Im 19. Jahrhundert waren sie Kolonien des russischen Zaren, im 20. Jahrhundert sozialistische Sowjetrepubliken. Im 21. Jahrhundert gehen sie ihren Weg als souveräne Nationen zwischen China und dem Kaspischen Meer: die fünf zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.
Maßgeblich vorangetrieben durch den usbekischen Reform-Präsidenten Schawkat Mirsijojew formiert sich ein neues, die gesamte Region umfassendes Selbstbewusstsein. Die Einordnung als geopolitisches Hinterland der Russischen Föderation war schon vor dem Ukrainekrieg überholt; die Moskauer Invasion im Nachbarland hat die Entfremdung beschleunigt.
C5 steht für die zentralasiatischen Länder
Die Welt nimmt Notiz. China und Iran haben je eigene Motive, den schwindenden russischen Einfluss zu nutzen. Auch der Westen ist an der Region interessiert. US-Präsident Joe Biden hat seine zentralasiatischen Amtskollegen anlässlich der UN-Generaldebatte in dieser Woche zu einem sogenannten C5+1-Gipfel in New York eingeladen. C5 steht für die zentralasiatischen Länder, die „1“ für den Dialogpartner USA.
In einem auffallend freundlichen Brief an Mirsijojew betonte Biden seinen Respekt für die usbekischen Reformanstrengungen. Er erwähnte auch einen Besuch der Tochter des Präsidenten, Saida Mirsijojewa, in Washington vor einigen Monaten. In der Taschkenter Präsidialverwaltung firmiert sie als Assistentin ihres Vaters; sie gilt als Vorkämpferin eines modernen Rollenverständnisses von Mann und Frau. Der US-Präsident schreibt, das konsequente Eintreten von Vater und Tochter „für Frauenrechte und gegen häusliche Gewalt“ könnten die USA nur unterstützen.
Investitionen im Bereich kritischer Infrastruktur in Usbekistan
Bei dem C5+1-Gipfel in New York dürften neben Fragen der regionalen Sicherheit vor allem Themen wie Technologietransfer und amerikanisches Engagement eine Rolle spielen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die USA die Sanktionsdisziplin im Handel mit Russland ansprechen; dennoch wird der Wunsch nach gegenseitiger Annäherung vorherrschen. Zentralasien liegt im Kraftfeld dreier US-Gegner bzw. US-Rivalen: China, Russland und Iran. Die nachhaltige Äquidistanz der fünf Länder zu ihren mächtigen Nachbarn ist nicht nur im Interesse der C5-Staaten, sondern auch der USA.
Das Mittel der Wahl ist die wirtschaftliche Verflechtung. Am Vortag der UN-Generaldebatte kam es zu Gesprächen einer usbekischen Delegation in Anwesenheit des Premierministers sowie der Digital- und Energieminister mit Vertretern amerikanischer Großunternehmen. Wie es heißt, wollen unter anderem die Konzerne HP, Cisco und Uniper Investitionen im Bereich kritischer Infrastruktur in Usbekistan realisieren.
Wege multilateraler Kooperation
Dass Taschkent sein Verhältnis zum Westen auf ein neues Niveau heben will, hat auch finanzpolitische Hintergründe. Das anhaltend hohe Wachstum der usbekischen Wirtschaft – 5,7 Prozent in 2022 – nährt die Sorge vor Blasenbildungen in den Bereichen Immobilien und Automobile. Beide Sektoren sind nicht unerheblich mit Kreditlinien aus den USA und Westeuropa finanziert; ein Teil davon steht im kommenden Jahr zur Rückzahlung an.
Bei der Gestaltung einer in Grundsatzfragen abgestimmten Außenpolitik der C5-Staaten spielt Schawkat Mirsijojew als Präsident des bevölkerungsreichsten Landes eine Schlüsselrolle. Seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren haben sich auch die Beziehungen der C5 untereinander weitgehend normalisiert. Grenzstreitigkeiten zwischen Usbekistan und Kirgisistan wurden beigelegt, für andere, etwa zwischen Kirgisistan und Tadschikistan, zeichnen sich dem Vernehmen nach konstruktive Lösungen ab. Auch den wachsenden Engpässen bei der Versorgung mit Energie und Wasser begegnen die fünf Länder auf dem Wege multilateraler Kooperation.
Ende der sogenannten Baumwoll-Sklaverei
Während der UN-Generaldebatte kommen alle fünf Präsidenten zu Wort. Die Staatschefs aus Turkmenistan und Kirgisistan haben es sogar in die prestigeträchtige Eröffnungssitzung am Dienstagmorgen geschafft. Am Nachmittag folgen Usbekistan und Kasachstan, Tadschikistan am Tag darauf. Zum Vergleich: Bundeskanzler Olaf Scholz‘ Auftritt ist erst für den vierten Konferenztag eingeplant.
Die erfolgreiche regionale Zusammenarbeit dürfte bei allen fünf Reden eine Rolle spielen. Im Umfeld des usbekischen Staatschefs wird erwartet, dass Mersijojew die Themen Technologie, Klima und Umweltschutz in den Mittelpunkt stellt, ebenso den usbekischen Wunsch nach rascher Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO. Herausstreichen dürfte er zudem die Erfolge bei der Bildungsreform und das Ende der sogenannten Baumwoll-Sklaverei.






