Indien

G20-Gipfel in Neu Delhi: Länder einigen sich mit Russland auf Abschlusserklärung

Das Gipfeltreffen begann mit einer großen Ankündigung: Die G20 wird zur G21. Auch einigten sich die Länder auf einen Kompromiss-Text zum Krieg in der Ukraine.

Indiens Premierminister Narendra Modi empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Neu Delhi.
Indiens Premierminister Narendra Modi empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Neu Delhi.Kay Nietfeld/dpa

Trotz großer Meinungsunterschiede zum Krieg in der Ukraine haben sich die Teilnehmer des G20-Gipfels in der indischen Hauptstadt Neu Delhi auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. 

Die Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Gipfeltreffen den „Einsatz von Gewalt“ zur Erzielung von „Geländegewinnen“ in der Ukraine verurteilt. Das geht aus dem am Samstag veröffentlichten Text der gemeinsamen Gipfelerklärung hervor. Die russische Aggression gegen die Ukraine wird in dem Text allerdings nicht beim Namen genannt. 

Moskau erreichte demnach, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mehr wie noch im Vorjahr explizit verurteilt wird. Stattdessen wird nun nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen.

Der Westen handelte hingegen eine Formulierung heraus, nach der alle Staaten von Angriffen auf die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit anderer Staaten Abstand nehmen müssen. Zudem werden zumindest indirekt wieder die Atomwaffendrohungen Russlands kritisiert. „Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig“, heißt es in dem Text. Er wurde von Indien gemeinsam mit Südafrika, Brasilien und Indonesien vorgeschlagen.

Besonders wichtig dürfte für Moskau sein, dass in dem Text auch auf russische Forderungen nach einer Lockerung der westlichen Sanktionen eingegangen wird. So heißt es dort, man rufe dazu auf, die „unverzügliche und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln/Zusätzen von der Russischen Föderation und der Ukraine“ zu gewährleisten. Dies sei notwendig, um den Bedarf in Entwicklungsländern, besonders denen in Afrika zu befriedigen.

Künftig G21: Afrikanische Union wird ständiges Mitglied

Die Afrikanische Union wird nach Angaben von Indiens Premierminister Narendra Modi als Mitglied in die G20 aufgenommen. Zum Auftakt des Gipfels sagte Modi, darauf habe sich die Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer verständigt.

„Indien hat den Vorschlag gemacht, der Afrikanischen Union permanente Mitgliedschaft in den G20 zu geben“, sagte Modi. „Ich glaube, dass wir die Zustimmung aller dafür haben“, fuhr er fort. Die Erweiterung der G20 ist ein diplomatischer Sieg für Modi, der den Gipfel nutzt, um sich vor den Wahlen in Indien kommendes Jahr als internationaler Staatsmann zu präsentieren.

Scholz trug nach seinem Jogging-Unfall weiterhin eine Augenklappe. Er war gegen 8 Uhr Ortszeit im Regierungs-Airbus „Konrad Adenauer“ gelandet. Der Kanzler wird von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) begleitet.

Bundeskanzler Olaf Scholz beim G20-Treffen
Bundeskanzler Olaf Scholz beim G20-TreffenLudovic Marin

Die G20 erklärten in dem Text zudem ihre Unterstützung für „Bemühungen zur Verdreifachung der weltweiten Kapazität für erneuerbare Energien“. „Wir verpflichten uns, dringend unser Handeln in der Bewältigung ökologischer Krisen und Herausforderungen zu beschleunigen, einschließlich des Klimawandels“, hieß es weiter. Ein Ende der Nutzung fossiler Energien wird in der Erklärung nicht gefordert.

EU und USA starten mit Partnern riesiges Schiffs- und Zugprojekt

Die Europäische Union, die USA und weitere Partner haben ein riesiges Schienen- und Schifffahrtsprojekt gestartet. Es soll Europa, den Nahen Osten und Indien besser miteinander verbinden, wie die Beteiligten am Samstag ebenfalls beim G20-Gipfel in Neu Delhi ankündigten. „Das ist nichts anderes als historisch“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie sprach von der bisher direktesten Verbindung zwischen Indien, dem Persischen Golf und Europa - mit einer Eisenbahnverbindung, die den Handel zwischen Indien und Europa um 40 Prozent beschleunige. Das Vorhaben gilt auch als Antwort auf Chinas Initiative für eine „Neue Seidenstraße“.

US-Präsident Joe Biden sprach von einem „historischen Wirtschaftskorridor“. Die Vereinigten Staaten, Indien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Europäische Union haben sich demnach auf eine entsprechende Absichtserklärung verständigt. Das Nachrichtenportal Axios hatte zuvor berichtet, dass es sich um eine der „wichtigsten Initiativen“ Washingtons handle, die darauf abziele, Chinas Einfluss im Nahen Osten einzudämmen.

Sergej Lawrow vertritt Wladimir Putin beim G20-Gipfel in Indien

In Vertretung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin kam Außenminister Sergej Lawrow zum Gipfel, der bei der Begrüßung kurz ins Stolpern geriet. Chinas Staatschef Xi Jinping lässt sich von Ministerpräsident Li Qiangsich vertreten.

Wegen Streits über eine klare Verurteilung des russischen Angriffskriegs war zunächst offen, ob die Staaten sich wie üblich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen würden. Der Westen sieht sich in den Verhandlungen einer Allianz aus China und Russland gegenüber.

Zur G20-Runde Gruppe gehören die Europäische Union und 19 der stärksten Volkswirtschaften der Welt.