Die Ryanair-Maschine ist fast pünktlich gelandet: Touchdown in Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Ein Kurzurlaub an dem Ort, an dem ich studiert habe. Es ist schon nach Mitternacht, 0.45 Uhr; ein Nachtflugverbot wie am BER gibt es hier jedenfalls nicht. Zu der späten Stunde knurrt allerdings der Magen, da ich auf ein überteuertes Abendbrot am Flughafen in Berlin verzichtet hatte.
Doch ein großes Angebot an Dönern, Spätis oder 24/7-Supermärkten gibt es in der 550.000-Einwohner-Stadt nicht. Schon vor drei Jahren – während meines Studiums – überraschte mich das lahme Angebot an Essensmöglichkeiten mitten in der Nacht. Vilnius ist schließlich Hauptstadt eines EU- und Nato-Staates und verfügt wie alle EU-Staaten über dieselben Institutionen und Shopping-Angebote.
Um 1.20 Uhr in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag ist es in der Altstadt dann aber ausgesprochen leer. Zwei Fastfood-Filialen, ein Kebab-Imbiss und sechs bis sieben Kneipen haben noch geöffnet. Der Rest schläft.
Eingangsschranken und Kameras, aber keine Menschen
In der Piliesstraße, der schmuckvollsten Flaniermeile im Zentrum von Vilnius, leuchtet aber noch eine grelle, grün-gelbe Supermarktwerbung. Hurra! Ein Laden, der rund um die Uhr geöffnet hat. Doch als ich das Lebensmittelgeschäft betrete, überfordert mich alles: elektronische Eingangsschranken, mehrere Dutzend Kameras für einen kleinen, etwa 20 Quadratmeter großen Laden, unzählige Hinweistafeln in litauischer Sprache.

Übermüdete oder betrunkene Menschen würde das alles überfordern – auch ich drehe um und nehme mir vor, mir den Laden am nächsten Tag nochmal näher anzuschauen. Ein litauisches Apfelcidre aus der Bar nebenan unterdrückt den Hunger, danach gehe ich schlafen.
Nächster Tag, ein für Vilnius sonnenreicher Nachmittag: Ich stehe wieder vor dem grellen Eingangsschild und möchte bei den Heidelbeeren und den Kibinais – faustgroße litauische Backwaren – zugreifen. Ich lese auf einem TV-Bildschirm im Eingangsbereich, diesmal in englischer Sprache, dass es sich hier um einen KI-basierten Supermarkt handelt. Keine Kassierer, angeblich keine Warteschlangen, man soll einfach reinkommen, sich das nehmen, was man möchte und problemlos zahlen können. Solche Märkte habe ich auf Bildern von Food-Stores aus Tokio, Seoul oder Boston gesehen, aber in Vilnius?
Angeblich muss ich meine Beeren und Snacks nicht mal scannen, wie es in Berlin in einigen Discountern üblich ist. Auf den Plakaten im Eingangsbereich steht nämlich, dass die gefühlt 25 Kameras die entnommenen Artikel automatisch erkennen. Jeder Schritt, jede Körperbewegung wird von allen möglichen Ecken erkannt, einen für die Kameras toten Winkel gibt es nicht.
Bargeld? Das war einmal
„Welcome to the new world“, sagt mir ein vorbeigehender Passant, der sieht, wie verdutzt ich mir die ganzen Hinweis- und Erklärungsschilder anschaue und Fotos davon mache. Für die Bezahlung können die Kunden die Supermarkt-App oder die eigene Kreditkarte nutzen, die dann am Terminal am Ausgang rangehalten wird. Mit Münzen komme ich hier jedenfalls nicht weiter.
Soon a very first, fully automated convenience store will open the door for customers in the heart of the #Lithuania capital #Vilnius.
— MITA (@MITA_agency) July 10, 2019
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