Die Woche auf dem Boulevard

Anja Rützels Kolumne: Belanglos-Stopper im Weltenwahnsinn

Für Prinz Harry bleibt es schwierig, Shawn Mendes vergreift sich in der Schwummerästhetik, und Taylor Swift hat einen Käfer verschluckt.

Sollte beim Singen öfter mal den Mund zulassen: Taylor Swift.
Sollte beim Singen öfter mal den Mund zulassen: Taylor Swift.imago images

Frau Rützel, wer hat Sie diese Woche wütend gemacht?

Prinz Harry. Allerdings kann er nur bedingt etwas dafür, denn ich war vor allen Dingen sauer darüber, dass ich seine Kreuzverhör-Performance im Prozess gegen den Mirror-Verlag nicht so lückenlos verfolgen konnte, wie ich mit das gewünscht hätte. Aber gerechterweise muss ich sagen, dass Harry nichts dafürkann, dass ich vergangene Woche so beschäftigt damit war, sämtliche aktuelle Entwicklungen im Fall eines gewissen Schockrock-Sängers und seiner Aftershowparty-Gepflogenheiten zu verfolgen, dass ich schlicht keine Zeit für Harrys Kapriolen hatte. Inzwischen habe ich den Prozessverlauf aber nachgearbeitet.

Harry will vor Gericht beweisen, dass er von britischen Boulevardmedien bespitzelt wurde. Unter anderem beschuldigt er die Presse, die Mailbox seines Handys abgehört zu haben. Denken Sie, er wird damit Erfolg haben?

Schwer zu sagen. Harry bezieht sich bei seiner Klage auf 33 Presseartikel aus Daily Mirror, Sunday Mirror und People aus den Jahren 1996 bis 2009. Für eine Verurteilung würde es reichen, wenn Harry in einem Fall beweisen könnte, dass der Artikel mittels illegaler Methoden zustande kam. Allerdings hat ihm der Anwalt der Gegenseite schon einige Vorwürfe mit Krawumms zerlegt. So hatte Harry behauptet, die Presse konnte nur wissen, dass seine Mutter Diana ihn an seinem zwölften Geburtstag in seiner damaligen Schule besuchte, weil sein Telefon abgehört wurde – allerdings besaß er damals noch gar kein Mobiltelefon. Andere Informationen mussten sich die Zeitungen gar nicht kriminell erschleichen, weil sie zuvor schon anderswo standen; manche Details wurden vom Palast selbst in Pressemitteilungen verbreitet. Einmal konnte der Jurist dem Herzog von Sussex sogar nachweisen, dass er gerade vor Gericht etwas behauptete, das er in seiner Autobiografie „Spare“ ganz anders dargestellt hatte. Es gilt also weiterhin: Es bleibt schwierig für Harry, auch insgesamt.

Der Sänger Shawn Mendes kassierte ordentlich Gegenwind von seinen Fans, weil er auf Twitter und Instagram ein Foto der trübe gelb verrauchten New Yorker Skyline postete – nämlich nicht, um auf die verheerenden Waldbrände in Kanada hinzuweisen, sondern um seine neue Single zu promoten.

Passenderweise heißt der Song auch noch „What The Hell Are We Dying For?“, das passt thematisch eigentlich ja ganz gut. Nicht mal seine Fans kauften ihm aber ab, dass er darin die zerstörerischen Folgen des Klimawandels besingt – es gehe stattdessen einfach nur ziemlich metaphernlastig um die Trennung von der Sängerin Camila Cabello, und darum sei es durchaus schäbig, die Brandkatastrophe als farblich passende Schwummerästhetik zu verwursten.

Anja Rützel und Hund Juri
Anja Rützel und Hund JuriPrivat

Taylor Swift hat bei ihrem Tourstopp in Chicago während des Singens einen Käfer verschluckt.

Und damit wieder einmal einen dieser sehr wohltuenden Lockerungsmomente abgeliefert, die sie uns mit ihrer Kunst und ihrem Wesen schenkt. Schlecht fürs Insekt, schlecht für Swift, die wohl ausgiebig würgen und husten musste, aber gut für uns, als kleiner Belanglos-Stopper im Weltenwahnsinn – wie erholsam wäre es, wenn die Promi-Nachrichtenlage wenigstens für eine Woche mal nur aus solchen vernachlässigungswerten Nichtnachrichten bestünde? Vielleicht könnten die beteiligten Promis statt unschuldiger Tiere dann unbeabsichtigt Pusteblumenschirmchen oder Bauchnabelflusen einatmen, danke sehr.

Was macht eigentlich Helene Fischer?

Sie sieht nicht mehr so gut. Das erzählte sie jedenfalls bei ihrem Auftritt in Berlin, als sie die hochgereckten Schilder ihrer Fans begutachtete – womöglich hätten die grellen Scheinwerfer auf Dauer ihre Sehkraft beeinträchtigt, mutmaßte sie. Ich bin einfach nur schnöde kurzsichtig und trage ein Opernglas in der Handtasche, wenn ich daran denke. Falls Sie mir also im Stadtbild gelegentlich auch mal ein Plakat („Rützel raus“ oder Ähnliches) entgegenrecken wollen: Benutzen Sie bitte dicke Blockschrift.

Die Fragen stellte Christian Seidl.


Anja Rützel ist freie Autorin und schreibt vor allem über Fernsehen und Tiere. Für die Berliner Zeitung am Wochenende beobachtet sie die wunderliche Welt der Promis.