In Berlin fehlen immer mehr Sozialwohnungen. Der Berliner Mieterverein hat sich deshalb das Wiener-Modell angesehen. „Wien ist oft ein Vorbild für Berlin, gerade im Hinblick auf den Wohnungsbau“, sagte die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Ulrike Hamann, der Deutschen Presse-Agentur. Die österreichische Hauptstadt habe einen großen Sektor, der gemeinwohlorientiert ist. „Das fehlt uns in Berlin“, sagte sie.
Etwa die Hälfte der Wiener Bevölkerung lebt in sogenannten Gemeindebauten und Genossenschaftswohnungen, sagte Christian Schantl von der kommunalen Hausverwaltung Wiener Wohnen auf Anfrage. Insgesamt gebe es in der österreichischen Millionenstadt 220.000 Gemeindewohnungen, die der Stadt gehören. Dazu kommen 200.000 Wohnungen, die von gemeinnützigen Genossenschaften verwaltet werden. „Das wird man wahrscheinlich in anderen Städten in der Größenordnung nicht finden“, betonte Schantl.
Nach Angaben der Stadt Wien wurden 2022 insgesamt mehr als 950.000 Wohnungen bewohnt. Etwa 5000 bis 7000 Wohnungen werden laut Schantl jährlich in den beiden kommunalen Segmenten gebaut. In Berlin wurden seit 2014 im geförderten Bereich lediglich rund 21.500 Neubau-Wohnungen bewilligt, teilte Bausenator Christian Gaebler (SPD) auf dpa-Anfrage mit. Mehr als 12.000 Wohnungen seien bezugsfertig.
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Mieterverein: Berliner Wohnungen fallen nach einiger Zeit aus Sozialbindung
Der Berliner Mieterverein schaue oft mit „großem Staunen“ nach Wien, sagte Hamann vom Mieterverein. In Berlin gebe es im gemeinnützigen Bereich „zu wenige Wohnungen, wir müssen viel mehr bauen“. „Momentan wird vor allem im hochpreisigen Segment gebaut und im unteren Segment viel zu wenig.“
Als „Kapitalfehler“ bezeichnet Hamann die zeitlich begrenzte sogenannte Sozialbindung. In Deutschland fallen kommunale Wohnungen nach einer gewissen Zeit aus der Sozialbindung und können zu marktüblichen Konditionen vermietet werden. In Wien gebe es diese Regelung nicht, sagte Schantl.
„Die drängendste „Baustelle“ im Land Berlin ist der Rückgang des Sozialmietwohnungsbestandes“, betonte Bausenator Gaebler. Seit 2010 sei der Bestand an Sozialmietwohnungen von mehr als 150.000 auf 90.654 Wohnungen zurückgegangen. „Diesen Verlust müssen wir kompensieren.“ Seit 2014 habe das Land Berlin rund 2,3 Milliarden Euro in entsprechende Bewilligungen investiert.
Wiener Modell nicht einfach übertragbar: Berlin hat viele Grundstücke verkauft
Das Wiener Modell könne jedoch nicht einfach auf Berlin übertragen werden, betonte Schantl. Dem sozialen Wohnbau gehe eine jahrzehntelange Historie voraus. „Wir haben einfach eine völlig andere historische Entwicklung hinter uns. Wir haben einige Fehler Gott sei Dank nicht gemacht.“ In Berlin seien in den letzten Jahrzehnten immer mehr Baugrund und Wohnungen verkauft und privatisiert worden, sind sich Hamann und Schantl einig. Wien habe schon Anfang des letzten Jahrhunderts „Boden angekauft und in städtischen Besitz gebracht“, so Hamann.
Wien habe Maßnahmen, um die gestiegenen Immobilien- und Grundstückspreise zu dämpfen. So könne die Wiener Stadtverwaltung „gewisse Areale der Stadt für den geförderten Wohnbau zu reservieren und zu blockieren“sagte Schantl. Das könne sich Berlin abschauen. Wird auf diesen Arealen gebaut, müssen zwei Drittel unter die Richtlinien des geförderten Wohnbaus fallen.


