Fragebogen

11 Klima-Fragen an Klaus Lederer: „Das Anliegen der Aktivisten ist ja legitim“

Berlin streitet über Klimawandel und Klima-Kleber. Wir fragen, was sich ändern muss. Heute: Kultursenator Lederer über störende Protestformen und Fleisch-Verzicht.

Kultursenator Klaus Lederer
Kultursenator Klaus LedererBerliner Zeitung/Uroš Pajović

Der Sommer war zu heiß, der Herbst zu warm, das Jahr 2022 wieder viel zu trocken. Nur noch vier von hundert Bäumen in Berlins Wäldern sind gesund. Jeder in Berlin spürt, dass sich das Klima verändert. Auch politisch bewegt das Thema die Stadt, 180.000 Menschen haben unterschrieben, dass Berlin schon 2030 klimaneutral werden soll, es wird einen Volksentscheid geben. Fast täglich blockiert die Protestgruppe Letzte Generation die Straßen, fordert schnellere Klimaschutzmaßnahmen.

Was sollen wir unternehmen, um dem Klimawandel zu begegnen, wie soll sich Berlin verändern? Was kann man selbst tun? Wir wollen in der Berliner Zeitung so viele Stimmen wie möglich zu Wort kommen lassen. In einem Fragebogen. Diesmal hat Kultursenator Klaus Lederer geantwortet.

Der Klimawandel wird unser aller Leben verändern. Wovor haben Sie am meisten Angst?

Wie sehr der Klimawandel langfristig unser Leben verändern wird – mit Extremwetter, Artensterben, Ernteausfällen, klimabedingter Migration –, liegt heute in unserer Hand. Vor all diesen möglichen Folgen habe ich, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger, auch Sorge. Als Gegengewicht zu dieser Angst ist vor allem Mut und Entschlossenheit zur Veränderung wichtig.

Was tun Sie persönlich, um Ihre CO-Bilanz zu senken?

Da gibt es eine Reihe von Beispielen, die ich nennen kann – angefangen vom privaten Bereich, bis zum beruflichen Umfeld. Bei meiner Ernährung, beispielsweise, achte ich auf regionale Produkte und verzichte weitgehend auf Fleisch. Ich habe kein Auto und nutze regelmäßig den ÖPNV, bei längeren dienstlichen Fahrten nutze ich einen E-Dienstwagen.

Worauf wollen Sie trotz Klimawandel nicht verzichten?

Ich glaube, wir alle sollten nicht auf Kunst und Kultur verzichten. Ich jedenfalls will es nicht – schon gar nicht hier in Berlin. Zumal Kunst und Kultur sich häufig auch kontrovers mit gesellschaftlichen Problemen beschäftigen – eben auch mit dem Klimawandel. Kunst gibt Anstoß zur Verständigung innerhalb der Gesellschaft und ohne diese Anstöße und Verständigungen wäre unsere Demokratie von innen hohl.

Was muss sich in Ihrer Branche am dringendsten ändern?

Als Politiker:innen muss uns klar sein, dass wir eine entscheidende Verantwortung in der Klimakrise tragen. Da ist es egal, ob auf EU-Ebene, im Bund, im Land oder in den Kommunen: Jede und jeder muss prüfen, was er oder sie beitragen kann. Es ist eine Krise, die nur mit globaler Anstrengung überwunden werden kann. Wir wissen alle, dass diese Anstrengung leider nicht überall mitgetragen wird. Auch hier gibt es Kräfte in den Parlamenten, die sich daran nicht beteiligen wollen. Das muss sich dringend ändern.

Klimaaktivisten blockieren regelmäßig Straßen in Berlin. Hilft das der Sache oder schadet es mehr?

Das Anliegen der Klimaaktivisten ist ja legitim und von entscheidender Wichtigkeit. Während Protest auch störende Formen annehmen kann und soll, glaube ich aber nicht, dass die gegenwärtig von der „Letzten Generation“ gewählten Formen gut geeignet sind. Denn was sie produzieren, sind vor allem Unverständnis und Ärger. Es bräuchte Verständnis und Zusammenarbeit, um Mehrheiten für das berechtigte Anliegen zu gewinnen.

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Benjamin Pritzkuleit
Zur Person
Klaus Lederer, 48, wuchs in Frankfurt (Oder) auf. Mit 14 Jahren zog er mit seiner Familie nach Berlin. Er studierte Jura an der Humboldt-Universität, wo er 2004 promoviert wurde. Zu diesem Zeitpunkt saß er bereits im Abgeordnetenhaus und war Vize-Chef der Berliner PDS, ein Jahr später übernahm er den Vorsitz der Partei.

2016 wurde er Bürgermeister von Berlin – als Stellvertreter von Michael Müller – sowie Kultursenator. Die beiden Ämter behielt er in der rot-grün-roten Landesregierung bei, die im Dezember 2021 ins Amt kam. Seit 2018 ist er mit seinem langjährigen Partner verheiratet.

Können Sie sich Berlin ganz ohne Autos vorstellen?

Eine völlig autolose Stadt von der Größe Berlins scheint mir erst mal eine entfernter in der Zukunft liegende Vision zu sein, für die ich eine gehörige Portion Fantasie brauche. Viel müsste sich ändern – vor allem müsste Mobilität ganz anders gedacht werden. Damit fangen wir ja gerade erst an. Auch etwa die Initiative „Berlin Autofrei“ fordert nur eine Einschränkung des Verkehrs mit verschiedenen Ausnahmen. Das heutige Berlin kann man jedenfalls super per ÖPNV, dem Rad oder zu Fuß genießen, so viel ist sicher.

Haben Sie vor, Ihr Auto abzuschaffen?

Privat habe ich kein Auto. Dienstlich und terminlich komme ich hin und wieder momentan aber nicht an der Nutzung eines Pkws vorbei. Dafür ist das aber ein E-Auto.

Was erwarten Sie von der Politik – was sollte sie als dringendste Klimaschutzmaßnahme durchsetzen?

Die großen Linien sind im Pariser Klimaabkommen festgehalten. Weil auch dessen Umsetzung an so mancher Stelle zu scheitern droht, wäre mein dringlichster Wunsch, die dort festgehaltenen Verpflichtungen zu halten. Das hängt maßgeblich von einem baldigen Kohleausstieg ab. Aber ich bin ja selbst Politiker – tue also auf meinem Feld, was ich kann, beispielsweise was Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb angeht: Nachnutzung statt immer neuer Kulissen oder energetische Gebäudesanierungen.

Klimaschutzminister Habeck duscht nur noch zwei Minuten. Wie lange stehen Sie noch unter der Dusche?

Ich habe noch keine Stoppuhr mitgenommen …

Was ist Ihr bester klimaschonender Alltagstipp?

Es gibt wirksamere Maßnahmen, als saisonale Lebensmittel und regionale Produkte einzukaufen – wer es aber ausprobiert, wird kulinarisch belohnt.

Berlin im Jahr 2030: Was muss geschehen, damit wir es in der Stadt auch dann noch aushalten?

Viele Pfade, die wir bis dahin beschreiten müssen, wurden in Berlin und im Bund bereits vorgezeichnet. Es gilt, diese konsequent umzusetzen. Das betrifft nicht nur originäre Umwelt- und Klimathemen mit weniger Autos und mehr Grünflächen in der Stadt und auf den Dächern, Frischluftschneisen etc. Es gilt, auch soziale Fragen von Miete, Gentrifizierung und Armut zu adressieren.