Koalitionskrise

„Sehr entscheidender Tag“: Platzt heute die Ampel?

Am Mittwochabend treffen sich die Spitzen der Koalition erneut im Kanzleramt, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Endet die Ampelregierung heute?

Showdown im Kanzleramt: Platzt heute die Ampel?
Showdown im Kanzleramt: Platzt heute die Ampel?Kay Nietfeld/dpa

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sind am Mittwochmorgen im Berliner Kanzleramt eingetroffen, um mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) über die Wirtschafts- und Haushaltspolitik zu beraten. Die Dreierrunde hatte sich bereits am Montag und Dienstag getroffen.

Konkret müssen vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 noch Lücken geschlossen werden. Seit Tagen lädt Scholz zu Treffen in kleinen Runden, in denen es um die Zukunft der Koalition geht. Am Abend tritt mit dem Koalitionsausschuss dann eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören.

Die FDP drängt ihre Koalitionspartner massiv zu einer Kursänderung in der Wirtschaftspolitik und fordert konkrete Beschlüsse von der Sitzung des Koalitionsausschusses. Sollte sie sich mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen können, dürfte sich die Frage nach einem Ausscheiden der Liberalen aus der Koalition stellen. FDP-Chef Lindner hatte seine Vorstellungen vergangene Woche in einem wirtschaftspolitischen Grundsatzpapier formuliert. Bei SPD und Grünen stießen sie auf Ablehnung.

Bundestag debattiert über Wirtschaftspolitik der Ampelregierung

Am Mittwochmittag befasst sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Die Union dürfte die von ihr beantragte Debatte zur Abrechnung mit dem wirtschaftspolitischen Kurs der Ampelregierung nutzen. 

In der Regierungsbefragung stellen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) den Fragen der Abgeordneten. Weitere Themen sind ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Stärkung der Herzgesundheit und ein Antrag der Union zur Gesundheitspolitik. In einem weiteren Antrag der Union geht es um die Klimapolitik.

Klingbeil: „Heute sehr entscheidender Tag für die Ampel“

SPD-Chef Lars Klingbeil erwartet vom Koalitionsausschuss am Mittwochabend eine Entscheidung über den Fortbestand der Ampelkoalition. „Heute wird ein sehr entscheidender Tag“, sagte Klingbeil am Mittwoch im Deutschlandfunk. Er wünsche sich, dass alle drei Koalitionspartner jetzt parteitaktische Überlegungen über Bord werfen.

Klingbeil sagte mit Blick auf den Sieg von Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl in den USA, auf Berlin komme jetzt mehr Verantwortung zu. So müsse Deutschland auch mehr Verantwortung für die Ukraine übernehmen – mit den damit verbundenen Ausgaben. Gleichzeitig seien aber auch Ausgaben etwa für die Rentenpläne der Ampel nötig.

„Es muss alles möglich sein“, forderte Klingbeil. Sollte dies mit der Ampel nicht machbar sein, müsse es nach der nächsten Bundestagswahl ermöglicht werden. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir spätestens nach der nächsten Bundestagswahl eine andere Finanzpolitik brauchen.“

„Die Welt ist schon eine andere, wenn Donald Trump zurückkehrt“, sagte Klingbeil. Es sei „eine herausfordernde Situation“. Es sei nun eine eigenständige europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik nötig. „Da müssen wir in großen Schritten vorankommen.“ Auch bei der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende für die Bundeswehr seien nun schnellere Fortschritte notwendig. Außerdem sei Deutschland wirtschaftspolitisch gefordert. Es müsse jetzt die eigene Industrie gestärkt werden.

Grüne Mihalic: Bundesregierung steht „Spitz auf Knopf“

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, machte unterdessen dem Koalitionspartner FDP schwere Vorhaltungen. Die Bundesregierung stehe mal wieder „Spitz auf Knopf“, sagte sie. Angesichts des Wahlsiegs von Donald Trump in den USA komme es auf den europäischen Zusammenhalt und auf Deutschland als Stabilitätsanker an.

Es sei nicht akzeptabel, dass insbesondere sich ein Koalitionspartner nicht zur gemeinsamen Krisenbewältigung bereit zeige, sagte Mihalic mit Blick auf die FDP. „Der Finanzminister hat sich komplett verrechnet.“ Lindner habe die zu erwartenden Steuereinnahmen überschätzt und beherrsche offenbar „die Grundlagen der Mathematik“ nicht richtig. Mihalic bezeichnete die Haushaltslücke mehrfach als „Lindner-Lücke“. „Aufgrund seiner Fehlkalkulation sind wir mit einer riesigen Lücke im Haushalt konfrontiert.“ Sein Papier mit Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik vergrößere die Lücke nur noch.

Die Steuerschätzung geht allerdings auf den Arbeitskreis Steuerschätzung zurück. In dem Gremium sitzen Experten der Bundesregierung, der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sowie Vertreter der Länderfinanzministerien und der Kommunen. Mihalic beharrte darauf, dass aber Lindner als Minister die Verantwortung trage.

Habeck mahnt Koalition nach Trump-Wahl zu Einigkeit

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht die Koalition nach dem Wahlsieg von Donald Trump in der Pflicht, ihre internen Streitigkeiten beizulegen. Die Rückkehr Trumps an die Macht bedeute für Deutschland, „dass die Regierung absolut handlungsfähig sein muss“, sagte er. Das Wahlergebnis werde auch der EU als Ganzes große Einigkeit abverlangen – wobei Deutschland hier eine wichtige Rolle spiele. „Die Konsequenz des Wahlergebnisses kann ja nur sein, dass Deutschland in Europa nicht ausfällt.“

Habeck sagte in Bezug auf die koalitionsinternen Gespräche, diese seien „von einer großen Ernsthaftigkeit geprägt“. Ziel müsse sein, dass die unterschiedlichen Vorstellungen in der Koalition „in eine Handlungssicherheit überführt werden“, sagte der Vizekanzler. In diesem Geist würden die Gespräche „in den kommenden Stunden hoffentlich“ weitergeführt.