Der 18. Juni wird wohl als Zäsur in die Geschichte der kommerziellen Tiefseetauchfahrt eingehen: Im Nordatlantik implodierte das Tauchboot „Titan“, das auf dem Weg zum Wrack der „Titanic“ war – alle fünf Insassen starben binnen weniger Sekunden. Doch es wird weiter gerätselt, wie genau es zu dem Unglück kam. Neue Erkenntnisse rund um die Katastrophe sorgen nun für Fassungslosigkeit.
Bislang bekannt ist, dass die Betreiberfirma Ocean Gate Expeditions an allen Ecken und Enden sparte: Über einen Videospielkontroller wurde das Boot gesteuert, Metallrohre dienten als Ballast, eine Rettungskapsel war nicht vorhanden und statt des herkömmlichen Titans nutzten die Entwickler Kohlefasern für den Rumpf des Bootes. Neben den riskanten Konstruktionsentscheidungen fehlten auch jegliche Zertifizierungen für die Tauglichkeit des Gefährts. Nun kommen weitere Erkenntnisse ans Tageslicht.
Improvisierte Baukonstruktion
Demnach sei das Tauchboot vor dem Tiefseegang zum Wrack der „Titanic“ vom Mutterschiff, der „Polar Prince“, tagelang durch den Atlantik gezogen worden, da es nicht auf dem Deck transportiert werden konnte. Der Grund: Das Mutterschiff war schlichtweg zu klein. Das berichtete die New York Times, die mehrere Forensiker, Ingenieure und Tauchexperten interviewte.
Drei Tage lang war das U-Boot der rauen Witterung ausgesetzt – eine komplett improvisierte Aktion –, und das auf einer Strecke von der Küste Neufundlands bis zum Ort des Unglücks, bei Wassertemperaturen von knapp über 1 Grad. „Das U-Boot wurde ziemlich heftig herumgeschleudert“, erinnert sich Arnie Weissmann, Chefredakteur von Travel Weekly, an einen Trip mit demselben Boot.

Ocean Gate Expeditions hat sich laut New York Times bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert; nach dem tragischen Unfall stellte das Unternehmen all seine Erkundungstouren ein. Nicht nur die amerikanische Küstenwache, sondern auch die Betreiber untersuchen derzeit die genauen Vorgänge, die zum Unglück führten. Auf konkrete Ergebnisse wird man aber mindestens sechs Monate warten müssen, da sich die Beweissicherung am Meeresgrund als äußerst schwierig und gefährlich darstelle.
„Es gibt noch viel zu tun, um all die Faktoren zu ergründen, die zu dem katastrophalen Verlust der ‚Titan‘ geführt haben“, teilte Jason Neubauer von der amerikanischen Küstenwache mit. Neubauer leitet die Untersuchungen der Behörde. Die Ermittlungen seien notwendig, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederhole. In den USA wird auch ein Verbot von solch kommerziellen Tauchfahrten diskutiert.
Für die fünf Insassen an Bord – den Geschäftsführer von Ocean Gate Expeditions, Stockton Rush (61), den britischen Abenteurer Hamish Harding (58), den französischen „Titanic“-Experten Paul-Henri Nargeolet (77), den britisch-pakistanischen Geschäftsmann Shahzada Dawood (48) und dessen Sohn Suleman Dawood (19) – kommt jedoch jedwedes Verbot zu spät. Sie sind wie die mehr als 1500 „Titanic“-Passagiere in den Tiefen des Nordatlantiks gestorben.
Innerhalb von Sekunden gestorben
Das Tauchboot war Mitte Juni verschollen, nachdem es zu einer Erkundungstour des „Titanic“-Wracks aufgebrochen war. Internationale Hilfstrupps hatten fieberhaft versucht, die Passagiere des 6,50 Meter langen Mini-Boots in den Tiefen des Nordatlantiks zu finden. Weltweit verfolgten Menschen die spektakuläre Suchaktion. Gerade einmal 500 Meter vom Bug des „Titanic“-Wracks entfernt wurden Ende Juni dann Trümmer des Gefährts entdeckt.




