Die proeuropäische Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, hat sich in einer spannungsgeladenen Stichwahl, die von Moskauer Einmischungsvorwürfen überschattet wurde, gegen ihren Rivalen durchgesetzt. Laut vorläufigem Ergebnis erhielt Sandu 54,9 Prozent der Stimmen. Ihr Herausforderer Stoianoglu, der von den prorussischen Sozialisten unterstützt wird und den Sandu im vergangenen Jahr als Generalstaatsanwalt entlassen hatte, kam auf 45 Prozent.
„Moldau, du hast gesiegt!“, sagte Sandu nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses in der Nacht zum Montag. „Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit haben gewonnen.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte der 52-jährigen früheren Mitarbeiterin der Weltbank zu ihrem Wahlsieg. Sie freue sich darauf, gemeinsam mit Sandu „weiter für eine europäische Zukunft für Moldau und dessen Bewohner zu arbeiten“.
Die Wahl in dem kleinen Land, das zwischen der vom Krieg zerrissenen Ukraine und der Europäischen Union liegt, könnte darüber entscheiden, ob das ehemalige Sowjetland seinen proeuropäischen Kurs beibehält oder sich wieder dem Einfluss Russlands zuwendet.
Nach der ersten Wahlrunde hatte es Berichte über massive Wählerbeeinflussung gegeben. Sandu war vor zwei Wochen als Favoritin angetreten, mit einem Ergebnis von 42 Prozent der Stimmen verpasste sie jedoch die absolute Mehrheit. Stoianoglo schnitt mit 26 Prozent besser ab als erwartet. Auch an diesem Sonntag hätten die Behörden in Moldau Hinweise erhalten, die darauf schließen, dass Russland versucht habe, die Wahl zu beeinflussen.
Präsidentin Maia Sandu warnt vor Stimmenkauf
Staatschefin Sandu hatte am Wahltag vor Stimmenkauf und Betrug gewarnt. Die Polizei warnte die Menschen mit Lautsprecherdurchsagen in Supermärkten und per Handynachrichten davor, sich ihre Stimme abkaufen zu lassen. Laut Polizei gab es „massive“ Versuche, Wählerinnen und Wähler durch Telefonanrufe und E-Mails zu beeinflussen. Demnach wurden einige sogar mit dem Tode bedroht.
Regierungschef Dorin Recean sprach von einem „extremen Angriff (...), um Panik und Angst zu erzeugen, sodass die Menschen Angst davor haben, wählen zu gehen“. Sandu, die auf eine zweite Amtszeit hofft, rief das Land zur Einheit auf. Die Wähler sollten sich nicht ihre ehrliche Stimme nehmen lassen, sagte sie.
Nach Angaben der Behörden vom Sonntag gab es „Provokationen und Versuche der Destabilisierung“. Die Polizei teilte mit, sie ermittle wegen mutmaßlicher „organisierter Transporte“ von in Russland lebenden Moldauern nach Belarus, Aserbaidschan und in die Türkei, um dort die Teilnahme an der Stichwahl in Konsulaten oder Botschaften zu ermöglichen. Demnach gab es bei den Stimmabgaben im Ausland auch falsche Bombenalarme und Cyberattacken.
Here’s a video of a charter flight, originally posted by Russia’s @SputnikInt, showing an aircraft full of Moldovan passport-holders. The plane appears capable of carrying anywhere from 260 to 400 voters—clear evidence of large-scale, organised voter transportation. pic.twitter.com/7v4XZFgvy6
— Stanislav Secrieru (@StasSecrieru) November 3, 2024
Organisierte Russland Wählertransporte zu den Abstimmungen?
Der Polizei zufolge reisten moldauische Wähler aus Russland, Belarus, Aserbaidschan und der Türkei mit organisierten Flug- und Busreisen ins Land. Sandus nationaler Sicherheitsberater Stanislav Secrieru warf Russland massive Wahleinmischung vor. Das berge die große Gefahr, das Ergebnis zu verzerren, teilte er auf der Plattform X mit. Die Behörden seien alarmiert. In der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien, wo russische Truppen stationiert sind, gebe es organisierte Wählertransporte zu den Abstimmungen; das sei illegal, sagte er.
Der Vertraute von Amtsinhaberin Sandu, die im Fall eines Sieges weitere Reformen auf dem Weg in die EU durchsetzen will, veröffentlichte auch Berichte über organisierte Transporte von Russland aus mit Bussen und Charterflügen, die Wähler in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku, in die türkische Metropole Istanbul und in die belarussische Hauptstadt Minsk flögen.
Secrieru veröffentlichte zudem ein in sozialen Netzwerken kursierendes Video, auf dem Menschen angeblich ihre moldauischen Pässe in einem Flugzeug hochhalten und auf dem Weg nach Minsk sind. Zuvor hatte es Beschwerden gegeben, dass in Moskau nur zwei Wahllokale geöffnet wurden für die Stimmabgabe der in Russland lebenden Moldauer. Der Flug sei ein klarer Beweis von einem breit angelegten organisierten Wählertransport, sagte Secrieru.
Maia Sandu spricht von „noch nie dagewesenen Angriff auf die Freiheit“
Sandu hatte nach der ersten Wahlrunde, bei der gleichzeitig ein Referendum über den EU-Beitritt des Landes abgehalten wurde, von einem „noch nie dagewesenen Angriff auf die Freiheit und Demokratie in unserem Land“ gesprochen und damit auf mutmaßliche russische Wahleinmischungen abgezielt. Sie hatte Moskau bereits zuvor wiederholt beschuldigt, sich politisch in dem an die Ukraine grenzende Moldau einzumischen.


