Wir sind Park – und zwar jedes Frühjahr von Neuem. Sobald sich die Sonne über Berlin blicken lässt, zieht es seine Bewohnerinnen und Bewohner ins Grüne. Und wer nicht gerade einen Garten oder eine Datsche hat, der landet unweigerlich in den Grünanlagen der Stadt – viel zu oft allerdings in den immer gleichen.
Berlin hat offiziellen Zahlen zufolge mehr als 2500 Parks und Gärten – es gibt also überhaupt keinen Grund, immer wieder im Mauerpark oder in der Hasenheide, im Tiergarten oder im Volkspark Friedrichshain zu landen. Gerade kleine, unbekannte Parks versprechen doch Erholung und Einsamkeit. Wir zeigen Ihnen, wo wir es uns im Frühling und Sommer besonders gern gemütlich machen.
1. Grillfreie Zone: Der Anton-Saefkow-Park in Prenzlauer Berg
Der Volkspark Friedrichshain ist ein herrlicher, großer Park, den man ab Mai allerdings nur noch am frühen Morgen oder an verregneten Tagen betreten kann. Sobald die Sonne scheint und Berlin wach ist, ist er heillos überlaufen. Von den Beach-Volleyball-Feldern bis zum Trümmerberg. Auf den Wegen steht man im Spaziergängerstau; mit tränenden Augen von den Rauchschwaden der Grillwiese.

Zum Glück gibt es gleich um die Ecke einen kleinen, fast unbekannten Park. Er ist nach Anton Saefkow benannt, einem kommunistischen Widerstandskämpfer, dessen Büste man im Park finden kann. Es gibt den Park schon seit Ende der 50er-Jahre, aber lange war es eher eine zugewachsene Grünanlage, von der man auf die S-Bahn-Gleise zwischen Greifswalder und Storkower Straße schauen konnte. Kurz vor der Pandemie wurde der Park komplett neu gestaltet. Es gibt jetzt eine Parcours-Anlage auf dem Spielplatz, um die große Liegewiese stehen Fitnessgeräte, die man in seine Laufrunden einbauen kann, neue Bäume, Rosenbüsche, Wildblumenwiesen.
Leider müssen derzeit hundert Ahornbäume in der Anlage gefällt werden, sie haben die Rußrindenkrankheit. Ein kleiner Rückschlag für den Park, der aber nichts an dem ändert, was ihn besonders macht. Seine Ruhe. Hunde rennen nur in einem Hundeauslauf herum, der eingezäunt ist, das Grillen ist verboten, der Eingang liegt versteckt. Selbst an sonnigen Wochenenden kann man sich hierherwagen. Wiebke Hollersen
Anton-Saefkow-Park zwischen Greifswalder Straße, Kniprodestraße und Anton-Saefkow-Straße in Prenzlauer Berg; Eingang zum Beispiel an der Bötzowstraße, Ecke Anton-Saefkow-Straße; Anreise über den S-Bahnhof Greifswalder Straße oder mit der Straßenbahn M10 bis Arnswalder Platz.
2. Weisheit auf der Weide: Landschaftspark Herzberge in Lichtenberg
Es gibt einen Ort in Berlin, der „ewige Weisheit“ verspricht. Und erst mal das hier vorschlägt: „Machen Sie Fäuste, winkeln Sie die Unterarme mit Kraft an und legen Sie die Fäuste vorn an die Schultern. Atmen Sie gleichzeitig tief durch die Nase ein.“ Und, spüren Sie es schon? Nein? Dann gehen wir gleich zu Phase zwei über: „Mit Spannung und Kraft strecken Sie die Arme nach vorn und atmen mit einem lauten Pppphhhh durch den Mund aus.“ Und jetzt? Komisch.

