CDU-Chef Kai Wegner macht es sich nicht leicht. Künftig soll die Modernisierung der Berliner Verwaltung direkt im Roten Rathaus platziert werden. Also dort, wo aller Voraussicht nach Kai Wegner in einem schwarz-roten Bündnis Berlin regieren wird. Der größte Arbeitgeber der Hauptstadt mit seinen über 130.000 Beschäftigten befindet sich nämlich in einem prekären Zustand. Neben dem demografischen Fachkräftemangel und niedrigem Digitalisierungsgrad ist der Service für seine Bürger:innen ungenügend.
Schon die rot-grün-rote Koalition selbst stellte die Diagnose der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ sowie „Behörden-Pingpong“. Das hierzu erstellte Eckpunktepapier allerdings ist nicht nur wegen neuer Mehrheitsverhältnisse seit dem 12. Februar obsolet. Auch die darin vorgeschlagene Therapie, nämlich die Regelung von Verantwortungen von Haupt- und Bezirksverwaltungen, kommt mehr homöopathischer Globuli denn einer chirurgischen Notoperation gleich. Denn es geht um mehr als eine Neuordnung des Aufgabenkatalogs des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes.
Allen ist klar, dass die Stadt mit einer boomenden Wirtschaft und einem konstanten Zustrom von kreativen und innovativen Menschen die Chance auf einen ausgeglichenen Landeshaushalt nicht durch eine dysfunktionale Verwaltung abwürgen darf.
In der Neuordnung der Verwaltung wird der Handlungsbedarf bei der Steuerung durch die Senatsverwaltung und dem operativen Geschäft bei den Bezirken gesehen. Bei der Umsetzung hingegen fallen die Vorschläge der politischen Akteure auffallend dünn und wenig konkret aus. Hier beginnen nämlich das Problem der Besitzstandswahrung und politische Traditionen auf Bezirksebene zu greifen.
Die politischen Bezirksämter mit ihren 60 Stadträten und 12 Bürgermeistern waren mit der Eingemeindung als Übergangseinheiten Großberlins gedacht, quasi eine Interimslösung seinerzeit. Der Haken: Diese Übergangsstruktur überdauerte allen historischen Verwerfungen zum Trotz bis heute. Um das Problem der Verwaltung zu verstehen, muss man sich die Stadtstruktur vergegenwärtigen. Denn Berlin ist verwaltungsrechtlich eine große Gemeinde, in der überall die gleichen Gesetze gelten.

Die Bezirksämter sind demnach Teil der Verwaltung, also streng genommen nur Verwaltungseinheiten der Einheitsgemeinde Berlin. In der Realität jedoch zieren sich die Bezirksämter wie kleine Regierungen und vergessen dabei das Verwalten, also Dienstleisten für die Bürger. Das Kerngeschäft der Bezirksämter ist also Verwaltung und nicht Politik. Stadträte allerdings bilden die Verwaltungsspitze in den Ämtern.
So ist das Desaster in den Bezirksverwaltungen kaum verwunderlich, wenn die Besetzung von Stadtratsposten nicht nach der Bestenauslese erfolgt. Zu diesem Schluss kam im Jahr 2022 schon die Stiftung Zukunft Berlin zusammen mit anderen Akteuren der Stadtgesellschaft. Wenn weder Eignung, Befähigung noch fachliche Leistung in Berlin erforderlich sind, um große Ämter zu leiten, kann gute Verwaltung auch nicht erwartet werden.
Politische Bezirksämter
Ursprünglich waren die Bezirksämter als demokratisch kontrollierte Verwaltungsbehörden konzipiert, haben sich aber zunehmend zu politischen Spielwiesen der Kommunalpolitik entwickelt. Es mag angesichts der hohen Einwohnerzahl jedes Bezirks die Forderung nach politischen Bezirksämtern nicht unbegründet sein. Nur würde das bedeuten, dass deren legislativer Spielraum deutlich gestärkt werden müsste. Das hieße, dass die Bezirksverordnetenversammlungen echte Mitbestimmungsrechte erhielten und quasi als Bezirksparlamente funktionierten.
Denkbar wäre auf dieser Ebene auch das Prinzip zufällig ausgewählter Bürger:innenräte zur Stärkung bürgerlicher Beteiligung und Vertretung über das Wahlrecht hinaus. Dies kann auch als Antwort auf Politikverdruss und Demokratiemüdigkeit wirksam sein. So viel Basisdemokratie sehen aber die Berliner Fraktionen gar nicht vor.
