Bewegung in der Sondierung über eine schwarz-rote Bundesregierung: Die Gespräche zwischen Union und SPD sind geglückt. Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) erklärten am Samstagnachmittag, dass ein gemeinsames Papier Grundlage sein für Koalitionsverhandlungen soll. Diese sollen gegebenenfalls nächste Woche beginnen, sagte Merz.
In einer ganzen Reihe von Sachfragen sei Einigkeit erzielt worden, so Merz weiter. Er sprach dabei die Herausforderungen an, vor denen eine neue deutsche Regierung steht. Dabei ist das Thema Migration besonders prominent. Demnach werden Grenzkontrollen von großer Bedeutung sein. An den Landgrenzen sollen seinen Angaben zufolge künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen – allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten.
Möglich sind Zurückweisungen grundsätzlich nur da, wo es stationäre Grenzkontrollen gibt. Die hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zwar in den vergangenen Jahren sukzessive für alle deutschen Landgrenzen angeordnet. Wer einen Asylantrag stellen will, darf aber in der Regel einreisen.
Das von der Ampel-Koalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll demnach weiter Bestand haben. Die Parteien einigten sich im Grundsatz darauf, die verkürzten Wartefristen für eine Einbürgerung und den Doppelpass für Nicht-EU-Bürger beizubehalten. Geprüft werden soll, ob es verfassungsrechtlich möglich wäre, Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, falls sie noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.
Bürgergeld: Vollständiger Leistungsentzug bei Arbeitsverweigerung
Auch das Bürgergeld und Arbeitszeitgesetz soll laut dem Politiker neu gestaltet werden. Es solle zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende werden, sagte Merz. Er kündigte an: „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, wer sich komplett verweigere, könne nicht auf die gleiche Unterstützung setzen, das sei fair und gerecht.
Auch die Stromsteuer soll gesenkt werden, damit Unternehmen und private Haushalte entlastet werden. Konkret soll die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert fallen. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen. Union und SPD wollen daneben die Übertragungsnetzentgelte halbieren, ein Bestandteil des Strompreises. Wirtschaftsverbände beklagen seit langem im internationalen Vergleich hohe Energiekosten. Dies hemme Investitionen in Deutschland.
Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll gesenkt werden
Ebenso soll die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie dauerhaft auf 7 Prozent reduziert werden. Das sagte CSU-Chef Markus Söder am Samstag. Ziel sei es, Gastronomie und Verbraucher zu entlasten.
Weitere Entlastungen sollen durch eine Einkommensteuer-Reform ermöglicht werden. Die „breite Mittelschicht“ solle entlastet werden, geht aus ihrem Sondierungspapier hervor. Außerdem solle die Pendlerpauschale in der Steuererklärung erhöht werden. Details zur geplanten Reform und Zahlen zur Pendlerpauschale enthält das Papier allerdings nicht.
Mittel aus Bundeswehr-Sondervermögen sollen schnell abfließen
Auch die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands soll in den Mittelpunkt rücken. Sie wollten Verantwortung in Europa übernehmen und mit Deutschlands Partnern die Verteidigungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stärken. „Klar ist: Deutschland steht weiter an der Seite der Ukraine“, heißt es in einem von den Unterhändlern vereinbarten Papier.
Mit zusätzlichen Mitteln solle die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas gesichert werden, „denn der Schutz unserer Freiheit ist unverzichtbar“, heißt es. Verwiesen wird auf das Vorhaben eines neuen Sondervermögens für Infrastruktur, darunter auch für den Zivil- und Bevölkerungsschutz – sowie die Reform der Schuldenbremse für den Verteidigungsetat (Einzelplan 14).
Dazu heißt es: „Die Verteidigungsausgaben im Einzelplan 14 werden in der Höhe von 1 Prozent des BIP innerhalb des Geltungsbereichs der grundgesetzlichen Schuldenbremse abgebildet. Darüber hinaus gehende Ausgaben für Verteidigung im Einzelplan 14 werden nicht bei der Schuldenbremse angerechnet.“
Die Mittel aus dem schon bestehenden Sondervermögen für Bundeswehr müssten zügig abfließen. CDU/CSU und SPD wollen „noch im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr sowie eine Prioritätenliste mit schnell zu beschaffenden Rüstungsgegenständen vorlegen“. Die Prioritätenliste werde in enger Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium entworfen.
Sondierungsgespräche am Samstag auf der Zielgeraden
In den bisherigen Sondierungsgesprächen haben Union und SPD Differenzen und Gemeinsamkeiten ausgelotet. Wer Koalitionsverhandlungen aufnimmt, tut das hingegen mit der klaren Absicht, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Ein Scheitern ist aber auch in dieser Phase nicht ausgeschlossen.
In einem Ergebnispapier der Sondierungen listeten Union und SPD Vorfestlegungen auf und räumten dabei auch einige Streitthemen ab. Unter anderem sollen an den Landgrenzen laut Merz künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen – allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Außerdem wollen Union und SPD die Stromsteuer senken und damit Unternehmen und private Haushalte entlasten.
Wenn die Parteigremien zustimmen, kann die Arbeit am Koalitionsvertrag beginnen. Darin halten die Parteien fest, welche Projekte sie in der Legislaturperiode zusammen anpacken wollen - und auch, welche Partei welches Ministerium besetzt.
Der voraussichtlich künftige Kanzler Merz hat das Ziel ausgegeben, bis Ostern mit den Verhandlungen durch zu sein.


