetenzen erhält – und wie man letztlich zusammenarbeitet. Hoffentlich steht die Ampel-Koalition dann wirklich bis Weihnachten. Es gibt schließlich genug zu tun.