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Schlesinger vs. RBB: Ex-Intendantin muss Schadenersatz zahlen, der Sender Ruhegeld

Das Urteil des Landgerichts Berlin war nur in Teilen eine Überraschung. Doch welche Folgen hat das für den RBB, der in größten Sparzwängen steckt?

Patricia Schlesinger, ehemalige Intendantin des RBB, beim Prozess am Landgericht Berlin
Patricia Schlesinger, ehemalige Intendantin des RBB, beim Prozess am Landgericht BerlinBernd von Jutrczenka/dpa

Die Urteilsverkündung im kleinen Saal 1810 des Berliner Landgerichts II dauerte nur wenige Minuten. Patricia Schlesinger und ihre Anwälte waren nicht erschienen. Dafür war die RBB-Seite um so zahlreicher vertreten, unter anderem durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrates Wolfgang Krüger, die RBB-Justiziarin Kerstin Skiba und den RBB-Anwalt Weißflog. Mehr als 20 Medienvertreter lauschten außerdem gespannt den Ausführungen des Richters.

Das Wichtigste: Die Klage von Patricia Schlesinger, der ehemaligen Intendantin des RBB, auf Ruhegeld von 18.300 Euro ist berechtigt. Allerdings hatte sie nur auf die einmalige Zahlung für den Januar 2023 geklagt – wohl, um den Streitwert im Falle einer Niederlage gering zu halten. Es ging ihr und ihren Anwälten also um eine Richtungsentscheidung. Entweder wird sie nun versuchen, den RBB aufgrund dieses Urteils außergerichtlich dazu zu bringen, ihr weiterhin monatlich 18.300 Euro bis zum Eintritt in die Rente zu zahlen, was der Sender ihr ja im Arbeitsvertrag zugesichert hatte. Falls der RBB sich weigert, könnte Schlesinger erneut klagen – dann wahrscheinlich auf die Zahlung des gesamten Ruhegeldes.

Doch es geht an diesem Tage um weit mehr als nur um das Ruhegeld der Ex-Intendantin. Der Verwaltungsrat des RBB hatte seinerseits eine sogenannte Widerklage gegen Schlesinger eingereicht. Darin geht es um Schadenersatz-Forderungen des Senders gegenüber der früheren Intendantin. Und mit dieser Klage war der RBB heute relativ erfolgreich. Denn das Berliner Landgericht verurteilte Schlesinger zur Zahlung von rund 24.000 Euro für die private Nutzung von Dienstwagen und für unkorrekt abgerechnete Reisekosten.

Höhe dieser Schadenersatz-Zahlungen könnte zwei Millionen betragen

Wirklich interessant ist aber, dass das Gericht Schlesinger auch zur Rückzahlung der an die Geschäftsführung ausgeschütteten Boni verurteilt hat. Weil sie diese Bonus-Vereinbarungen im Alleingang und ohne Einbeziehung des Verwaltungsrates unterschrieben haben soll – hier greift nach Auffassung des Gerichts offenbar das Intendantenprinzip. Über die Höhe dieser Schadenersatz-Zahlungen soll später entschieden werden. Die Rede ist von rund zwei Millionen Euro. Insider berichten allerdings, dass es eine Arbeitsgruppe des Verwaltungsrates zum Bonusprinzip gab. Ein Alleingang von Schlesinger erscheint zumindest fragwürdig.

Und auch die Schadenersatz-Forderungen des RBB in Bezug auf das „Digitale Medienhaus“, dessen Kosten mehr und mehr aus dem Ruder liefen, hat das Gericht nicht abgewiesen, sondern lediglich abgetrennt. Darüber soll in einem eigenen Verfahren entschieden werden. Das dürfte interessant werden. Denn natürlich hat Patricia Schlesinger nicht ganz allein über die Errichtung dieses Projekts entschieden, dessen Kosten 2018 noch mit 63 Millionen Euro beziffert wurden. Vier Jahre später war dann schon von 311 Millionen Euro die Rede.

