Migration

„Schwerwiegendes Verhalten“: Rom empört über deutsche Finanzhilfe für Seenotretter

Die Bundesregierung plant, Projekte im Rahmen der Seenotrettung zu finanzieren. In Italien ist man darüber empört. Die Töne werden härter: „Ist das die Antwort auf unseren Hilferuf?“

Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto (l.) mit Premierministerin Giorgia Meloni
Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto (l.) mit Premierministerin Giorgia MeloniMassimo di Vita/imago

Der italienische Verteidigungsminister, Guido Crosetto, hat die deutsche Finanzhilfe für Organisationen, die sich in Italien um die Seenotrettung von Bootsmigranten kümmern, scharf kritisiert.

In einem Interview mit der Zeitung La Stampa sprach er von einem „sehr schwerwiegenden“ Verhalten durch Deutschland. „Berlin tut so, als ob es nicht wüsste, dass es damit ein Land in Schwierigkeiten bringt, mit dem es theoretisch befreundet ist.“

Crosetto reagierte mit diesen Worten auf einen Hinweis des Auswärtigen Amtes, wonach die Bundesregierung dabei sei, einen Beschluss des Bundestags umzusetzen, der die Finanzierung von zwei Projekten vorsieht. Die ersten Zahlungen an zwei Organisationen, jeweils für ein Landversorgungsprojekt und eines zur Rettung auf See, stehen kurz bevor, wie dpa am Montag berichtet. Die Förderung liegt jeweils zwischen 400.000 und 800.000 Euro. Eine der Organisationen ist die SOS Humanity.

„Das ist die Antwort auf unseren Hilferuf?“, echauffierte sich Crosetto, „Wir haben uns nicht so verhalten, als Angela Merkel die EU davon überzeugte, Milliarden von Euro in die Türkei zu investieren, um die Ankunft von Migranten aus dem Nahen Osten in Deutschland zu verhindern“, so der Minister, der gleichzeitig klarstellte, dass er keinen „europäischen Plan“ gegen die italienische Regierung sehe.

Über eine „linke Strategie“ gegen Italien hatte Premierministerin Giorgia Meloni vor einigen Tagen gesprochen, kurz nachdem sie gemeinsam mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Insel Lampedusa besucht hatte. Verkehrsminister Matteo Salvini hatte bereits zuvor die jüngste Migrantenwelle auf Lampedusa als einen „Akt des Kriegs“ bezeichnet. Der italienische Verteidigungsminister sprach stattdessen vom „ideologischen Ansatz einer gewissen Linken, die die Folgen ihrer Theorien für die Menschen nicht berücksichtigt“. 

Außenminister Antonio Tajani: „Seltsame Entscheidung seitens Berlin“

„Wenn Deutschland das Schicksal der Menschen in Not am Herzen läge und wirklich helfen wollte, Leben zu retten“, so Crosetto weiter, „könnte es dabei helfen, die kriminellen Menschenhändler ernsthaft zu bekämpfen und den militärischen sowie zivilen Institutionen und Einrichtungen in Italien unter die Arme greifen. Darüber würden wir uns freuen.“

Auch Außenminister Antonio Tajani sprach von einer „seltsamen Haltung“ seitens Berlins. Bezug nehmend auf die Entscheidung der Bundesregierung, die Migrantenaufnahme aus Italien zu stoppen, sagte er: „Wollen Sie, dass die Migranten nach Italien kommen und dann nicht nach Deutschland gehen?“

Das Thema Migration wird in Italien derzeit viel diskutiert. Giorgia Meloni, die bald ein Jahr an der Macht ist, hatte im Wahlkampf angekündigt, die Zahl der in Italien ankommenden Bootsmigranten zu reduzieren. Stattdessen wurden seit Beginn des Jahres mehr als 130.000 Bootsflüchtlinge registriert, doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2022. Allein auf Lampedusa kamen innerhalb nur weniger Tage Tausende an und brachten die kleine Insel erneut an den Rand des Kollapses.

Erst in der vergangenen Woche hatte die italienische Regierung angekündigt, härter gegen Flüchtlinge durchzugreifen und beschloss zwei Maßnahmen. Die erste betrifft das Höchstmaß der Haftdauer bei Abschiebungen, das nun auf 18 Monate angehoben wurde; die zweite sieht den Bau von „Rückführungszentren“ vor, um irregulär eingereiste Migranten festzusetzen. Ob der Plan kurzfristig realisiert werden kann, bleibt offen. Einige Regionalpräsidenten haben bereits angekündigt, dass sie solche Zentren, deren rechtlicher Status ungeklärt sei, nicht in ihren Regionen errichten werden.