Ausland

Gefahr noch nicht gebannt: Riesige Lawine überrollt Dorf in der Schweiz

In der Schweiz ist es zu einem Gletscherabbruch gekommen. Dabei wurden Teile eines Dorfs verschüttet. Ein Mensch wird vermisst.

Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Walliser Lötschental wurde unter den Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben.
Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Walliser Lötschental wurde unter den Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben.dpa

Durch einen großen Gletscherabbruch im Süden der Schweiz ist ein Teil des kleinen Orts Blatten von einer riesigen Lawine überrollt worden. Die Häuser zahlreicher Einwohner des Dorfs seien zerstört worden, sagte der Informationschef des örtlichen Notfallstabs, Jonas Jeitziner, der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Mittwoch. Der Agentur zufolge wird ein Mensch vermisst. Das Dorf im Kanton Wallis mit etwa 300 Einwohnern war vergangene Woche wegen der Gefahr des Gletscherabbruchs evakuiert worden.

Ein großer Teil des Birchgletschers brach gegen 15.30 Uhr ab, teilten die örtlichen Behörden mit. In sozialen Netzwerken und auf der Plattform YouTube veröffentlichte Videos zeigen eine riesige Wolke aus Eis und Schutt, die den Hang des Berges hinunterstürzt.

Gemeindepräsident: „Wir haben das Dorf verloren, aber nicht das Herz“

„Das Unvorstellbare ist heute eingetroffen“, sagte der Blattener Gemeindepräsident Matthias Bellwald in einer Pressekonferenz im Nachbarort Ferden. Blatten liege unter einem sehr großen Schuttkegel.

Obwohl die Katastrophe erst wenige Stunden zurücklag, zeigte sich Bellwald optimistisch. „Wir haben das Dorf verloren, aber nicht das Herz“, sagte er und rief zum Wiederaufbau auf.

Bergsturz war erwartet worden

Auslöser dieser Ereignisse war ein relativ langsam verlaufender Bergsturz am rund 3800 Meter hohen Kleinen Nesthorn, oberhalb des nun abgestürzten Birchgletschers. Durch das Abbröckeln des Kleinen Nesthorns lagerten sich in den vergangenen Tagen rund neun Millionen Tonnen Schuttmaterial auf dem Gletscher ab und übten Druck auf die Eismassen aus, wie Keystone-SDA berichtete.

Schweizer Gletscher schmolzen wegen der Klimaerwärmung zwischen 2022 und 2023 so stark wie im gesamten Zeitraum von 1960 und 1990 und verloren zehn Prozent ihres Volumens.

300 Menschen sind evakuiert worden.
300 Menschen sind evakuiert worden.dpa

Die Naturkatastrophe sei historisch „beispiellos“, sagte Raphaël Mayoraz, ein Naturgefahren-Experte des Kantons Wallis. Er wies darauf hin, dass die Gefahr für das Tal auch nach dem Gletschersturz noch nicht gebannt sei. Denn durch den Abbruch wurde der Fluss Lonza auf einer Länge von etwa zwei Kilometern stark aufgestaut.

Es könne an der Lonza eine Mure (ein Murgang; Erdrutsch-Strom aus Schlamm und gröberem Gesteinsmaterial, der schnell talwärts fließt) stattfinden, sagte Mayoraz. Das sei angesichts der zuvor geringen Wassermengen im Fluss derzeit nicht sehr wahrscheinlich, sagte er. Dennoch schloss der Experte nicht völlig aus, dass weitere Teilen des Tals evakuiert werden müssten, und dass Überschwemmungen stattfinden könnten.

„Es ist schlimm, wenn man seine Heimat verliert“

Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter drückte den Bewohnern von Blatten ihr Mitgefühl aus. „Es ist schlimm, wenn man seine Heimat verliert“, schrieb sie auf der Plattform X.

Umweltminister Albert Rösti und Verteidigungsminister Martin Pfister reisten sofort in das Katastrophengebiet und sagten der betroffenen Gemeinde die Unterstützung der Schweizer Regierung zu.

Eine Einheit der Armee wurde in das Lötschental entsandt, um Hilfe zu leisten. Zunächst werde wohl die Beseitigung der aufgestauten Wassermassen im Fluss für die Soldaten im Vordergrund stehen, sagte Pfister.

Geologen hatten in den vergangenen Tagen von mehreren Faktoren gesprochen, die gemeinsam zum Abbröckeln des Kleinen Nesthorns geführt haben könnten, darunter das Tauen des Permafrostbodens im Zuge des Klimawandels und andere geologische Prozesse und Wetterereignisse.