Interimsintendantin Katrin Vernau stoppte den Bau 2022 deshalb sofort. Trotzdem hatte der RBB da schon knapp sieben Millionen Euro in den Sand gesetzt. Das nun alles allein Frau Schlesinger anrechnen zu wollen, erscheint fast schon dreist. Der Landesrechnungshof Berlin hat nach einer Prüfung im vergangenen Jahr die gesamte damalige RBB-Geschäftsleitung wegen schwerer Versäumnisse bei der Planung und Finanzierung des Digitalen Medienhauses gerügt. Dabei sollte man nicht vergessen, dass RBB-Finanzchef Claus Kerkhoff diese Funktion auch damals schon unter Schlesinger innehatte und logischerweise in die Planungen eingebunden war.

Sein Argument vor dem RBB-Untersuchungsausschuss, er hätte keinen Widerspruch gewagt, klingt mehr als fragwürdig und bescheinigt ihm eigentlich nicht die nötige Qualifikation, diesen verantwortungsvollen Job weiterhin zu machen. Zumal der RBB heute mehr denn je vor finanziellen Problemen steht. Auch der damalige Chefredakteur David Biesinger dürfte in die Planungen zum Digitalen Medienhaus involviert gewesen sein. Zwar behauptete er später, nicht Teil der Geschäftsführung gewesen zu sein, doch ein RBB-internes Organigramm aus dieser Zeit sagt etwas anderes. Und was für ein Chefredakteur ist das, der von solch wegweisenden Entscheidungen nichts wusste, in keiner Weise eingebunden gewesen sein soll?

Biesinger ist inzwischen zwar zurückgetreten, aber nicht wegen damaliger Verfehlungen unter Schlesinger, sondern wegen der mehr als fehlerhaften Berichterstattung über den Grünen-Politiker Stephan Gelbhaar Ende 2024. Aber er ist immer noch ein sehr gut bezahlter Mitarbeiter des RBB und leitet kommissarisch die entscheidungsgewaltige Hauptabteilung Programmressourcen. Auch da geht es ums Finanzielle.

Es ist also zu hoffen, dass es in dem abgetrennten Verfahren um Schadenersatz-Ansprüche des RBB gegenüber Patricia Schlesinger bezüglich des Digitalen Medienhauses auch um die Rollen von Kerkhoff, Biesinger und anderer damaliger Entscheidungsträger wie dem früheren Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf gehen wird.

Ein besserer Tag für den RBB als erwartet

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Für den RBB ist dieser Tag besser ausgegangen, als es die vorausgegangenen Verhandlungen vermuten ließen. Von dessen Seite aus wird es höchstwahrscheinlich keine Einwände geben. Ob Schlesinger die Schadenersatz-Forderungen akzeptiert, bleibt abzuwarten. Die rund 24.000 Euro dürften für sie kein Problem sein. Die Rückzahlung der Boni – deren Höhe zwar noch nicht feststeht, aber in die Millionen gehen könnte – dagegen schon.

Bis darüber und über die Schadenersatz-Forderungen bezüglich des Digitalen Medienhauses entschieden wird, könnten die strafrechtlichen Untersuchungen gegen Patricia Schlesinger, die ja auch noch laufen, abgeschlossen sein. Und sich ebenfalls mit den Bonuszahlungen, dem Digitalen Medienhaus und anderen Vorwürfen beschäftigen. Auch da bleibt abzuwarten, ob die Berliner Generalstaatsanwaltschaft Anklage erhebt und es zu einem Prozess kommt. Denn dann müsste möglicherweise auch die Polizeipräsidentin von Berlin, Barbara Slowik, über ein angeblich privates Abendessen mit und bei Patricia Schlesinger vor Gericht aussagen. Eine durchaus spannende Vorstellung.

Wünschenswert wäre ein solcher Prozess auf jeden Fall, denn es geht hier um weit mehr als um irgendwelche Abendessen, Massagesitze oder luxuriös ausgebaute Chefetagen. Es geht darum, dass es sich bei alldem nicht um einen „Schlesinger-Skandal“ handelt, sondern um tiefgreifende, strukturelle Probleme, die der RBB bis heute nicht aufgearbeitet oder gar beseitigt hat. Es geht um existenzielle Fragen für den Sender. Unter diesem Zeichen sollte man auch die heutige Entscheidung des Berliner Landgerichts sehen.

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