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Stilkritik: Adidas-Logo und Zahnarzt-Grün – was soll uns der neue Look der CDU sagen?

Neue Typografie, neue Farben, neue Kugelschreiber: Die CDU sei „eine Marke, die im Werden ist“, verkündet Carsten Linnemann knackige 78 Jahre nach Parteigründung.

Sieht vor lauter Folien den Wald nicht mehr: Generalsekretär Linnemann bei der Pressekonferenz.
Sieht vor lauter Folien den Wald nicht mehr: Generalsekretär Linnemann bei der Pressekonferenz.imago

Es sind Szenen, die Loriot nicht schöner hätte schreiben können. „Vielleicht können wir noch mal, ähm, haben wir das noch hier?“, stammelt der fahrige Mann auf dem Podium. „Vielleicht können wir die Folie noch mal zeigen mit den ganzen Plakaten beziehungsweise mit den, ähm … Wer kann die Folie noch mal eben … Herr Wohlrabe? Die Folie eben noch mal kurz …“

Bei Herrn Wohlrabe handelt es sich allerdings nicht um eine Loriot-Figur. Sondern um Christian Wohlrabe, den Hauptabteilungsleiter Kampagnen und Mobilisierung der CDU, der sich auf seinem LinkedIn-Profil als „digitaler Zukunftsoptimist mit Vorlieben für Politik und guten Kaffee“ vorstellt und Carsten Linnemann bei seiner putzigen Power-Point-Präsentation unterstützt.

Durchgeklickt und endlich angekommen bei der richtigen Folie – der „mit den Plakaten“ –, eröffnet sich ein christdemokratisches Wimmelbild: Logos in beinahe allen erdenklichen Farben und Formen, alte Wahlplakate, CDU-Schriftzüge in Rot, in Gelb, in Blau. So, verkündet Generalsekretär Linnemann, habe sich seine Partei in den vergangenen Jahren präsentiert. Ein typografischer Flickenteppich, der nun gründlichst gereinigt werden soll.

Eine neue Corporate Identity, entwickelt durch die Hamburger Agentur Guru, soll die CDU von der kommunalen über die Landesebene bis zur Berliner Zentrale vereinheitlichen – soll einsinken bis in die letzte Sofaritze der Parteibüros in Bitterfeld und Wanne-Eickel. Das haben Carsten Linnemann und seine Stellvertreterin Christina Stumpp am Dienstag (19. September) auf einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus bekannt gegeben – die CDU sei „eine Marke, die im Werden ist“, verkündet Linnemann knackige 78 Jahre nach Parteigründung.

Zuerst wären da mal zwei neue und eine alte Farbe: Der serifenlose CDU-Schriftzug selbst (gut geformt mit leichter Varianz in der Fettung, klar und modern, an sich gar nicht schlecht) wird nach Jahren der roten Färbung wieder schwarz. Das passt freilich zur Symbolfarbe der Partei, wenngleich die Rückkehr zum alten Ton auf einer Power-Point-Folie zur Verwirrung führt: „Grünes Wachstum können Schwarze besser“, steht auf einem Werbeplakat-Modell im neuen Corporate Design, und fast glauben die Zusehenden, die CDU wolle Nachhaltigkeitsthemen künftig ausschließlich Parteimitgliedern dunkler Hautfarbe überlassen.

Berlin oder Tiflis? Egal – Hauptsache Volkspartei!

Die beiden anderen Farben sind indes neu hinzugekommen und wurden eigens für die Partei angemischt: Sie heißen „Rhöndorf“ und „Cadenabbia“, schönmalerisch benannt nach Adenauers Geburts- und seinem liebsten Urlaubsort, wenngleich sie sich eher als ein unentschiedenes Schlamm-Blau und ein steriles Zahnarztpraxis-Grün zeigen.

