Die Linke hat nach den Worten ihres ehemaligen Fraktionschefs Gregor Gysi nach der Fusion der damaligen PDS mit der westdeutschen WASG 2007 ihren „Ost-Nimbus“ verloren. „Von da an wurde der Osten von der Linken vernachlässigt“, sagte Gysi dem Portal Web.de. „Persönlich werfe ich mir vor, dass ich nicht hartnäckiger darauf hingewiesen habe.“
Heute sieht der Bundestagsabgeordnete seine Partei in großer Gefahr: „Die Linke ist in einer existenziellen Krise“, sagte Gysi. Wichtig sei, dass daraus Konsequenzen gezogen würden. „Sollte Sahra Wagenknecht tatsächlich eine neue Partei gründen, müssen wir entschieden auftreten – und uns auf unsere Kernthemen konzentrieren.“
Gregor Gysi: „Olaf Scholz verharmlost die AfD“
Gysi wurde im Interview gefragt, ob er glaube, das Gefühl, abgehängt zu sein, sei der Grund für so viel rechtsextremes Gedankengut in Ostdeutschland. Gysi wies darauf hin, dass „rechtspopulistische Parteien immer mehr Zustimmung bekommen“. Das sei gerade weltweit zu beobachten. „Trump in den USA, Orban in Ungarn, Erdogan in der Türkei, Le Pen in Frankreich oder Meloni in Italien – die Menschen haben Angst vor der Globalisierung, und die rechtsextremen Parteien tun so, als ob sie alles durch Nationalismus gelöst bekämen.“
Das sei auch der Grund, warum die AfD gerade so erfolgreich ist. „Die AfD tut so, als ob sie ausgegrenzt wird“, sagte Gysi. Für Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, passe das gut. „Also wählen sie eine scheinbar ausgegrenzte Partei – was nicht stimmt.“ Die AfD sei viel präsenter als die Linke, da die Partei ständig in den Medien und in allen Ausschüssen sei, und „sie hat viel längere Redezeiten als die Linke im Bundestag, weil sie mehr Sitze hat. Trotzdem bedient sie stets das Bild des Ausgegrenzten.“ Dazu komme, dass die Ampelkoalition derzeit überfordert sei. „Dadurch gewinnt die AfD noch mehr Leute.“
Bundeskanzler Olaf Scholz warf Gysi vor, er verharmlose die AfD als „Schlechte-Laune-Partei“. „Herr Scholz muss sich fragen, warum die AfD so viel Zulauf bekommt“, so Gysi. Die Linke hingegen solle sich wieder auf fünf Punkte konzentrieren: „Auf eine reale Friedenspolitik, eine soziale und Steuergerechtigkeit, auf ökologische Nachhaltigkeit in sozialer Verantwortung, auf die Gleichstellung von Frau und Mann und von Ost und West.“ Der letzte Punkt sei in der DDR eher gelungen als heute: „Wir waren in der Gleichstellung der Geschlechter weiter als die Bundesrepublik“, sagte Gysi.



