Schweiz

Nach Gletscherabbruch in Schweizer Blatten: Stausee soll in Kürze überlaufen

Ein Dorf in der Schweiz ist durch eine Geröll-Lawine fast vollständig zerstört worden. Nun erwarten die Einsatzkräfte mit großer Sorge eine Überschwemmung im Tal.

Eine Luftaufnahme zeigt die Zerstörung, nachdem die Lawine auf den Talboden niederging und das Dorf Blatten zerstörte.
Eine Luftaufnahme zeigt die Zerstörung, nachdem die Lawine auf den Talboden niederging und das Dorf Blatten zerstörte.dpa

Nach einer nervenaufreibenden Nacht richten sich im Katastrophengebiet des Gletscherabbruchs in der Schweiz alle Augen auf den entstandenen Stausee hinter dem Schuttkegel. Dass sich die Wassermassen einen Weg ins Tal bahnen müssen, steht fest – aber ob das geordnet oder chaotisch abläuft, ist ungewiss.

Gigantische Fels-, Eis- und Geröllmengen haben seit dem Jahrhundert-Ereignis am Mittwoch das Bett des Flüsschens Lonza blockiert. Das Wasser hat sich zu einem See gestaut. Der Wasserstand stieg zeitweise stündlich um drei Meter. Talbewohner, Katastrophenhelfer und die herbeigerufenen Armeeangehörigen mussten allerdings tatenlos zusehen, wie sich die Lage zuspitzt. Mit schwerem Gerät Furchen für einen geordneten Ablauf des Wassers in den Schuttpegel zu fräsen, ist keine Option.

Soldaten der Schweizer Armee treffen am Donnerstag, 29. Mai 2025, in Wiler ein.
Soldaten der Schweizer Armee treffen am Donnerstag, 29. Mai 2025, in Wiler ein.dpa

„Unternehmen können wir leider wenig, weil die Sicherheitslage vor Ort es nicht zulässt, dass wir mit schweren Maschinen eingreifen können“, sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren des Kantons Wallis im Schweizer Fernsehen. Es gebe mehrere Gefahrenquellen: Der Schuttberg ist instabil, weil er aus Felsbrocken, losem Schutt und Gletschereis besteht, das schon teils geschmolzen sein dürfte. Weder Menschen noch Maschinen wären darauf sicher.

Gleichzeitig drohen von beiden Seiten des Tals weitere Rutschungen: An der ursprünglichen Abbruchstelle am Kleinen Nebelhorn können immer noch hunderttausende Kubikmeter Gestein abstürzen. Zudem wurden bei dem Gletscherabbruch Geröll und Schuttmassen über den Talboden hinweg und auf der gegenüberliegenden Hangseite hochgeschoben. Auch sie könnten als Gerölllawine wieder abrutschen.

Der Walliser Ständerat Beat Rieder fordert mehr Bundesmittel für den Schutz vor Naturgefahren in den Alpen, wie die NZZ berichtet. Wenn der Bund in einem 85 Milliarden-Franken-Budget kein Geld für die Bergbevölkerung finde, frage er sich, „wofür wir dann noch Geld haben“.

Der Gemeindepräsident der Nachbargemeinde Ferden, Valentin Werlen, sprach in einer Pressekonferenz am Donnerstagabend von einem „rabenschwarzen Tag“ für Blatten. Das berichtet die Schweizer Zeitung Blick. Er warnte vor weiterhin herabstürzenden Steinen vom Kleinen Nesthorn und rief die Bevölkerung zur anhaltenden Vorsicht auf.

Erneute Evakuierung

Die Behörden können sich zurzeit nur mit der Gefahrenbeurteilung und organisatorischen Maßnahmen befassen, sagte Studer. „Wir können sicherstellen, dass sich möglichst keine Personen in einem gefährdeten Gebiet aufhalten.“ Zudem wurde ein weiter unten bei Ferden an der Lonza gelegener Stausee vorsichtshalber geleert, um als Auffangbecken zu dienen.

Studer spricht aber auch das Schreckensszenario an, das zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist: „Das Worst-Case-Szenario ist, dass plötzlich entgegen den aktuell als eher realistisch eingeschätzten Szenarien viel mehr Wasser und Geschiebe kommt, das das Staubecken Ferden nicht mehr zu schlucken vermag“, sagte er. Einzelne Häuser entlang des Flussbettes wurden geräumt.