Es läuft nicht gut für den Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB). Das ist kaum zu überhören am Mittwoch im Landgericht Berlin. Nach zwei Stunden spricht der Thomas Markfort, der Vorsitzende Richter, deutlich aus, was er vorher angedeutet hatte. Es war zwischen ihm und den Anwälten des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) schon eine Weile hin und her gegangen. Die Anwälte hatten die Stimme erhoben, der Richter mit „Sonst noch was?“ geantwortet.
Nun sagt Markfort: Der Vertrag, den der RBB da vor vielen Jahren abgeschlossen hat, sei einfach „ein schlechter Vertrag“ gewesen. Aus Sicht des Senders, wohlgemerkt. Für die Klägerin, heißt das, war er günstig.
Die Klägerin ist Patricia Schlesinger. Sie war von April 2016 bis August 2022 die Intendantin des RBB. Bis zur sogenannten Schlesinger-Affäre, in der es um die Vorwürfe von falsch abgerechneten Spesen, Dienstwagen mit Massagesitzen, zu hohen Gehaltszulagen für Führungskräfte und die teure Planung eines neuen digitalen Sendezentrums für den RBB, das nie gebaut worden ist, ging. Um Verschwendung im großen Stil im öffentlichen-rechtlichen Sender, für die vor allem Patricia Schlesinger persönlich verantwortlich gemacht wurde. Sie wurde fristlos entlassen. Und begann, sich zu wehren.
RBB will Schadensersatz in Millionenhöhe
Dazu gehört, dass sie auf die Einhaltung ihres Vertrags pocht. Der sah von Anfang an ein üppiges Ruhegeld vor: Nach ihrer Zeit als Intendantin sollte Schlesinger mehr als 60 Prozent ihres monatlichen Grundgehalts beim Sender weiter ausgezahlt bekommen. Auch vor dem Eintritt ins Rentenalter. Lebenslang.
Dieses Geld möchte Patricia Schlesinger nun gern haben. Es geht um 18.300 Euro im Monat. Deshalb hat sie den RBB verklagt – der mit einer Gegenklage geantwortet hat. Der Sender will Schadensersatz von seiner ehemaligen Chefin. Durch ihre Misswirtschaft sei ein Millionenschaden entstanden. Das Gericht gab die Summe der Forderungen mit 1,78 Millionen Euro an.

Der große Saal des Zivilgerichts in der Littenstraße in Mitte ist voll mit Journalisten. Bevor es losgeht, drängen sich Kameraleute um Schlesinger. Die ehemalige Intendantin, 63 Jahre alt, sitzt aufrecht, in einem dunklen Sakko und weißer Bluse, lässt sich filmen. In der Verhandlung meldet sie sich nur ein einziges Mal selbst zu Wort. Als es um die Frage geht, ob es Zulagen in der ARD gibt, wenn jemand über seinen Intendantenjob hinaus Ämter im Senderverbund übernimmt. So wie Schlesinger, die 2022 auch ARD-Vorsitzende war. Die Anwälte des RBB sagen: Solche Extrazahlungen seien ihnen aus anderen Rundfunkanstalten „nicht bekannt“.
Schlesinger sagt: „Es gibt sehr wohl Zulagen in der ARD, sie werden nur anders genannt.“ Es sei darüber in ihrem Beisein geredet worden. In diesem Moment wünscht man sich, sie würde mehr erzählen aus 35 Jahren beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Schlesinger hat bei der ARD schon volontiert, war Reporterin und lange Abteilungsleiterin beim NDR, bevor sie zum RBB kam.

Nach ihrer Zeit beim RBB hatte sie auch wieder einen Job. Von Februar bis Oktober 2023. Das kommt heraus, als der Richter wissen will, ob sie in der Zeit, für die sie Ruhegeld nachfordert, denn gar kein Einkommen hatte. Ihre Anwälte erklären nicht, womit Schlesinger Geld verdient hat, aber wie viel: 25.000 Euro brutto. Im Monat. Inzwischen aber, so sagt einer der Anwälte später, sei Schlesinger durch die Rechtsstreitigkeiten mit dem RBB „öffentlich stigmatisiert“ und arbeite nicht mehr. Ihre Prozesskosten seien enorm, sie sei „auf das Ruhegeld angewiesen“.
War Schlesingers Vertrag mit dem RBB „sittenwidrig“?
Die Anwälte des RBB wettern gegen die Arbeitsverträge, die der Sender selbst mit Schlesinger abgeschlossen hat. Die Intendantin habe bis zu 330.000 Euro im Jahr verdient, die Regelungen zum Ruhegeld seien „sittenwidrig“. Das seien „so moralische Begriffe“, hält der Richter dagegen. Es geht auch um die Frage, ob der Verwaltungsrat den Verträgen und Sonderregelungen zu weiteren Zahlungen überhaupt zugestimmt hat – die der Verwaltungsratschef unterschrieb. Dem Richter kommt es aber vor allem auf diese Unterschriften an. Vertrag ist Vertrag.
Schadensersatzforderungen des RBB nennt er „Kleinigkeiten“. Es gehe etwa um Schäden an einem Dienstwagen, um Reparaturkosten in Höhe von 5696 Euro. Hätte sie die nicht selbst bezahlen müssen? Oder um Essen bei Schlesinger zu Hause, die sie über den Sender abgerechnet hat. Waren das private Treffen, nur weil einige Gäste hinterher den Eindruck gehabt haben, sie seien privat eingeladen gewesen? Zu Klage und Widerklage haben sich bereits jetzt etwa 5000 Seiten Akten angesammelt.
Der Richter fragt beide Seiten, ob sie das Ganze vom Tisch haben wollen. Oder soll „das ewig durch die Instanzen gezogen werden“? Es gibt eine Pause, Schlesinger und ihre Anwälte sitzen nach einer Viertelstunde wieder im Saal, die RBB-Anwälte brauchen länger. Als sie sich endlich einfinden, bietet Patricia Schlesinger über ihre Anwälte eine Einigung an.

Das ist das Angebot der ehemaligen Intendantin
Sie würde auf anderthalb Jahre Ruhegeld verzichten, erst ab Juli 2024 hätte sie das Geld gern rückwirkend. Nach einer komplizierten Anrechnung ihres Einkommens aus dem Jahr 2023 ergäbe sich ein Verzicht in Höhe von 306.460 Euro. Damit wären die Forderungen des RBB abgegolten, sagt ihr Anwalt. Das Angebot gelte nur, wenn es eine „Gesamtbeendigung“ des Rechtsstreits gebe.

