Wer sagt denn, dass Opposition Mist ist? In der Runde von „Anne Will“ am Sonntagabend im Ersten war niemand so entspannt wie Jens Spahn. Der frühere CDU-Gesundheitsminister, der in der Pandemie nicht immer die besten Ideen verfolgte, hat sich als Energieexperte seiner Fraktion neu erfunden.
Da kann man dann, wie es Spahn tat, der FDP recht geben, die gerne E-Fuels für Luxusautos subventionieren möchte, und den Grünen mal wieder das mit der Verbotspartei vorwerfen. Mehr wird von der Union gerade nicht erwartet, weil die Ampelkoalition ohnehin so zerstritten ist, dass die Einwürfe der Oppositionsparteien dagegen geradezu harmlos wirken.
Es gab wenigstens keinen Streit
In der Talkrunde von „Anne Will“ saßen am Sonntagabend auch Konstantin Kuhle (FDP) und Jürgen Trittin (Grüne). Die wichtigeren Vertreter der Ampelkoalition wurden beim zeitgleich tagenden Koalitionsausschuss gebraucht. Die in der Sendung Anwesenden rissen sich zusammen und stritten so gut wie gar nicht miteinander, wie Trittin am Ende gut gelaunt feststellte.
Viel Erhellendes hatten die beiden aber nicht zum Thema beizutragen. „Schluss mit Gas, Öl, Diesel und Benzin: Hat die Ampel dafür einen Plan?“, lautete die Frage der Sendung. Die Antwort im Fernstudio hieß: „Na klar hat die Ampel einen Plan, aber leider keinen gemeinsamen.“ Aber wenn jeder von seinem Projekt spricht, gibt’s wenigstens keinen Streit.
Die Solarindustrie und ihr „Altmaier-Knick“
Die FDP findet es erst einmal toll, dass ihr Verkehrsminister den EU-Kompromiss zum Verbrenner-Verbot ausgebremst hat. Dort wird jetzt weiter verhandelt, während Finanzminister Christian Lindner schon überlegt, wie er die sauteuren synthetischen E-Fuels subventionieren kann, die ziemlich sicher nur im Porsche 911 Verwendung finden werden.
Trittin begnügte sich mit dem Hinweis, dass man die knappen synthetischen Brennstoffe vorrangig in der Industrie verwenden müsse. Dafür hielt er Spahn vor, dass es der CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier war, der die heimische Solarindustrie quasi im Alleingang plattgemacht hatte. Der Einbruch in der Produktion heißt noch heute „Altmaier-Knick“.
Wärmepumpen-Strategie
Aber es sollte ja um die Zukunft gehen, und da war es ein kleiner Glücksfall, dass Lamia Messari-Becker dabei war. Die 50-Jährige ist Bauingenieurin und Professorin für Gebäudetechnologie. Sie weiß also, wie in Deutschland demnächst klimaneutral geheizt werden sollte. Den Parteien Grüne und FDP bescheinigte sie diplomatisch, dass beide eine sehr unterschiedliche Herangehensweise an die Klimapolitik hätten.
Gelobt hat sie dabei keine der beiden Parteien. Stattdessen legte sie in einem furiosen Vortrag dar, dass E-Fuels total ineffizient sind und die Wärmepumpen-Strategie von Wirtschaftsminister Robert Habeck eine, sagen wir mal, nicht sehr kluge Verengung bei den Lösungsstrategien darstellt.
„Es wird teuer und sehr hart“
Messari-Becker sprach von Flaschenhals und dass man einfach mehr Flaschen bräuchte. Viele Eigentümer von Eigenheimen seien im Rentenalter und hätten oft nicht genug Geld. „Nur die Wärmepumpe wird propagiert“, sagte die Wissenschaftlerin und warnte vor sozialen Härten. Es hat aber keiner reagiert, weil sie schon weitersprang. Wusste die Runde, dass es möglich ist, in privaten Haushalten mit Fotovoltaik-Anlagen Wasserstoff herzustellen, der die eigene Gasheizung dann klimafreundlicher macht? Bezeichnend, dass es an diesem Abend die Ingenieurin war, die – flankiert von der Journalistin Petra Pinzler – darlegte, dass Klimapolitik mehr ist, als einfach einen anderen Sprit in die gleiche Zahl von Pkw zu füllen.
Im Gebäudesektor, so die Professorin, sei der CO₂-Ausschuss in den vergangenen 30 Jahren immerhin um 40 Prozent reduziert worden, im Verkehrssektor gerade mal um ein Prozent. Und dann kam noch ein Satz, den man Politiker auch eher selten sagen hört: „Es wird teuer und sehr hart.“







