Behörden-Pingpong, unklare Zuständigkeiten zwischen Bezirken und Senat, Wartezeiten für Bürger:innen. Angesichts der drängenderen Zukunftsaufgaben, von Klimaschutz über die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bis zur Verkehrswende, ist eine Reform der Verwaltung überfällig. Für eine grundlegende Reform habe ich dem Senat im November ein Konzept vorgelegt.
Mit der Reform will ich erreichen, was jede erfolgreiche kommunale Verwaltung ausmacht: für Bürger:innen Dienstleistungen erbringen, rechtssichere, langfristige Planungen ermöglichen und dabei zugleich effizientes, verantwortliches Handeln in besonderen Situationen. Kurz: eine funktionierende Stadt.
Diese beruht auf drei Säulen: auf klarer Verantwortung, einer effizienten gesamtstädtischen Steuerung und auf starken Bezirken. Dafür brauchen wir eine Strukturreform. Was wir aber auch brauchen, ist ein grundlegender Kulturwandel und eine neue Haltung der Verantwortungsübernahme in der Berliner Verwaltung, die mit der Verwaltungsreform eingeläutet wird.
Klare Verantwortung auf allen Ebenen
Eine enge und gute Zusammenarbeit auf allen Verwaltungsebenen ist das A und O einer effizienten, bürgernahen Verwaltung. Deshalb wird der Berliner Senat das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz durch ein neues Gesetz über die Aufgabenverteilung und die Zusammenarbeit in der Berliner Verwaltung ersetzen.
Es muss auf allen Ebenen klar sein, wer was zu tun hat und wer die Verantwortung für das Ergebnis trägt. Dazu gehören auch effektive Steuerungsstrukturen auf Ebene der Senats- und Bezirksverwaltungen und ihr Zusammenwirken bei gesamtstädtischen Aufgaben. Es waren nicht zuletzt unklare Verantwortlichkeiten, die dazu geführt haben, dass die Durchführung der Wahlen 2021 so verlaufen ist, wie sie verlaufen ist.
Derzeit haben wir einen Zuständigkeitskatalog, der nur die Aufgaben der Senatsebene auflistet. Das läuft der Tatsache zuwider, dass es wichtige gemeinsame Handlungsfelder gibt, die Senat und Bezirke nur gemeinsam gestalten können. Solche Aufgaben sollen klar getrennt werden von Aufgaben, die den Besonderheiten in den Bezirken gerecht werden und daher in bezirklicher Verantwortung liegen müssen.
Gesamtstädtische Steuerung: Ein transparentes System
Im März 2022 haben wir für eine effiziente gesamtstädtische Steuerung, der zweiten Säule, die Probe aufs Exempel gemacht: Die Regierende Bürgermeisterin und die Bezirksbürgermeister:innen haben sich mit der #neustartagenda auf 14 gemeinsame Handlungsfelder geeinigt. Dazu gehören etwa Bürgerdienste, Sauberkeit im öffentlichen Raum, Glasfaserausbau und Wohnungsneubau. Hier werden gemeinsame Ziele, Qualitäts- und Leistungsstandards definiert und in Zielvereinbarungen festgehalten.
Zielvereinbarungen haben sich als wirksames, kooperatives Steuerungsinstrument für gesamtstädtische Aufgabenbereiche bewährt: Das zeigen die Fortschritte, die wir bei den Bürgerämtern mittlerweile erzielen konnten. Dieses kooperative Zusammenwirken von Senat und Bezirken in Feldern von gesamtstädtischer Bedeutung auf Augenhöhe funktioniert sehr gut. Das gilt es mit der Reform weiter zu stärken.
Neben kooperativen Formen der Zusammenarbeit bedarf es gerade in Politikfeldern von besonderer gesamtstädtischer Bedeutung zudem einer Schärfung von Kontroll-, Aufsichts- und Eingriffsrechten im Verhältnis Senat zu Bezirken. Verfassungsrechtlich bestehende Hürden müssen überwunden und fachaufsichtliche Steuerungsinstrumente etabliert werden. Mit der Einführung der Fachaufsicht wird die Senatsebene sowohl befähigt als auch stärker in die Pflicht genommen, ihre Steuerungsrolle gegenüber den Bezirken wahrzunehmen und sie entsprechend zu unterstützen.
