Expertinnen und Experten des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW) haben am Donnerstag (Ortszeit) eine Analyse veröffentlicht, in der sie Moskau schwere Defizite in dessen Kommandostrukturen im Ukraine-Krieg attestieren. Das Institut kommt aufgrund der Vorgänge um den General Iwan Popow zu dieser Schlussfolgerung, dessen Absetzung am Mittwoch bekannt wurde. Popows Absetzung im Zuge seiner Kritik an Missständen und dem hohen Verlust russischer Soldaten bestätige, dass Moskaus Verteidigungsstellungen in der Ukraine „wahrscheinlich brüchig“ seien, heißt es in der Analyse. Die Militärexperten hatten früher bereits geäußert, dass die russischen Truppen ihrer Einschätzung nach keine Reserven für Rotationen hätten.
Im Falle eines Durchbruchs ukrainischer Kräfte bei deren Gegenoffensive blieben die russischen Stellungen ohne Unterstützung, meinten die ISW-Experten. Sie erwarten zwar, dass Popows Abgang unmittelbar allenfalls „marginale“ Auswirkungen habe. Sie betonen aber: „Die immer fragilere russische Befehlskette könnte in Zukunft zu einer kritischen Kommando- und Kontrollkrise führen, in der die Unterstützung der Feldkommandeure für das russische Militärkommando immer schwächer werden könnte.“
Ukraine vermeldet weitere Geländegewinne im Süden bei Gegenoffensive
Derweil geben die ukrainischen Streitkräfte bekannt, bei ihrer Gegenoffensive weitere Geländegewinne an der Südfront erzielt zu haben. Die ukrainischen Truppen seien im Verlauf dieser Woche 1,7 Kilometer weit in Richtung Süden und Südosten vorgestoßen, teilte Oberst Mykola Urschalowitsch von der Nationalgarde am Freitag mit. In ihrem Vormarsch seien die ukrainischen Angriffsverbände von Panzern unterstützt worden.
Urschalowitsch zufolge wollen die ukrainischen Einheiten in dem Gebiet ihre Gegenoffensive weiter in Richtung der Stadt Melitopol fortsetzen, die von den russischen Invasionstruppen besetzt ist. Die Ukraine hatte Anfang Juni ihre Gegenoffensive zur Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete im Osten und Süden des Landes gestartet. Der russische Widerstand ist vor allem in der Ostukraine groß.
ISW: Popow stellte sich mit seiner Kritik mit Prigoschin auf eine Stufe
Popow, der die 58. Armee in der besetzten ukrainischen Region Saporischschja befehligt hatte, habe sich mit seiner Kritik auf eine Stufe mit anderen gestellt, hieß es. So hatte etwa der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, Generalstabschef Waleri Gerassismow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu Unfähigkeit vorgeworfen. Auch Popows Ziel könne es gewesen sein, Gerassimow als Oberbefehlshaber für den Krieg gegen die Ukraine zu beseitigen. Der Generalstabschef aber versuche, Kritik zu unterbinden und sie nicht zu Kremlchef Wladimir Putin durchdringen zu lassen.
Nach Einschätzung der ISW-Experten sind die russischen Streitkräfte in der Defensive und setzen alles daran, ihre Stellungen zu halten. Derweil führe die ukrainische Armee ihre Gegenoffensive an mindestens drei Abschnitten der Front fort und verzeichne in einigen Regionen Gebietsgewinne.





