Die Herbstferien stehen vor der Tür, aber längst nicht jedem von uns ist ein Kanarenurlaub oder ein Spa-Aufenthalt im Spreewälder Nobelresort vergönnt. Dabei ist Berlin eine derart fordernde Stadt, dass man ohne Auszeiten kaum übers Jahr kommt.
Bei aller Liebe zu Berlin – ab und an muss man mal raus.
Es ist wie in einer langjährigen Beziehung – kleine Pausen halten die Liebe frisch. Und das Beste ist: Für unsere Ausflugstipps muss man die Stadt nicht mal verlassen, ja, noch nicht mal Urlaub haben. Es reicht ein Wochenende, manchmal schon ein Nachmittag, denn diese Orte liegen quasi vor der Haustür, sind mit Bus und Bahn erreichbar. Trotzdem fühlt sich Berlin dort überhaupt nicht mehr wie Berlin an – und nach ein paar Stunden ist man dann auch wieder bereit für Kotti, Hermannplatz und Co.
Gut bemehlt ist halb gewonnen: Ein Abstecher nach Alt-Marzahn
Berlin ist ein Dorf, an manchen Orten trifft dieser Spruch ins Schwarze. Sogar dort, wo man es am wenigsten erwartet, herrschen ländliche Vibes. Zum Beispiel zwischen den Plattenbauten am östlichen Stadtrand – Stichwort Alt-Marzahn. Der historisch erhaltene Dorfanger des bereits im Mittelalter entstandenen Dorfes Marzahn liegt westlich der Allee der Kosmonauten und hat so gar nichts von Großstadt-Gefühl.
Hier kräht noch der Hahn, man kann über Kopfsteinpflaster laufen, Schafe und Ziegen streicheln. Über allem thront die große Bockwindmühle, die vor der Kulisse der Hochhäuser ihre Flügel dreht. Sie ist noch voll funktionsfähig und kann bei ausreichend Wind bis zu 1000 Kilogramm Mehl am Tag mahlen. Wer donnerstags zwischen 16 und 18 Uhr kommt, kann in der Mühlenhütte Mehl und Grieß aus Bio-Dinkel, Bio-Roggen und Bio-Weizen erstehen.

Vorher bietet sich vor allem mit kleinen Kindern ein Abstecher zum Tierhof Alt-Marzahn an, einem 300 Jahre alten Dreiseithof, auf dem Schafe, Ziegen, Hühner, Pferde, Esel und Alpakas zu Hause sind. Kaffee und Kuchen aus der Ausbildungskonditorei Grips sorgen für Stärkung beim Rundgang durch das Dorf. Das denkmalgeschützte Ensemble mit seinen niedrigen Häusern, der Dorfkirche und den alten Bauernhäusern liefert dem gestressten Städter ein Stück heile Welt – bis man wieder in die Tram nach Hause muss.
Fernöstliches Flair in Lichtenberg: Dong-Xuan-Center
Über die Schönheit der riesigen Hallen lässt sich vortrefflich streiten – nicht aber darüber, dass es sich beim Dong-Xuan-Center um einen sehr besonderen Berliner Ort handelt. Seit 2005 kann man auf dem früheren Areal des VEB Elektrokohle Lichtenberg an der Herzbergstraße shoppen, schlemmen, stöbern und schlendern wie auf einem asiatischen Großmarkt. Die Hallen sind nicht nur ein Zentrum der vietnamesischen Gemeinde in Berlin, sondern auch für abwechslungssuchende Auszeitler von Interesse. Das bunte Publikum ist hier jedenfalls nicht nur eine Phrase, sondern gelebte Realität.

Die Gastronomie beschränkt sich längst nicht nur auf Pho-Suppen, auch gegrillte Schweinebällchen, Shrimpsküchlein, geschmorten Fisch in Soja-Klebreis-Sauce oder gedämpften Bienenwabenkuchen kann man hier probieren. Gerüche und Geräusche, die wuselige Geschäftigkeit der Händler, all das macht einen Bummel durch die Hallen zu einem Erlebnis, das es längst auch in jeden Berlin-Reiseführer geschafft haben.
Auch wer in Erinnerungen an seinen letzten Asien-Urlaub schwelgen oder fürs chinesische Abendessen spezielle Gewürze oder Zutaten einkaufen will, der ist im Dong-Xuan-Center richtig. Die Angebote der Lebensmittelläden sind nicht nur exotisch, sondern auch üppig. Von Reisschalen über Woks bis zum Teeservice gibt’s das passende Equipment noch dazu, und wen das Fernweh gar nicht loslässt, der kann im Reisebüro auch gleich den nächsten Urlaub buchen.
Stil und Stille: Entspannen im Vabali Spa
Man muss es leider so sagen: Den Stil und die Stille haben die Berliner nicht gerade erfunden. Man kann das auch an den Wellness-Einrichtungen der Stadt ablesen, wo gern inmitten von Siebzigerjahre-Kacheloptik in abgenutztem Bademantel und Adiletten die anderen Saunagäste bespaßt werden, ob diese das nun wollen oder nicht, und wo selbst im Ruheraum noch getratscht und auf dem Handy gedaddelt wird.

