Im Bundestag findet am Mittwochmorgen die Generaldebatte anlässlich der Aussprache über den Etat des Kanzleramts statt. Traditionell liefern sich dabei Regierung und Opposition einen Schlagabtausch. Im Mittelpunkt der dreieinhalbstündigen Debatte mit Kanzler Friedrich Merz (CDU) dürfte eine Bilanz der ersten neun Wochen der schwarz-roten Regierung stehen. Merz steht den Abgeordneten danach in einer Regierungsbefragung Rede und Antwort.
Die schwarz-rote Regierung hatte am Dienstag ihren ersten Haushaltsentwurf ins Parlament eingebracht. Er sieht für 2025 und in den Folgejahren massive Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung, aber auch eine Rekordverschuldung vor.
Kanzler Merz sah derweil seinen Angaben zufolge deutliche Impulse für mehr Wachstum durch die schwarz-rote Koalition. Mit dem Haushalt 2026 werde man den Grundstein für weitere erhebliche Investitionen im Land legen, sagte der CDU-Politiker in der Generaldebatte im Bundestag. „Damit hat die Bundesregierung die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet.“ Merz rechtfertigte die dazu beschlossenen zusätzlichen Schuldenaufnahmen. Nichts zu tun und keine Investitionen zu ermöglichen, sei keine bessere Alternative.
Merz: Deutschland muss eigene Stahlindustrie haben
Auch sprach er sich zum Erhalt der deutschen Stahlindustrie aus und will einen Stahlgipfel prüfen. „Ich möchte Deutschland nicht abhängig sehen von Stahlimporten aus anderen Ländern, gleich wo diese Länder sein mögen - ob in Europa, in Amerika oder in China“, sagte der CDU-Vorsitzende in der Regierungsbefragung des Bundestags. „Deutschland muss eine eigene Stahlindustrie haben.“
Er stehe im engen Dialog mit den Stahlunternehmen und habe erst gestern lange mit dem IG-Metall-Hauptvorstand gesprochen, sagte Merz. Dabei sei ihm nochmals vorgeschlagen worden, zu einem Stahlgipfel einzuladen. „Ich habe von meiner Seite aus zugesagt, dieses sehr wohlwollend zu prüfen. Bei einem solchen Gipfel muss allerdings auch ein Ergebnis herauskommen.“ Wenn ein Ergebnis möglich sei, werde er zu einem solchen Gipfel einladen.
Weidel: Merz ist ein „Papierkanzler“
Der Kanzler verteidigte erneut die begrenzte Senkung der Stromsteuer nur für produzierende Firmen und die Landwirtschaft – vorerst nicht für alle, samt den Privathaushalten, wie im Koalitionsvertrag angekündigt. „Von den möglichen 200 Euro pro Familie und Jahr, die möglich gewesen wären und wünschbar gewesen wären für die Entlastung bei den Energie- und Stromkosten, machen wir jetzt 150 Euro im Jahr möglich.“ Dies mache zehn Milliarden Euro aus.
AfD-Chefin Alice Weidel warf dem Bundeskanzler allerdings Wortbruch vor. Deutschland sei im Sinkflug. „Nach Ihrem neuesten Wortbruch, der Streichung der versprochenen Absenkung der Stromsteuer für alle, wissen die Bürger wenigstens, was sie von Ihnen zu erwarten haben: Nämlich nichts“, sagte Weidel. Sie nannte Merz einen „Papierkanzler“ dessen Wort nichts wert sei, auch wenn es im Koalitionsvertrag stehe und der sich von der SPD vorführen lasse.

Massive Kritik hatte Weidel auch an der Migrationspolitik der schwarz-roten Bundesregierung geübt. „Das ist keine Migrationswende, das ist Volksverdummung“, sagte sie. Es gebe weiter eine „massenhafte Einbürgerung“, zugleich landeten viele Migrantinnen und Migranten im Bürgergeld und profitierten vom Sozialstaat, ohne diesen zuvor mitfinanziert zu haben.
Merz warf Weidel nach deren Vorwürfen Ignoranz vor. Die Regierung habe erste Weichen gestellt für eine nachhaltige Reduzierung der irregulären Migration, sagte der CDU-Chef in der Generaldebatte des Bundestags über den Haushalt für das laufende Jahr. Die Asylantragszahlen seien im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 43 Prozent gesunken - „offensichtlich unbemerkt von Ihnen“, sagte er direkt an Weidel gewandt.
