Der frühere SPD-Vorsitzende und brandenburgische Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck hat seine Moskau-Reisen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine verteidigt. Nach gemeinsamen Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, des Spiegel und der russischen Oppositionsplattform The Insider war er seit Februar 2022 mindestens in neun Fällen zu Gesprächen in die russische Hauptstadt gereist.
„Mich bewegen Fragestellungen und Probleme, die derzeit viele Menschen, nicht nur in unserem Land, umtreiben und beschäftigen: Wie kann dieser grausame Krieg enden, wie soll die Welt danach aussehen?“, sagte Platzeck am Samstag dem Tagesspiegel. „Sind massive Aufrüstung und Sicherheit gegen Russland das wirklich allein tragfähige Konzept für unsere Zukunft? Hat der Ansatz ‚Wandel durch Annäherung‘ wirklich für alle Zeiten ausgedient?“, fügte er hinzu.
Platzeck: „Zum Thema Gaswirtschaft und Nordstream habe ich mit niemandem geredet“
Details zu den Reisen und Gesprächspartnern auf russischer Seite nannte Platzeck nicht. Er handele als Privatperson, „ohne irgendeinen Auftrag, ohne eine Funktion“, sagte er. Vermutungen, dass es bei seinen Kontakten auch um die Gaswirtschaft oder die Reaktivierung der Nordstream-Pipeline gehen könnte, wies Platzeck aber zurück. „Zum Thema Gaswirtschaft und Nordstream habe ich mit niemandem geredet, weder in Russland, noch sonstwo“, sagte er. Es gehe ihm nicht um wirtschaftliche Interessen.
Platzeck verwies auf die Bedeutung einer „aktiven Diplomatie auf vielen Ebenen und in vielen Spielarten“ sowie „Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle“. Er habe dazu selbst „mehr Fragen als Antworten, aber darüber eine Diskussion zu führen, ohne gleich mit Verdächtigungen und Unterstellungen oder gar dem Holzhammer zu arbeiten, würde unserer Gesellschaft und dem Zusammenhalt guttun“, sagte Platzeck.
Reisen mit Ralf Stegner nach Baku
Bei einigen der Flüge wurde Platzeck den Recherchen von FAS, Spiegel und The Insider zufolge von dem früheren Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) begleitet. Drei gemeinsamen Reisen in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku zu vertraulichen Gesprächen mit russischen Gesprächspartnern hatten Platzeck und Pofalla schon im Mai öffentlich bestätigt.
Unter den Teilnehmenden in Baku war auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner, der zuletzt wegen eines verteidigungspolitisches Manifest in den Fokus der Öffentlich gerückt war. Darin hatten Stegner und weitere prominente SPD-Politiker mehr Dialog mit Russland gefordert hatten. Nach Stegner Angaben war beim bislang letzten dieser Treffen in Baku im April auch der Aufsichtsratsvorsitzende des russischen Staatskonzerns Gazprom, Viktor Subkow, anwesend.
Bei seinen Reisen nach Moskau soll Platzeck außerdem von dem geschäftsführenden Vorstand des Deutsch-Russischen Forums, Martin Hoffmann, begleitet worden sein. Platzeck hatte das Deutsch-Russische Forum selbst von 2014 bis 2022 geleitet und war 2022 infolge des russischen Angriffskrieges zurückgetreten.
Platzeck war in der Vergangenheit für seine Aussagen bezüglich der Ukraine immer wieder in die Kritik geraten. So sagte er zur völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014: „Die Annexion der Krim muss nachträglich völkerrechtlich geregelt werden, so dass sie für alle hinnehmbar ist“. Nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 bekannte sich Platzeck zu Ukraine. „Ich glaube, wenn ein Land von einem anderen überfallen wird, dann kann man dieses Land nicht alleine stehen und letztlich untergehen lassen“, sagte er 2023.



