Mit ihrer deutlichen Kritik an der Ukraine-Politik des Kanzleramts hat die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für Unmut in der SPD gesorgt. „Ich halte die Aussagen von Frau Strack-Zimmermann für völlig überzogen und unangemessen für einen Koalitionspartner“, sagt der SPD-Abgeordnete und Außenpolitiker Adis Ahmetovic der Berliner Zeitung.
Hintergrund ist ein Interview, das Strack-Zimmermann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gegeben hatte. Darin kritisierte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses die ausbleibende Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine. „Das Verweigern des Kanzlers“ in der Sache sei „erschreckend kurzsichtig“, sagte die FDP-Politikerin. Sie sei die „Ausreden“ leid.
Die Verantwortung dafür trage Olaf Scholz (SPD), sagte Strack-Zimmermann. Allerdings seien es die Berater des Kanzlers, die ihm die Blockade nahelegten. „Offensichtlich funktioniert ja das russische Narrativ [der Westen provoziere Russland, Anm. d. Red.] und hält manchen im Kanzleramt davon ab, der Ukraine die dringend benötigten Panzer zu überlassen.“
In den vergangenen Monaten hatte die FDP-Politikerin die Bundesregierung wiederholt dazu aufgefordert, die Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs militärisch mehr zu unterstützen. Dass die Verteidigungsexpertin dabei immer wieder öffentlich das Kanzleramt adressiert, verärgert offenbar zunehmend den sozialdemokratischen Koalitionspartner.
Waffen für die Ukraine: Strack-Zimmermann fordert Strategie
„Sie muss endlich in ihrer Rolle als Mitglied einer Regierungsfraktion ankommen“, sagt der SPD-Abgeordnete Ahmetovic. Strack-Zimmermann sitze eben nicht mehr in der Opposition. In ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende bekomme sie zudem auch international Aufmerksamkeit. „Leider schadet sie mit ihren vielen Auftritten nicht nur der Ampelkoalition, sondern unserem Land.“
Eigentlich respektiere und schätze er die Koalitionskollegin für ihre sicherheitspolitischen Ansichten. „Aber mittlerweile kommt es mir so vor, als ob es bei jedem Interview nicht mehr nur darum geht, den Kanzler in der Sache zu kritisieren, sondern eher um Selbstprofilierung.“
In dem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Strack-Zimmermann, Deutschland habe keine Strategie für die Unterstützung der Ukraine. Sie forderte, gemeinsam mit Partnerstaaten ein „Szenario“ zu entwerfen, wie man in den kommenden Monaten vorgehen wolle. Dazu Ahmetovic: „Die Kritik impliziert, dass sich der Westen nicht abgestimmt habe. Das ist schlicht und einfach falsch.“ Europa habe noch nie so schnell und geschlossen auf einen Krieg reagiert.
SPD-Politiker verweisen auf Waffenlieferungen
Wie Ahmetovic verweist auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten auf die bisherige militärische Hilfe für die Ukraine. Sie umfasst von deutscher Seite unter anderem Panzerhaubitzen, Flugabwehrwaffen und im Ringtausch mit osteuropäischen Staaten auch Panzer sowjetischer Bauart – allerdings keine westlichen Kampfpanzer, wie sie auch andere Nato-Mitglieder noch nicht geliefert haben.
„Dass das eine gemeinsame Haltung der US-Regierung und der Bundesregierung ist, hat zuletzt der Besuch des ukrainischen Präsidenten in den USA vor einigen Tagen gezeigt“, sagt Weingarten, der wie Strack-Zimmermann Mitglied des Verteidigungsausschusses ist. Es sei der Kollegin unbenommen, in dieser Sache einer anderen Auffassung zu sein. Allerdings spreche sie für sich allein, sie habe kein Mandat des Ausschusses.
„Die Enttäuschung von Frau Strack-Zimmermann über ihre weitgehende Isolation in dieser Frage kann ich nachvollziehen, teile aber weder ihre Meinung noch ihre öffentlichen Äußerungen dazu“, sagt Weingarten der Berliner Zeitung. „Auf das Kanzleramt einzuschlagen, das bei diesem Thema sehr umsichtig und strategisch reagiert, ist der falsche Weg.“
Stegner: Strack-Zimmermann sollte sich zurückhalten
Auch der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner, der seit Monaten vor deutschen Alleingängen bei Waffenlieferungen warnt, reagiert mit Unverständnis auf die Aussagen der FDP-Politikerin. „Als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses sollte sich Frau Strack-Zimmermann etwas mehr zurückhalten“, sagt der Bundestagsabgeordnete der Berliner Zeitung. „Dass sie mitunter zu voreiligen Aussagen neigt, hat sich bereits beim Einschlag der ukrainischen Flugabwehrrakete hinter der polnischen Grenze gezeigt, als sie auf Twitter umgehend Russland beschuldigte.“
Stegner bezieht sich dabei auf einen Vorfall von Mitte November, bei dem ein Geschoss auf polnischem Gebiet eingeschlagen war. Einige Politiker, darunter Strack-Zimmermann, hatten unmittelbar danach die russischen Streitkräfte verdächtigt – was einen Angriff auf Nato-Territorium hätte bedeuten können. Die FDP-Politikerin löschte ihren Tweet wenig später.
Zum Vorwurf, das „russische Narrativ“ verfange bei Beratern des Kanzlers, sagt Stegner: „Das ist absurd und intellektuell mindestens unterkomplex.“ Wahrscheinlich wolle Strack-Zimmermann andeuten, die SPD habe ein grundsätzliches Problem im Umgang mit Moskau. „Allerdings sollte sie nicht vergessen, dass nicht nur die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren die deutsche Russlandpolitik mitgeprägt hat, sondern auch die FDP.“