„Sie werden jetzt langsam ihr politisches Kampfthema los, dem Sie Ihre Existenz verdanken“, rief Merz Weidel zu. „Wir werden dieses Problem lösen und Ihnen nicht die Freude machen, es zu erhalten. Denn Sie leben davon, dass Sie ständig nur mit diesem Thema in Deutschland Stimmung machen können.“
Kanzler verteidigt Grenzkontrollen und lobt Dobrindt
Merz verteidigte die umstrittenen Binnengrenzkontrollen durch Deutschland. Man werde an diesen „zur Begrenzung der Migration und aus sicherheitspolitischen Gründen bis auf Weiteres festhalten“. Der Kanzler betonte aber auch, es gehe um Maßnahmen auf Zeit, man bemühe sich um gemeinsame europäische Regeln. Die Bundesregierung wolle den europäischen Binnenmarkt, offene Grenzen und Freizügigkeit erhalten.
Ausdrücklich dankte Merz Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), „dass er den Mut gehabt hat, hier schnell zu Entscheidungen zu kommen“. Der Kanzler dankte auch dem Koalitionspartner SPD für dessen Zustimmung etwa bei der Abschaffung des Familiennachzugs für eingeschränkt Schutzbedürftige sowie dem Ende der beschleunigten Einbürgerung. Der Weg sei „notwendig, auch, um den inneren Frieden in unserem Lande wieder herzustellen“.
Dröge: Merz schaut bei Spahn weg
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge wirft der Bundesregierung und Kanzler Merz eine „klimapolitische Bankrotterklärung“ vor. Dröge sprach im Bundestag von einem unfassbaren Rückschritt beim Klimaschutz. Die Bundesregierung subventioniere fossiles Gas aus dem Klima- und Transformationsfonds, plane neue Gasförderungen vor Borkum, kürze Klimaverträge für die Industrie und wolle das Heizungsgesetz aufweichen. Die Regierung wolle den Kohleausstieg verlängern, kürze die internationale Klimafinanzierung, plane im großen Umfang fossile Gaskraftwerke und rede gleichzeitig darüber, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen.
Zu umstrittenen Maskenkäufen in der Corona-Zeit des damaligen Gesundheitsministers und heutigen Unionsfraktionschefs Jens Spahn (CDU) sagte Dröge, Merz schaue bei Spahn offensichtlich weg. Spahn habe zu verantworten, dass in der Maskenaffäre Schäden von wahrscheinlich bis zu zehn Milliarden Euro entstanden seien. Die Opposition sieht nach einer Befragung der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof zu umstrittenen Maskenkäufen weiteren Aufklärungsbedarf.
Linke kritisiert „Haushalt der Hoffnungslosigkeit“
Die Linke kreidete eine Politik der sozialen Kälte an. Die Koalition liefere einen „Haushalt der Hoffnungslosigkeit“, sagte Fraktionschefin Heidi Reichinnek in der Generaldebatte im Bundestag. Sie kritisierte darin vorgesehene massive Aufrüstung sowie Steuergeschenke für Superreiche und Konzerne. Sie warnte: „Jeder Cent, der in die Rüstung fließt, fehlt an anderer Stelle.“

Reichinnek sagte an die Adresse von Union und SPD: „Sie versuchen, die Schere zwischen Arm und Reich nicht mal zu schließen, Sie reißen sie immer weiter auseinander.“ Vorgesehen sei viel zu wenig Geld für sozialen Wohnungsbau, es gebe keine Erhöhung des Elterngelds und Unklarheit bei der weiteren Finanzierung für das Deutschlandticket im Nahverkehr. Die Linke-Politikerin mahnte: „Das Geld fehlt nicht, es ist nur falsch verteilt.“
Was wird am Mittwoch im Bundestag diskutiert?
Diskutiert werden am Mittwochnachmittag im Bundestag auch die Etats für das Auswärtige Amt, für Verteidigung und Entwicklung. Die erste Lesung des Haushalts endet am Freitag, er soll nach der Sommerpause im September beschlossen werden.
In der Haushaltsdebatte des Bundestags warf die Opposition der schwarz-roten Koalition eine Rekordverschuldung und falsche Prioritätensetzung vor. AfD, Grüne und Linke kritisierten dabei am Dienstag auch, dass die Senkung der Stromsteuer nun nicht wie angekündigt für alle komme. Der AfD-Finanzpolitiker Michael Espendiller nannte den Haushaltsentwurf und die Finanzplanung am Dienstag einen „finanzpolitischen Amoklauf“.