Ein zentrales Instrument, das die Wahrnehmung dieser neuen Steuerungsrolle durch Auf- und Ausbau der Datenkompetenz der Verwaltung ermöglicht, führen wir derzeit ein: Für die datengestützte Verwaltungssteuerung schaffen wir als landesweiten Service eine Dashboard-Lösung. D:ASH steht für: Daten analysieren, steuern, handeln. Auf Knopfdruck werden den Verantwortlichen in den Bezirken und der Senatsverwaltung alle steuerungsrelevanten Daten ausgegeben. Diese zeigen an, wo es Fortschritte gibt oder wo möglicherweise Maßnahmen ergriffen werden müssen, um ein Ziel zu erreichen. D:ASH liefert damit auch eine transparente Grundlage für eine kennzahlenorientierte und evidenzbasierte gesamtstädtische Steuerung.
Die entscheidende Voraussetzung für eine funktionierende Verwaltung ist, dass die verschiedenen Verwaltungsebenen sich ihrer jeweiligen Verantwortung bewusst sind und diese auch effektiv wahrnehmen können. Die Senatsverwaltungen müssen sich auf ihre Steuerungsrolle und -verantwortung besinnen und den Bezirken die nötige fachliche Unterstützung und die Ressourcen bereitstellen, ihre Aufgaben vor Ort im Sinne der Bürgerinnen und Bürger gut erfüllen zu können. Sie müssen sich zugleich davor hüten, ins operative Geschäft „reinzuregieren“. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir für eine funktionsfähige Verwaltung starke Bezirke brauchen – die dritte Säule.
Wir brauchen starke Bezirke
Auch für Berlin schlage ich die konsequente Umsetzung des Konnexitätsprinzips vor. In den Landesverfassungen aller Flächenländer in Deutschland wurde das Konnexitätsprinzip bereits übernommen. Dahinter verbirgt sich der Grundsatz, dass die Aufgabenwahrnehmung und die Finanzverantwortung einer zuständigen staatlichen Ebene grundsätzlich zusammengehören. Die Instanz, die den Auftrag erteilt, trägt auch die Kosten. Das Konnexitätsprinzip schafft Transparenz über Ressourcenbedarfe für die bezirkliche Aufgabenwahrnehmung und trägt zu klaren Verantwortlichkeiten zwischen den Ebenen bei.
Starke Bezirke sind aber nicht allein eine Frage der Finanzierung. Sie setzen handlungs- sowie durchsetzungsfähige Bezirksämter voraus. Die ursprünglich wohlgemeinte Entpolitisierung der Bezirke durch das „Proporzbezirksamt“ hat nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Was ich beobachte, sind nach ihren je eigenen politischen Erwägungen agierende Bezirksstadträt:innen, die ihre Geschäftsbereiche teils im Alleingang leiten. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bezirksamtsmitgliedern müssen allerdings vom Bezirksamt als Kollegialorgan gelöst werden.
Das ist eine Herausforderung, wenn die Bezirksamtsmitglieder vier oder gar fünf verschiedenen Parteien angehören. Das kann wichtige Entscheidungen – ob nun zur Bewältigung von Krisen, zur Erfüllung gesamtstädtischer Verpflichtungen oder bei der Wahrnehmung genuiner Bezirksaufgaben – verlangsamen oder gar lähmen. Mit dem politischen Bezirksamt, in dem die Bezirksamtsmitglieder nach politischen Mehrheiten in der Bezirksverordnetenversammlung statt nach Parteiproporz gewählt werden, wird die Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit der Bezirksämter gestärkt. Vielleicht aber noch entscheidender ist: Durch das politische Bezirksamt wird für die Bürgerinnen und Bürger erst wirklich sichtbar, wer die (politische) Verantwortung für Bezirksentscheidungen trägt.
Wie geht es nun konkret weiter? Die Eckpunkte der Verwaltungsreform befinden sich zurzeit in der Ressortabstimmung in Vorbereitung auf die Behandlung im Senat und im Rat der Bürgermeister. Das Eckpunktepapier benennt die Maßnahmen und konkreten Schritte auf dem Weg zu der umfassenden Verwaltungsreform, die wir für Berlin brauchen. Es wird in 2023 Grundlage des neuen Zuständigkeitsgesetzes und schließlich – in einer zweiten Stufe – der erforderlichen Verfassungsänderungen sein.
In der Berliner Verwaltung sind tagtäglich engagierte, kluge Mitarbeitende dabei, das Beste für diese Stadt und ihre Bürger:innen zu leisten. Erst durch sie wird der nötige Kultur- und Handlungswandel in der Berliner Verwaltung gelebt. Sie dabei bestmöglich zu unterstützen, ist das Ziel der Verwaltungsreform.
Dr. Ralf Kleindiek ist Jurist, Ministerialbeamter und Mitglied der SPD. Seit Dezember 2021 ist er als Staatssekretär Chief Digital Officer in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport.