Der Landschaftspark Herzberge in Lichtenberg ist geheimer als ein Geheimtipp. Was sich aber schnell ändern wird, wenn mehr Berliner erfahren, was es hier noch so alles gibt auf knapp einhundert Hektar: Rauhwollige Pommersche Landschafe (angucken, streicheln), African Catfish (kaufen, essen) und eben den parkeigenen Natur- und Gesundheitspfad (pppphhhh, pfffft) mit seinen fünfzehn „Kraftorten“, an denen man neben ewiger Weisheit auch „Entspannung“, „Leichtigkeit“ und „innere Ausrichtung“ findet. Voraussetzung: Man muss an die heilsame Wirkung der Geomantie glauben. Man kann sich aber auch einfach auf die Wiese legen. Paul Linke
Landschaftspark Herzberge zwischen Rhinstraße und Landsberger Allee in Lichtenberg; Eingang zum Beispiel von der Allee der Kosmonauten, Ecke Rhinstraße; Anreise mit den Trams M8, 18 und 37 bis Ev. Krankenhaus KEH.
3. Kleinod ums Eck: Der Werner-Klemke-Park in Weißensee
An warmen Sommertagen kommt gefühlt der gesamte Nordosten der Stadt auf die gleiche Idee und pilgert mit Mann, Maus und Picknickdecke zum Park am Weißen See. Das ist verständlich, denn hier gibt es Wasser, alten Baumbestand, Spielplätze, Gastronomie, das volle Programm. Allerdings tragen die Menschenmassen auch zur Kehrseite des Parks bei: Müll, zertrampelte Wiesen, Kifferdunst und Lärm. Da ergreift man, wenn es nicht gerade die frühen Morgenstunden sind, lieber die Flucht.
Und die könnte in eine deutlich weniger bekannte, versteckte kleine Grünanlage führen, die nur wenige Fußminuten entfernt liegt. In den Werner-Klemke-Park, der auch Wasser hat, einen Spielplatz und Gastronomie. Und in dem sich nur ein Bruchteil an Leuten aufhält. Rund um den naturbelassenen Goldfischteich im Zentrum laden Bänke zum Verweilen und Froschkonzertlauschen ein, der Blick fällt auf riesige Kastanien und rote Backsteinhäuser, die den Park umstehen.

Der dazugehörige Spielplatz ist vor ein paar Jahren erneuert worden und kann sich nun wirklich sehen lassen. Genauso wie Luises Biergarten, der zu einem Hotel gehört und im Park für erfrischende Getränke und pommesselige Kinder sorgt.
Seit 2017 heißt das grüne Kleinod am Goldfischteich nach dem Berliner Grafiker, Buchkünstler und Hochschullehrer Werner Klemke (1917–1994), der nicht nur Klassiker der Weltliteratur gestaltete, sondern auch viele DDR-Kinderbücher liebevoll illustrierte. Ein berühmter Weißenseer, an dessen Wirken im Park eine Stele erinnert. Anne Vorbringer
Werner-Klemke-Park: Woelckpromenade, Ecke Amalienstraße; zu erreichen mit dem Bus 158 bis Parkstr./Amalienstr. oder mit den Tramlinien 12, M4 und M13 bis Weißer See.

4. Der Schillerpark in Wedding: Ideal zum Sportmachen
Sport machen im Park kann durchaus eine Herausforderung sein. Jogger müssen gleichzeitig um schleichende Spaziergänger herumnavigieren und aufpassen, dass sie nicht in die Schlusslinie von Inlineskatern und Co gelangen. Beim Yoga im Park seine innere Mitte zu finden, wird durch grillende Großfamilien oder laute, rauchende Studentengrüppchen auch schnell zu einer eher schwierigen Angelegenheit.
Der Schillerpark ist mit seinen 29 Hektar glücklicherweise groß genug für alle, und im Vergleich zu anderen Parks längst nicht so überlaufen. Breite Pfade und eine riesige Wiesenfläche sorgen dafür, dass Besucher sich gut aus dem Weg gehen können.