Der Verwaltungsvorschlag der rot-grün-roten Noch-Regierung blieb in ihrem Eckpunktepapier wunderbar unkonkret, während Franziska Giffeys SPD ihre Zustimmung für ein politisches Bezirksamt schon signalisierte. Ob die Bezirksverordnetenversammlung als Zählgemeinschaft oder als Koalition politisiert, spielt für das Funktionieren der Verwaltung keine Rolle.
Denn davon unbenommen bleibt weiterhin ungeklärt, wie sich unter politischen Bezirksämtern eine gesamtstädtisch passende Verwaltung organisieren lässt. Für die politische Stellenversorgung sind politische Bezirksämter vielleicht sinnvoll, als Lösung für eine effiziente Verwaltung mit bezirksübergreifenden Aufgaben aber ungeeignet.

Aus dem Zuständigkeitsdilemma kommt Berlin nur heraus, wenn (wieder) eine Fachaufsicht über die Bezirke installiert wird. Denn bisher verwalten sich die 12 Bezirksämter im Blindflug. Und das für Bürger:innen in unerträglicher Weise, denken wir nur an Termine in Bürgerämtern oder an Bezirksgrenzen endenden Fahrradwegen.
Wenn sich einzelne Bezirksämter für Bürgerfragen zum Beispiel zu leuchtenden Werbeanlagen nach dem Bundesenergiesicherungsgesetz nicht verantwortlich sehen, haben Bürger:innen einen Anlaufpunkt bei der Fachaufsicht in der Senatsverwaltung. In Fällen, wo die Fachaufsicht die Zuständigkeit aufgrund eines neuen Bundesgesetzes nachsteuern muss, wird die Zuständigkeit geklärt, und das für alle Bezirke.
Das sichert einheitliche und zweckentsprechende Aufgabenzuteilungen in den Bezirken und damit Rechtssicherheit für die Bürger:innen. Mit einer Fachaufsicht über alle 12 Bezirke wäre auch das Problem der Steuerung gesamtstädtischer Aufgaben gelöst. Aber auch innerhalb der Bezirke gilt es, klare Zuständigkeiten in den Ämtern zuzuweisen. Konkret bedeutet das, dass Fachämter auch die Ressourcenverantwortung zu ihrer Aufgabenerfüllung und Zielvereinbarung erhalten und der Wasserkopf, die Zentralverwaltung, auf ein Minimum begrenzt wird.
Gebraucht wird effizientes Verwaltungsmanagement
Für die Steuerung und bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Bezirksamtes bedarf es der Richtlinienkompetenz des Bürgermeisters beziehungsweise der Bürgermeisterin. Ob diese:r direkt gewählt werden soll, ist hingegen keine Frage der Verwaltung, sondern des demokratischen Wahlverständnisses. Die Stadtratsposten sollten hingegen in kommunale Wahlbeamte in Form von Beigeordneten des Bürgermeisters beziehungsweise der Bürgermeisterin überführt werden.
Für deren befristetes Arbeitsverhältnis sollten ganz klar fachliche Eignung, Qualifikation und ausreichende Erfahrung für das Amt Voraussetzung sein. Eigentlich Selbstverständlichkeiten, wenn es um Professionalität geht. So fordert NRW für seine Beigeordneten die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst. Für die verschiedenen Fachverwaltungen wären aber Beigeordnete mit einem Ingenieur-, Wirtschafts-, IT- oder medizinischen Hintergrund sowie eine Amtsdauer von acht Jahren sinnvoll.
Verwaltungen funktionieren immer dann gut, wenn die Vorgaben klar sind und Fachämter auch die nötige Fachexpertise haben. Dafür allerdings müssen die Bezirksämter attraktiv für Fachkräfte sein. Das bedeutet: Der digitale Standard in den Bezirksämtern muss mindestens Schritt halten mit dem Komfort und der Funktion handelsüblicher Smartphones. Und Bezirksämter müssen bürgerfreundlicher kommunizieren, was heißt: niederschwellig, verständlich, klar und mit aktuellen Medien.
Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement hatte schon vor zwei Dekaden gefordert, dass Behörden Bürokratismus hinter sich lassen müssen zugunsten eines effizienten Verwaltungsmanagements. Also ergebnisorientierte Dienstleistungsverwaltung, die sich an die Bedürfnisse seiner Bürger:innen anpasst und die Zivilgesellschaft als Partner sieht.