Eine rühmliche Ausnahme bildet das Vabali Spa in Moabit, in dem man tatsächlich so etwas wie ein stimmiges Gesamtkonzept erkennen kann, das auch auf die Besucher abzustrahlen scheint. Warme Töne, Holz, Bambus und Buddhafiguren schaffen eine fernöstliche Wohlfühlatmosphäre, auf zwei Etagen gibt es genug Saunen, Pools und Ruhebereiche, um auch wirklich abschalten zu können. Gastronomisch passen Bowls mit viel frischem Gemüse, Fisch und Reis zum Wellnesstag.
Im Garten schweift der Blick auf die alten Bäume des Fritz-Schloß-Parks. Dass der Hauptbahnhof nur einen Steinwurf entfernt ist, scheint bei der Stille rundum schwer vorstellbar. Ganz billig ist das Vergnügen zwar nicht, aber wer sich den ganzen Tag Zeit nimmt, kann den Eintritt voll auskosten. Immerhin hat das Vabali von 9 bis 24 Uhr geöffnet.
Ein bisschen Kleinstadtflair: Rund um den Mexikoplatz
Man vergisst es gern, wenn man sich nur in den Innenstadtbezirken aufhält und seinen Radius zwischen Kottbusser Tor, Hermannplatz, Alex und Warschauer Brücke zieht und dann den Kollwitzplatz schon für eine Oase der Ruhe hält. So übersieht man, dass Berlin an seinen Rändern einen anderen Pulsschlag hat und dass etwa im Südwesten der Stadt das Leben deutlich beschaulicher, geordneter, gepflegter und weniger robust zugeht als im Herzen der Metropole.

Zum Beispiel am Mexikoplatz in Zehlendorf, der nicht umsonst als Schmuckplatz bezeichnet wird. Hier plätschert der Springbrunnen, Blumen blühen, die Augen erfreuen sich an Symmetrie und Gründerzeitschick, an Häusern mit schmucken Türmchen und Erkern. Am besten macht man es wie die Anwohner, sucht sich ein Plätzchen auf der Bank und lässt die Seele baumeln. Später geht es in eins der vielen kleinen, inhabergeführten Geschäfte rund um den Platz, zum Beispiel in die tolle Buchhandlung von Annelie Tietz und Julia Stolte, die ihr sorgfältig ausgewähltes Sortiment mit Literarischem für Feingeister, Inspirierendem für junge Leser, Unterhaltendem und Spannendem spicken und dabei so einnehmend sind, dass manch Besucher am liebsten gleich einziehen würde.
Bevor man nach diesem Abstecher wieder in die S-Bahn steigt, schweift der Blick noch einmal auf den im Jugendstil erbauten, denkmalgeschützten Bahnhof mit der markanten Kuppel. Und auf das Drumherum, das noch immer ein wenig so aussieht wie auf alten Postkarten von 1912.
Nordisch by Nature: Kaffee, Kunst und Smørrebrød im Felleshus
Die Nordischen Botschaften in der Rauchstraße 1 am Rande des Tiergartens sind immer einen Besuch wert. Und das hat mehrere Gründe. Punkt eins: die Architektur. Jeder, der schon mal im 100er-Bus vorbeigerauscht ist, kennt sie, die patinierte Kupferfassade, die die einzelnen Gebäude wie ein türkisfarbenes Band umschließt und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermitteln soll. Diese Zusammengehörigkeit, gepaart mit einer längst nicht für alle Botschaften typischen Offenheit, schließt auch die Besucher des Hauses mit ein.
Und damit wären wir bei Punkt zwei, dem Felleshus. In dem mit Ahornholz, Glas und schwedischem Marmor ausgestatteten, öffentlich zugänglichen Gemeinschaftshaus der Botschaften Dänemarks, Finnlands, Islands, Norwegens und Schwedens sind immer wieder wechselnde Ausstellungen zu sehen, derzeit gibt es eine Schau über die Beziehung zwischen Mensch und Natur, die zum Nachdenken anregt (Eintritt frei!). Die samische Künstlerin Outi Pieski etwa integriert Rentierknochen und traditionelle Textilien in ihre Gemälde und erzählt so eine persönliche Geschichte mit magisch-mythischen Untertönen.