Sie symbolisierten, erklärt Linnemann, die Geschichte der CDU und zugleich ihre Zukunft; seine Partei wolle für „Substanz, Kompetenz, Sicherheit“ (Rhöndorf) und für „Vitalität, Zuversicht, Freiheit“ (Cadenabbia) gleichermaßen stehen. Und außerdem für alles Mögliche andere, wie ein vorgeführtes Imagevideo zeigt.

Super-duper-nachhaltig: Nicht nur die neuen, auch die alten Kugelschreiber dürfen weiter verteilt werden.
Super-duper-nachhaltig: Nicht nur die neuen, auch die alten Kugelschreiber dürfen weiter verteilt werden.dpa

Untermalt von treibenden Elektrosounds, wie sie sonst nur in Werbefilmen von Mobilfunkanbietern zu hören sind, wurden hierfür allerlei Stock-Fotos und -Videos aneinandergeschnitten, die deutlich machen sollen, wo die Kompetenzen der CDU liegen: Bildschnipsel von grünen Pflänzchen, die sich im Zeitraffer gen Himmel recken; von Roboterfingern, die in Da-Vinci-Manier eine menschliche Hand berühren; von lachenden Kindern und sich herzenden Alten, von Windrädern, Schiffscontainern, Fingerfarbenregenbögen. Und von der Kuppel des Präsidentenpalasts in Tiflis, der offenbar mit dem Reichstag verwechselt wurde – unser Mitgefühl gilt dem Praktikanten, der die Bildrecherche ordentlich vermasselt hat.

Rechtsstreit mit Adidas? Egal – man hätte da auch noch einen Jingle!

Die CDU, so soll der Bilderreigen wohl verdeutlichen, will die Partei des Fortschritts sein; die Partei der Energiewende, der Digitalisierung, der Wissenschaft, des Wachstums; der Jugend, der Senioren, der LGBTQ-Community, der Inklusion, der Multikulturalität, der Toleranz und Menschlichkeit; die Partei der basketballspielenden Jugendlichen und Fußballfans in Deutschland-Schals, der jungen Mütter und alten Pensionäre, kurzum: die Partei für alles – und dadurch irgendwie doch für gar nichts mehr.

Es ist aber nicht nur der thematische Kessel Buntes, der Fragen aufwirft. Auch das neue CDU-Logo lässt die Betrachter ratlos zurück. Neben besagtem Schriftzug enthält es eine diagrammartige Grafik: drei aufsteigende Balken in Schwarz, Rot und Gold. Die Integration der Deutschlandfarben ins eigene Logo solle den Status der CDU als „Volkspartei“ (hört, hört!) symbolisieren, erklärt Linnemann – das dreieckig geformte Diagramm erinnere eher an Netzempfangsbalken, an das Deka-Bank- oder das Adidas-Logo, spotten Kommentatoren.

Die optische Nähe zur Sportmarke könnte der CDU zum Verhängnis werden, hatte Adidas zuletzt doch alles und jeden verklagt – vom Modedesigner Thom Browne bis zur Black-Lives-Matter-Bewegung –, der sich eines ähnlichen Streifenlogos bediente. Ob sich die Christdemokraten ein markenrechtliches Verfahren nach dem vermutlich kostspieligen Redesign noch leisten können? Unklar.

Wie viel der ganze Zinnober gekostet hat, könne er überhaupt nicht sagen, beantwortet Linnemann auf der Pressekonferenz eine Journalistenfrage. Jedenfalls war noch die Erstellung eines neuen Jingles drin: „Wir arbeiten gerade auch noch an einer neuen Erkennungsmelodie“, sagt Linnemann – und fast hört es sich nach einer Drohung an.

Sukzessive jedenfalls sollen das neue Logo und die neuen Farben nun von sämtlichen Parteibüros übernommen werden – auf Wahlkampfplakaten, Websites und Merchandise-Artikeln. Alte Kugelschreiber und Luftballons müssten aber gar nicht weggeschmissen werden, sondern dürften, ganz nachhaltig, auch weiterhin genutzt und verteilt werden, sagt Linnemann. Als Klimapartei ist das natürlich Ehrensache.