Shitstorm

„Brauner Dreck“: Tweet von Polizeihochschul-Dozentin sorgt für Eklat

Bahar Aslan war Lehrbeauftragte der Polizeihochschule in Gelsenkirchen. Nach einem Tweet wird sie entlassen.

Eine Lehrbeauftragte einer Polizei-Hochschule in Nordrhein-Westfalen ist ihren Job los. Der Grund: Sie soll die Polizei in einem Tweet verunglimpft haben.
Eine Lehrbeauftragte einer Polizei-Hochschule in Nordrhein-Westfalen ist ihren Job los. Der Grund: Sie soll die Polizei in einem Tweet verunglimpft haben.Panama Pictures/imago

Es begann mit einem Tweet am Samstag, der für einen großen Eklat sorgte. Die Verfasserin hatte wohl nicht geahnt, dass ihre Äußerung große Wellen schlagen würde. Nun ist sie ihren Job als Hochschuldozentin los.

Bahar Aslan, Lehrbeauftragte der Hochschule für Polizei und Verwaltung in Gelsenkirchen, wollte etwas über rechtsextreme Strukturen bei der Polizei schreiben. Dann wurde ihr folgender Tweet zum Verhängnis: „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.“

Dozentin von Polizeihochschule entlassen: Tweet sorgt für Shitstorm

Kurz darauf brach ein Shitstorm über Aslan herein. Das Focus-Magazin hatte zuerst den umstrittenen Tweet aufgegriffen und darüber berichtet. Aslan sieht dahinter eine gezielte Attacke. Mehrere Menschen solidarisieren sich mit ihr, ihre Unterstützer sprechen von einer rechten Kampagne gegen die Dozentin. 

Zahlreiche Polizeibeamte fühlen sich hingegen mit extremistischen Ausreißern in einen Topf geworfen. Der NRW-Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, forderte „arbeits- und strafrechtliche Schritte“ gegen Aslan. Weitere Kritiker verlangten eine Untersuchung seitens des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, einige sogar ihre Entlassung.

Letzteres ist nun eingetreten. Die Hochschule hatte am Montag mitgeteilt: „Aus Sicht der Hochschulleitung ist die Dozentin aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet, sowohl den angehenden Polizistinnen und Polizisten als auch den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln.“

Der Taz sagte Aslan am Montag, sie hätte schon öfter „polizeikritische Inhalte“ auf Twitter veröffentlicht. Aber: „Es ist der größte Shitstorm, den ich bislang erlebt habe.“ Sie sei als „Hetzerin“ und „Nestbeschmutzerin“ diffamiert und zudem bedroht worden. „Dabei habe ich nichts verbrochen“, betonte die Kölnerin.

Shitstorm nach Polizei-Tweet: Aslan sieht in Vorgang „Cancel Culture“

„Die Ausdrucksweise mag man kritisieren, vielleicht war es eine unglückliche Wortwahl“, räumte Aslan ein. „Es tut mir leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlen, die vorbildlich ihren Dienst tun. Es ging mir um jene Beamtinnen und Beamte, die sich an rechtsextremen Chats beteiligen, die mit ihrer rassistischen Geisteshaltung ganze Dienststellen vergiften“, sagte sie Zeit Online. Die Beamten hätten das Vertrauen in diese Institution gerade in der migrantischen Community tief erschüttert. 

Aslan fragt sich, warum ausgerechnet sie nun Ziel einer Kampagne ist. Denn solche Äußerungen seien keinesfalls neu. Schließlich habe das Polizei-Magazin Streife schon zuvor ein Interview mit dem Polizeikommissar Alican Kahraman veröffentlicht, in dem dieser folgendes sagt: „Rassismus ist bei uns kein Thema. Trotzdem klebt jetzt auch an uns der braune Dreck.“

Die Kölnerin vermutet, in einer „männerdominierten und strukturkonservativen Behörde“ falle sie auf und sei deshalb „vielen ein Dorn im Auge“. Bei der GdP sei sie ebenfalls nicht gerne gesehen.  Zeit Online sagte Aslan, dieser Vorgang könne als Beispiel der viel diskutierten „Cancel Culture“ gesehen werden.

Polizei-Lehrbeauftragte entlassen: Aslan sympathisierte mit Linksextremisten

Im Zuge des Eklats um Bahar Aslan kam ein neues Detail ans Licht, das allerdings gar nicht so neu ist. Vor über zwei Jahren setzte sie einen Tweet ab und sympathisierte offen mit dem Linksextremismus: „Ja, ich sympathisiere mit Linksextremisten!“ Weiter hieß es: „Und wissen Sie was? Ich werde morgen @derrechterand abonnieren und finanziell unterstützen, also quasi ihre Steuern in die Antifa investieren.“ Kritiker dürfen sich gerne bei ihrem Dienstherren über sie beschweren, erklärte sie.

Der Rechte Rand ist eine antifaschistische Zeitschrift mit Sitz in Hannover. Sie wurde 1989 gegründet und erscheint alle zwei Monate. Zu den Gründern gehört der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin. Das Blatt recherchiert regelmäßig zur rechtsradikalen Szene in Deutschland. 1998 stufte der Verfassungsschutz die Publikation als linksextremistisch ein. Doch laut Bundesregierung ist Der Rechte Rand kein Beobachtungsobjekt der Behörde.

Wenige Tage nach ihrem Tweet folgte damals tatsächlich eine Beschwerde beim Dienstherren. Aslan erklärte, dass es sich um eine „ironische Bemerkung“ gehandelt hätte. Dennoch sei eine Beschwerde über sie beim Verfassungsschutz eingegangen. Der Vorwurf: Bekenntnis zum Linksextremismus und zur „Antifa“. Aslan zeigt einen Brief, auf dem einige Stellen geschwärzt sind. 

Aslans Bekenntnis vom Jahr 2021 ist nun Gegenstand heftiger Debatten in den sozialen Medien. So fragt sich der schwule Aktivist Ali Utlu auf Twitter, wie es überhaupt möglich war, dass eine Person „mit solchen Aussagen“ eine Position als Lehrbeauftragte erhält. Utlu hat wie Aslan türkische Wurzeln und ist ebenfalls aus Köln. 

Der Journalist Jan Aleksander Karon, der für den Ex-Chefredakteur der Bild-Zeitung Julian Reichelt arbeitet, hat ebenfalls eine klare Meinung. „Eine Dozentin, die Distanz zum Linksextremismus vermissen lässt, politisch jedes Maß verloren hat und Polizisten pauschal als ‚braunen Dreck‘ betitelt, disqualifiziert sich selbst“, kommentiert er auf Twitter.

Doch Aslan erhält auch Unterstützung. So solidarisierte sich auf Twitter die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal mit der Kölnerin: „Es muss möglich sein, das Vorhandensein rechtsextremer Polizisten und ihre Strukturen – die es einfach gibt! – zu benennen.“ Man kenne Aslan als „großartige Pädagogin“, betont Tekkal.

Die Hochschuldozentin bedankte sich nach ihrem Rauswurf für die Unterstützung und den Zuspruch. Besonders freue sie sich über diverse Jobangebote von Universitäten und Fachhochschulen, twitterte Aslan in der Nacht zum Dienstag. Gleichwohl sei sie der Ansicht: „Dass sie mich rauswerfen, ist gesellschaftlich ein bedenkliches Signal. Ich bin überrascht, dass sie das gemacht haben, ohne mit mir zu reden.“ (mit dpa)