Thin Blue Line

Weil ein blauer Strich als rassistisch gilt, werfen Berliner Polizisten ihre Tassen weg

Auf dem Geschirr ist eine dünne blaue Linie zu sehen. Das Symbol aus den USA ist seit einiger Zeit umstritten. Die Berliner Polizei reagiert.

Diese Tassen sollen in Berlins Polizeidienststellen nicht mehr verwendet werden. 
Diese Tassen sollen in Berlins Polizeidienststellen nicht mehr verwendet werden. GdP

Um dem Vorwurf, rechts zu sein, zu entgehen, ist die Berliner Polizei vorsorglich tätig geworden: Auf der neu eröffneten Wache am Kottbusser Tor in Kreuzberg wurden jetzt alle Tassen aus den Schränken entfernt.

Weil in der im Februar eröffneten „Kotti-Wache“ Geschirr fehlte, hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kurzerhand einige Tassen aus ihren Werbemitteln zur Verfügung gestellt. Auf ihnen ist neben dem GdP-Symbol als Gestaltungselement eine dünne blaue Linie aufgedruckt: die sogenannte Thin Blue Line.

Das Symbol stammt aus den USA. Das Blau steht für die blauen Uniformen amerikanischer Polizisten. Seit den 1960er-Jahren verweist die dünne blaue Linie auf die Polizei als letzten Schutz gegen das Abrutschen der Gesellschaft in gewalttätiges Chaos. 

Mit den Black-Lives-Matter-Protesten kam in den USA auch eine Blue-Lives-Matter-Bewegung auf, die die Linie ebenfalls für sich beansprucht. Auch bei einer Demonstration von Rechtsextremisten in Charlottesville und beim Sturm auf das Kapitol in Washington vereinnahmten Demonstranten die Thin Blue Line für sich.

Polizei: „Thin Blue Line bisher nicht von Rechtsextremisten verwendet“

Bei der Berliner Polizei, der besonders von Linken „struktureller Rassismus“ unterstellt wird, heißt es nun: Von schwarzen Menschen, die in den USA leben, werde die Thin Blue Line als bedrohlich und rassistisch wahrgenommen, seit sie dort durch Personen mit rechter Gesinnung genutzt wurde.

„Auch wenn in Berlin die Verwendung des Symbols im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität von rechts bislang nicht bekannt wurde, kann die Thin Blue Line auf hier lebende schwarze Menschen die gleiche Wirkung haben und dazu führen, dass Polizeidienstkräften rassistische und rechte Tendenzen oder Einstellungen zugeschrieben werden“, sagt eine Polizeisprecherin. Mithin könnten Zweifel an der Neutralität, Objektivität oder Verfassungstreue aufkommen. „Um dies zu verhindern, wurden die Tassen nach einer entsprechenden Sensibilisierung seitens der Leitung der Direktion 5 durch ein Mitglied der GdP vorsorglich aus der Nebenwache am Kottbusser Tor entfernt.“

Das GdP-Mitglied, das die Tassen wieder mitnahm, machte kein großes Aufheben darum. Dafür meldet sich nun der GdP-Landesvorstand umso lauter: „Die GdP steht wie die Behördenleitung für eine vielfältige Bürgerpolizei, die sich von jeglichem extremistischen Gedankengut distanziert“, sagt GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Selbst der Slogan Thin Blue Line fällt nicht in diese Kategorie, nur weil es irgendwer behauptet. Wir müssen langsam mal darüber sprechen, wie viel Macht man Einzelnen gibt, gerade im Social Media, um Symbole und Worte entweder für sich zu vereinnahmen oder sie zu entfremden.“ Man müsse festhalten, dass die Berliner Polizei blaue Uniformen trage „und wir über einen blauen Strich sprechen“.

Jendro twitterte das Schulterstück eines Polizeianwärters mit einem blauen Balken. Daraufhin twitterte der Berliner Abgeordnete Niklas Schrader (Linke) zurück: „Die #ThinBlueLine steht für ein zweifelhaftes Weltbild, wird von der extremen Rechten verwendet und es gibt Menschen, für die das Symbol auf der Uniform das Vertrauen in die #Polizei zerstört. Wenn die GdP Berlin daran festhält, nimmt sie genau das in Kauf.“