Benannt ist der Park – Überraschung – nach Friedrich Schiller, dessen Denkmalstatue auf der Bastion genannten Terrassenanlage oberhalb der größten Wiesenfläche des Parks thront. Seit 1913 ist die Grünanlage für Berlinerinnen und Berliner nutzbar und größtenteils bis heute noch in ihrem Originalzustand erhalten, weswegen der Schillerpark in die Liste der ausgewiesenen Gartendenkmale aufgenommen wurde.
Die nebenliegende Schillerpark-Siedlung im Architekturstil der Amsterdamer Schule ist übrigens Unesco-Weltkulturerbe: Die Häuser mit den roten Backsteinfassaden waren das erste großstädtische Wohnprojekt außerhalb des Bereichs privater Unternehmer im Berlin der Weimarer Republik.
Schillerpark zwischen Dubliner Straße und Ungarnstraße in 13349 Berlin-Wedding; Eingang beispielsweise über die Barfusstraße, Anfahrt mit U6, Bus 50 oder M13.
5. Überraschend idyllisch: Alter Park in Tempelhof
Besonders malerisch kommt der Stadtteil Tempelhof im Großen und Ganzen nicht daher, sieht man einmal vom Tempelhofer Hafen und dem Flugfeld ab. Eine echte Überraschung ist da der Alte Park direkt am Tempelhofer Damm und gegenüber dem Rathaus. Die weit verzweigte Parkanlage besteht eigentlich aus mehreren Parkanlagen: dem Bosepark, dem Franckepark, dem Lehne- und dem Drehstuhlpark, die gemeinsam ein Naherholungsgebiet bilden, das mit seiner malerischen Perspektive auf die Dorfkirche Tempelhof besticht, der ältesten von drei Kirchen der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Tempelhof und Michael.

Die weitläufige Anlage lässt einen schon nach wenigen Metern, die man Abstand von der Hauptverkehrsader Tempelhofer Damm genommen hat, vergessen, dass man sich mitten in Berlin befindet. Der Alte Park ist die perfekte Alternative zu anderen Grünanlagen und wirklich eine Überraschung in einem Viertel, in dem man so viel Naturidylle eigentlich nicht vermutet.
Alter Park zwischen Parkstraße im Norden und dem Tempelhofer Damm im Osten, erreichbar zum Beispiel mit der U6 bis Kaiserin-Augusta-Straße.
6. Miniatur-Stadtwald: Der Fritz-Schloß-Park in Moabit
Sooo unbekannt ist der Fritz-Schloß-Park natürlich nicht. Schließlich handelt es sich bei der rund zwölf Hektar großen Anlage um den größten Park Moabits. Wahnsinnig frequentiert ist das grüne Kleinod trotzdem nicht: Während sich am Rande noch einige Besucherinnen und Besucher tummeln – in der Minigolf-Anlage zur Rathenower Straße hin zum Beispiel oder im Moabiter Kinder-Hof, der Berliner Stadt-Gören das Landleben näherbringen soll –, bleibt es im eigentlichen Park selbst bei bestem Wetter verhältnismäßig leer.

Das ist besonders schön, weil der Fritz-Schloß-Park in seinem Innersten etwas unübersichtlich Uriges hat: Die verworrene Wegeführung, Trümmerberg rauf und Trümmerberg runter; die dichten, dicken Büsche und alten, hohen Bäume; die hügeligen, verwachsenen Wiesen – beinahe wähnt man sich im kleinen Fritz-Schloß-Park in einem weitläufigen Stadtwald. Schön also, dass sich hier einsam und unbehelligt spazieren lässt.
Namensgeber des Mitte der 1950er-Jahre angelegten Parks ist Fritz Schloß, von 1946 bis 1952 der erste Bezirksbürgermeister Tiergartens nach Kriegsende. An der Stelle des heutigen Parks war zuvor ein Exerzierplatz der Preußischen Armee, bis zum Zweiten Weltkrieg waren davon nur noch die Kasernen an der Rathenower Straße übrig geblieben. Schließlich zerbombt, wurden ihre Trümmer auf dem ehemaligen Exerzierplatz aufgeschüttet – die Basis für den heute herrlich hügeligen Park.
Wem der Marsch über die begrünten Trümmer dann doch zu einsam ist, der wird rund um den Fritz-Schloß-Park genügend Angebote finden: Neben Minigolfplatz und Kinder-Hof gibt es noch den Skatepark und die großen Sportanlagen Richtung Lehrter Straße, zwei Spielplätze, einen für Hunde und einen für Kinder, Trimm-dich-Pfad, Tennisklub, Poststadion, Kulturfabrik – und natürlich der Berliner liebstes Spa, das Vabali. Spätestens da ist es mit dem Alleinsein dann wirklich vorbei. Manuel Almeida Vergara






