Die am 30. November beginnende 28. UN-Klimakonferenz (COP28) hat zum ersten Mal die Themen Gesundheit und Frieden im Programm. COP-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber und Welternährungsprogramm-Exekutivdirektorin Cindy McCain wollen am 3. Dezember eine Erklärung zu Klima, Nothilfe, Wiederaufbau und Frieden verabschieden.
Damit sollen Klimamaßnahmen und humanitäre Notlagen stärker zusammen gedacht werden. Das Programm adressiert allerdings nicht die verschränkten Ursachen für Gewalt, Krieg und Klimakrise. Auch der militärisch bedingte CO₂-Fußabdruck, schätzungsweise 5,5 Prozent der globalen Emissionen, wird kein Thema sein. Die horrenden Aufrüstungsausgaben von 2,24 Billionen US-Dollar im letzten Jahr werden als mögliche Finanzierungsquelle ausgeschlossen. Aufrüstung – ein Tabuthema?
Acht Kriege und 55 Konflikte zählte das Uppsala Conflict Data Program (UCDP) für das Jahr 2022. Mindestens 238.000 Menschen sind 2022 laut UCDP bei diesen militärischen Konflikten und Kriegen getötet worden. Das entspräche einem Anstieg von 97 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und markiere gleichzeitig die höchste Zahl seit 1994, dem Jahr des Genozids in Ruanda.

In einem Jahr Ukraine-Krieg wurden etwa 120 Millionen Tonnen CO₂ verbraucht
Doch die Auswirkungen eines Krieges auf das Klima, aber auch das Wettrüsten zwischen den Großmächten sind sehr groß. Einige Beispiele seien genannt: Politikwissenschaftlerin Neta Crawford von der Universität Oxford schätzt die Kriegsführung der USA im Irak-Krieg zwischen 2003 und 2011 auf 250 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent.
Der niederländische Klimaforscher Lennard de Clerk berechnete zusammen mit seinem Team, dass in einem Jahr Ukraine-Krieg schon circa 120 Millionen Tonnen CO₂ verbraucht wurden, fast so viel wie ganz Belgien im gleichen Zeitraum. Etwa 19 Prozent kamen durch den Spritverbrauch der russischen und ukrainischen Truppen zustande, circa 15 Prozent durch die entstehenden Feuer und Waldbrände, die zum Beispiel bei Bombardierungen von Fabriken und Stromkraftwerken entstehen. Circa 50 Prozent berechnete er für den Wiederaufbau der Städte.

Keine Kampfjets ohne fossile Brennstoffe
Mit dieser Studie zu den kriegsbedingten CO₂-Emissionen wurde der Zusammenhang zwischen kriegsbedingten Emissionen, ökologischer Zerstörung und Abhängigkeit des Militärs von fossilen Brennstoffen in den Fokus der Weltöffentlichkeit gelenkt.
Wie durch ein Brennglas wurde sichtbar, in welch hohem Ausmaß das Militär abhängig ist von fossilen Brennstoffen. Diese fossile Abhängigkeit gilt für Friedens- und erst recht für Kriegszeiten. Ohne fossile Brennstoffe ist Kriegsführung, wie wir sie jetzt kennen, nicht möglich: Keine Kampfjets, keine Panzer, keine militärischen Geräte funktionieren ohne Brennstoffe.
Viele CO₂-Ausstöße bleiben unberücksichtigt
Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen und den Planeten bewohnbar zu halten, braucht es radikale Emissionseinsparungen in diesem Jahrzehnt. Gleichzeitig zeigen Studien, dass diejenigen Staaten, deren Wohlstandsmodell auf der Nutzung fossiler Wirtschaft beruht, auch diejenigen Staaten sind, die die höchsten Militärausgaben haben.
Es sind in der Reihenfolge der Höhe: USA, China, Russland, Indien, Saudi-Arabien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Südkorea, Japan. Und noch immer wird der CO₂-Fußabdruck des Militärs systematisch ausgespart. Diesen Ausschluss haben US-amerikanische Lobbyvertreter 1997 bei der Klimakonferenz durchgesetzt. Schätzungsweise ist das Militär für 5,5 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich, so Stuart Parkinson und Linsey Cottrell. Beide sind Wissenschaftler von den Scientists for Global Responsibility (SGR) und der Umweltorganisation CEOBS (Climate and Environmental Observatory).
Diese Zahl gilt für Friedenszeiten. Um den CO₂-Fußabdruck des Militärs im Krieg abzuschätzen, braucht es eigene Studien. Aber auch da gibt es inzwischen Vorschläge, die Emissionen im Krieg nach den Standards des Greenhouse Gas Protocols zu erheben (Scope 1, 2, 3 und 3+). Die Umweltorganisation schlägt vor, nicht nur den Brennstoffverbrauch und den Energieverbrauch zu berechnen, sondern auch die gesamte Lieferkette des Militärs, also die Rüstungsindustrie, was einen sehr großen Teil ausmacht, der bisher völlig ausgespart blieb.

