Berlin-Dahlem

FU Berlin besetzt: 79 Festnahmen bei Pro-Palästina-Protest, Polizei zieht Bilanz

Studenten besetzten am Dienstag die FU Berlin in Dahlem. Sie riefen „Genozid“ und „Fuck Israel“. Der Lehrbetrieb wurde eingestellt. Es folgte ein Großeinsatz der Polizei.

Polizisten ziehen auf dem Theaterhof der Freien Universität Berlin einen Demonstranten weg. 
Polizisten ziehen auf dem Theaterhof der Freien Universität Berlin einen Demonstranten weg. Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Studenten der Freien Universität Berlin in Dahlem haben am Dienstag erneut gegen den durch den Hamas-Großangriff auf Südisrael am 7. Oktober ausgelösten Krieg im Gazastreifen protestiert. Bis zu 200 propalästinensische Demonstranten besetzten auf dem Gelände den Theaterhof und ein Gebäude. Die FU stellte den Betrieb ein. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, wurde bei der Räumung des Campus 79 Protestler vorläufig festgenommen, davon 49 Frauen und 30 Männer.

Viele der Besetzer trugen unter anderem Palästina-Tücher, hielten Transparente hoch und skandierten pro-palästinensische Sprechchöre. Zeitgleich bauten Demonstranten im Hof ein Protestcamp mit mehreren Zelten und Pavillons auf. Kurz nach 12 Uhr befanden sich laut Polizei rund 150 Personen auf dem Gelände und weitere etwa 50 Personen in Gebäuden der Universität sowie im angrenzenden Umfeld. 20 Minuten später legte die Polizei ein Räumungsbegehren und einen Strafantrag vor, woraufhin die Versammlung von zahlreichen Einsatzkräften der Polizei aufgelöst wurde.

Der Einsatz dauerte bis 17.45 Uhr. Es wurden insgesamt 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

Was war passiert? Die protestierenden Studenten hatten bei Ankunft der Polizei eine Menschenkette gebildet. Sprechchöre wie „Bullenschweine raus aus der Uni“ und „Fuck Israel“ sowie „from the river to the sea“ waren zu hören. Israel wurde als Kolonialmacht verhöhnt. Parolen wie „Viva, viva, Palästina!“ wurden gerufen. Auf Plakaten wurde zum Streik als Form des Widerstands aufgerufen. Polizeisprecher Michael Gassen sagte, es seien auch verbotene Parolen gerufen worden.

Die Polizei begann daraufhin mit der Auflösung des Zeltcamps und nahm einige Demonstranten vorläufig fest. Videos zeigten, wie die Beamten Personen aus dem Innern des Gebäudes sowie vom Theaterhof abführten. Anschließend wurden die Demonstranten weggetragen, die nicht freiwillig gehen wollten.

Guten Morgen, Berlin Newsletter
Vielen Dank für Ihre Anmeldung.
Sie erhalten eine Bestätigung per E-Mail.

Gegendemonstranten kamen mit Israel-Fahnen

Etwa eine Stunde später ertönte der Feueralarm auf dem Campus. Der Grund: Polizisten seien in einem Gebäude mit Pfefferspray angegriffen worden. Währenddessen wurde im Internet zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Menschen sollten mit Israel-Fahnen in den Theaterhof kommen, hieß es in dem Aufruf. Der Hof wurde allerdings von der Polizei abgeriegelt. Nach und nach wurden auch die letzten propalästinensischen Protestler, die im Theaterhof saßen, von Polizisten abgeführt und weggetragen. Auch andere, die in einem Gebäude mit Fäusten und Handflächen gegen die Fenster schlugen und Schilder zeigten, wurden nach draußen gebracht. 

Daraufhin formierte sich vor dem FU-Gelände ein neuer Protest. Rund 150 propalästinensische Protestler standen vor dem Eingang zum Campus. Viele von ihnen waren zuvor festgenommen und nach Aufnahme ihrer Personalien wieder freigelassen worden. Ihnen gegenüber standen rund 60 Gegendemonstranten mit Israel-Flaggen. Die Stimmung war aufgeheizt, aber beide Lager gingen sich nicht an. Einsatzkräfte trennten die beiden Kundgebungen voneinander. Es kam es zu Rangeleien mit der Polizei. Es ertönen Rufe wie: „deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten“.

Es gab weitere Festnahmen. Der Polizei Berlin wird der Vorwurf von den Aktivisten gemacht, rabiat gegen Demonstranten vorgegangen zu sein. Demonstranten sollen gegen Autos gedrückt oder rabiat weggetragen worden sein.  Nach einem Gespräch mit den Beamten beendete der Anmelder schließlich die Demonstration.

Gewerkschaft der Polizei verurteilt propagierten Israelhass

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin verurteilte das Verhalten der propalästinensischen Demonstranten. „Es ist eine Schande, wenn an Universitäten als Orten der zukünftigen wissenschaftlichen Elite, Israelhass propagiert und rechtsstaatliche Institutionen diffamiert werden“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Jeder könne seine Stimme gegen kriegerische Aktivitäten erheben und entschieden für Frieden eintreten, „aber für Terrorverherrlichung darf auch an Unis kein Platz sein“. Dieses Protestcamp mache deutlich, dass in Deutschland mehr über politische Bildung geredet werden müsse, so Jendro. „Wer Israel das Existenzrecht abspricht, hat unseren demokratischen Konsens nicht verstanden.“

Nach der Besetzung des FU-Hofs durch die propalästinensischen Aktivisten hatte die Hochschule ihren Lehrbetrieb teilweise eingestellt. „Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet. Eine Besetzung ist auf dem Gelände der FU Berlin nicht akzeptabel. Wir stehen für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung – aber nicht auf diese Weise“, erklärte Universitätspräsident Günter Ziegler in einer Mitteilung.

Der innenpolitische Sprecher der Berliner SPD, Martin Matz, lobte das Vorgehen der FU Berlin. Die Universitätsleitung habe unmittelbar reagiert. Um ihr Hausrecht durchzusetzen, hatte sie schnell die Polizei um Hilfe und Räumung ersucht. „Das ist die richtige Reaktion. An US-Universitäten haben wir inzwischen gesehen, was sonst passiert. Das Protestcamp war offenkundig nicht auf Dialog ausgerichtet“, so Matz. 

Der Sprecher für Wissenschaft und Forschung der AfD-Hauptstadtfraktion, Martin Trefzer, sagte: „Die antisemitische Agitation an der FU heute und an der HU vor vier Tagen hat deutlich gemacht, dass den antisemitischen Umtrieben an unseren Hochschulen nur mit entschlossenem Handeln begegnet werden kann.“ Er gab Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) eine Mitschuld daran, dass es zu einer Eskalation an den Berliner Hochschulen gekommen sei. Sie habe die jüngsten Vorkommnisse an den Bildungseinrichtungen verharmlost, so Trefzer.

Nach Informationen der Berliner Zeitung wurde der Protest von der Gruppe „Students for Palestine FU Berlin“ organisiert. Die Gruppe wirft Israel einen „Genozid“ in Gaza vor und kooperiert mit anderen studentischen propalästinensischen Gruppen, auch solchen, die jüngst an der Humboldt-Uni am vergangenen Freitag in Erscheinung getreten waren. Beim Protest mit bis zu 300 Menschen kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch am Freitag kam es zu Festnahmen.