Istanbul Calling

Entspannen wie der Sultan: Warum der Hamam die bessere Wohnzimmerkneipe ist

Ein Hamam ist viel mehr als Wellness. In der Türkei hat er einen hohen Stellenwert. Unser Autor war zum ersten Mal am Bosporus – und schwitzen wollte er auch.

Hamam, ein Schwitzraum im Türkischen Bad in Istanbul
Hamam, ein Schwitzraum im Türkischen Bad in Istanbulimago/Weißfuß

Freitagabend im Istanbuler Bezirk Sultanahmet auf der europäischen Seite des Bosporus, unweit der Hagia Sophia: Drei türkische Herren, alle Mitte 60, unterhalten sich lautstark über weltpolitische Themen. Es fallen die Worte „Ukraine“ und „Erdogan“, und irgendwann streiten die drei über das „Business“. Im Anschluss trinken sie im Ruhezimmer einen Cay, türkischen Schwarztee, aus kleinen Teegläsern. Dazu gibt es Lokum-Variationen mit Pistazien und Nüssen, eine klassische türkische Süßigkeit.

Die berühmten Badehäuser sind viel mehr als ein Wellnessbesuch, der mindestens einmal im Quartal stattfindet. Für viele Türken, aber auch für Iraner und Araber ist der Hamam gleichsam ein spiritueller und reinigender Ort, der aber auch Annehmlichkeiten der Wohnzimmerkneipe bietet. Doch ein paar Unterschiede zur Berliner Eckkneipe gibt es schon. Rund um die große Marmorplatte im Zentrum des türkischen Dampfbads herrscht ein reges Durcheinander: volle Wasserkübel, herumfliegende Seifenbläschen und Hamamtücher, mit denen professionell massiert wird. Über allem ist das leise, zufriedene Stöhnen zu hören, das nur massierte Menschen ausstoßen.

Im berühmten, mehr als 300 Jahre alten Cagaloglu-Hamam sind besonders Touristen aus Nordamerika, der arabischen Halbinsel und Europa anzutreffen. „Entspannen wie ein Sultan im Osmanischen Reich“, steht in den vielen Werbeprospekten der Badehäuser in Istanbuls Zentrum. Und tatsächlich hat es etwas fast Altmodisches, wie sehr der Hamam-Meister sich um einen kümmert: Von der Haarspitze bis zum Zeh berührt er jeden Besucher, seift ein und duscht ab. Mit einem rauen Waschhandschuh werden Hautunreinheiten entfernt. Man fühlt sich wie ein neugeborenes Kind nach der Prozedur.

Im Vergleich zu den touristisch geprägten Badehäusern haben Hamams in den Außenbezirken Istanbuls einen ganz anderen Charme. Allein sie zu finden ist weitaus schwieriger, da es keine Werbeplakate oder ähnliches gibt. Darüber hinaus sehen die traditionellen Badehäuser am Stadtrand nicht unbedingt wie Museen oder luxuriöse Wellnessoasen aus. Hier ist es weniger pompös, es herrscht kaum Tausend-und-eine-Nacht-Romantik. Kollegen, Freunde und Bekannte seifen sich hier gegenseitig ein, professionelle Masseure gibt es eher selten. Das lässt sich allerdings auch am Preis ablesen. Statt 100 Euro in einem touristischen Hamam kostet es in Randbezirken nur ein Viertel davon.

Orientalische Dampfbäder sind nach Geschlechtern getrennt. Männer und Frauen haben jeweils ihre eigenen Hamams. Bei kleineren Dampfbädern kann es zu unterschiedlichen Öffnungszeiten für das jeweilige Geschlecht kommen. Ausnahmen gelten für kleine Jungen bis zehn Jahre, die ihre Mütter begleiten dürfen. Später sind sie mit ihren Vätern und Großvätern unter sich.

Eine Besonderheit in der Hamam-Kultur ist der soziale Raum, der einerseits öffentlich und für jeden Menschen zugänglich ist, andererseits für eine vertrauliche Atmosphäre steht. So werden nicht selten während eines Hamam-Besuchs neue Freundschaften geschlossen oder Geschäftskontakte geknüpft. 

Schauen wir noch kurz auf Berlin. Hier herrscht beispielsweise im Sultan-Hamam in der Bülowstraße ein bisschen Istanbul-Feeling. In der Mariannenstraße in Kreuzberg gibt es sogar das erste türkische Bad, das nur für Frauen zugänglich ist. In diesem Sinne: „Tadını çıkar“ – genießen Sie es!