Abrüstung für Klimagerechtigkeit
Seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 gibt es zumindest die Möglichkeit, einen Teil der militärischen Emissionen zu erfassen. Allerdings erfolgt dies freiwillig und unvollständig. Wir haben es daher global mit einer extrem mangelhaften Datenlage zu tun, die sich wiederum in fehlenden oder wenig ambitionierten nationalen Klimaschutzzielen in diesem Sektor niederschlägt. Auch im Global Stocktake, in der globalen Bestandsaufnahme, die dieses Jahr auf der COP diskutiert wird, sind die Militäremissionen dementsprechend nicht adäquat abgebildet.
Die deutsche Bundeswehr erhebt ihre CO₂-Emissionen aus Liegenschaften und von mobilen Einheiten verhältnismäßig gut. Was aber ist mit den massiven Emissionen aus der vorgeschalteten Rüstungsindustrie? Was mit den Auslandseinsätzen? Was mit den Klima- und Umweltschäden im Krieg? Muss nicht Abrüstung generell und insbesondere Abrüstung für Klimagerechtigkeit ins Zentrum der politischen Tagesordnung kommen?
Verringerung des CO₂-Fußabdrucks durch die Nato eher unerwünscht
Bisher hat das Nato-Militärbündnis auf solche Fragen von kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausweichend reagiert. Ja, das Militär müsse seinen CO₂-Fußabdruck vermindern, sagte Stoltenberg schon auf der Klimakonferenz 2021 in Glasgow. Doch das dürfe nicht auf Kosten militärischer Einsatzfähigkeit gehen. Im Juni 2023 wiederholte er seine Formulierung dazu. Die Ankündigungen von Militärs zu Klimaschutz klingen so, als ob es zukünftig nur noch „grüne“ Kriege geben werde, mit Ökopanzern und wasserstoffbetriebenen Flugzeugen.
Die Forscherin Linsey Cottrell hat sich anlässlich der Nato-Ankündigungen genau mit der Methodologie der Erfassung des militärisch bedingten CO₂-Fußabdrucks befasst und die Frage gestellt, inwieweit die Nato-Länder tatsächlich bereit sind, militärbedingte Emissionen einzusparen.
Der Nato-Bericht, den Cottrell evaluiert, enthalte keine Prognosen für das Ausmaß der zukünftigen Emissionen, auch gäbe es keine konkreten Reduktionsziele. Der Bericht räume zwar ein, dass die Forderung nach Reduktion der militärisch bedingten CO₂-Emissionen anzuerkennen sei, das Ziel der militärischen Einsatzfähigkeit habe jedoch durchgängig höchste Priorität. Es würden nicht einmal Szenarien einer veränderten Einsatzplanung der Soldaten durchdacht, geschweige denn die jeweiligen Verteidigungsstrategien verändert, die eine Verringerung des CO₂-Fußabdrucks nach sich ziehen könnten.

Klimafinanzierung ist kein großes Thema
Da bisher im UNFCCC Methoden der Erfassung von militärisch bedingten Emissionen fehlen, werden vom „Nato-Enterprise“ die üblichen Methoden für Firmen und Organisationen eingesetzt. Eine Auflistung der gesamten Teile des „Nato-Enterprise“ fehlt. Die Nato-geführten Einsätze, seien es Friedens- oder Kriegsmissionen, bleiben in der Nato-eigenen Berichterstattung ausgespart. So bleibt der Bericht unscharf und unvollständig, ein Bezug auf die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des CEOBS aufgeführten Vorschläge, wie eine Erfassung der Emissionen besser ausgeführt werden könnte, fehlt ebenfalls.
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Die angekündigten Mehrausgaben für Militär in nahezu allen Nato-Staaten haben zudem einen Einfluss auf den finanziellen Spielraum zur Bewältigung der Klimakrise. Im Jahr 2022 gab die Welt einen Rekordbetrag von 2240 Milliarden Dollar für das Militär aus. Allein die Militärausgaben der Nato in einem Jahr könnten einer Studie zufolge die versprochene (und noch nicht erbrachte) internationale Klimafinanzierung in Höhe von 100 Milliarden Dollar pro Jahr über zwölf Jahre hinweg finanzieren.
Finanzierungslücke für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel
Die Studie Climate Crossfire berechnet die Kosten und den Anstieg der Treibhausgasemissionen, die sich ergeben, wenn alle Nato-Mitglieder ihre Militärausgaben auf mindestens zwei Prozent des BIP erhöhen. Wenn alle Nato-Mitglieder das Zwei-Prozent-Ziel einhalten, werden bis 2028 schätzungsweise 2,6 Billionen US-Dollar für das Militär ausgegeben – zusätzlich zu den ohnehin laufenden Militärausgaben.
Diese Summe könnte die gesamten Kosten für die Anpassung an den Klimawandel für alle Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen sieben Jahre lang abdecken. Dies würde zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen in Höhe von schätzungsweise 467 Millionen Tonnen führen, in etwa so viel, wie die Industrieländer Großbritannien oder Frankreich jedes Jahr ausstoßen. Die Studienergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die enorme bestehende Finanzierungslücke für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den am meisten notleidenden Ländern zu schließen.




