Die Nato-Verteidigungsminister haben bei ihrem Treffen in Brüssel am Donnerstag neue Fähigkeitsziele für die Mitgliedsländer beschlossen. Der Schritt bedeutet nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Verhandlungskreise eine enorme Aufrüstung für die europäischen Länder. Die alle vier Jahre festgelegten Fähigkeitsziele enthalten Vorgaben, wie die Verbündeten ihre Streitkräfte weiterentwickeln sollen, um ihre Aufgaben innerhalb der Allianz zu erfüllen. Schwerpunkte sind dabei die Luft- und Raketenabwehr, Langstreckenwaffen sowie Logistik.
Im Detail besteht das Aufrüstungsprogramm aus neuen Zielvorgaben für militärische Fähigkeiten. Mit ihnen bekommen die einzelnen Alliierten genau vorgegeben, was sie künftig zur gemeinsamen Abschreckung und Verteidigung beitragen müssen. Die notwendigen Fähigkeiten wurden auf der Grundlage neuer Verteidigungspläne ermittelt. Diese tragen auch der Einschätzung von Geheimdiensten Rechnung, dass Russland trotz des noch laufenden Angriffskriegs gegen die Ukraine bereits in wenigen Jahren bereit für einen Krieg gegen einen Nato-Staat sein könnte.
Die Details der Vorgaben sind streng geheim. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden die bisher gültigen Vorgaben für die militärischen Fähigkeiten allerdings um etwa 30 Prozent erhöht. Angesichts der Bedrohung durch Russland hatte Nato-Generalsekretär Mark Rutte von „ehrgeizigen“ Zielen gesprochen, die einen „gewaltigen Sprung vorwärts“ bedeuteten.
Donald Trump fordert 5-Prozent-Quote für Verteidigung von Nato-Partnern
Aus den aktuellen Defiziten und den neuen Planungszielen leitet sich auch die geplante neue Vorgabe für die Verteidigungsausgaben ab. So sollen sich alle Nato-Mitglieder beim Gipfeltreffen Ende des Monats verpflichten, künftig mindestens einen Betrag in Höhe von 3,5 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung zu investieren. Hinzu könnten dann noch einmal 1,5 Prozent des BIP für verteidigungsrelevante Ausgaben – beispielsweise für Infrastruktur – kommen, sodass am Ende die von US-Präsident Donald Trump geforderte Quote von fünf Prozent erreicht wird.
In Deutschland soll der Anteil der Verteidigungsausgaben an der deutschen Wirtschaftsleistung in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren um 0,2 Prozentpunkte pro Jahr steigen. Von den 2,1 Prozent im vergangenen Jahr gerechnet könnte dann bis 2032 eine Quote von 3,5 Prozent erreicht werden. Laut Kanzler Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr ein Plus von 45 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben bedeuten.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach am Rande des Treffens von einem „Kraftakt“. Deutschland werde in den kommenden Jahren neue Großverbände bilden und „voll ausstatten“. Er hatte am Morgen angekündigt, dass Deutschland 60.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten brauche.
Die Verteidigungsminister bereiten bei ihrem Treffen in Brüssel den Nato-Gipfel Ende des Monats in Den Haag vor. Dabei steht die Erhöhung der Verteidigungsausgaben europäischer Mitgliedsstaaten im Fokus.


