Euroclear im Visier

Bericht: Russische Geheimdienste schüchtern Belgien wegen eingefrorener Vermögen ein

Europäische Sicherheitskreise berichten von gezielten Einschüchterungsversuchen Russlands gegen Belgien. Im Mittelpunkt steht der Finanzdienstleister Euroclear.

Brüssel: Überwachungskameras vor dem Eingang des Finanzdienstleisters Euroclear
Brüssel: Überwachungskameras vor dem Eingang des Finanzdienstleisters EuroclearDidier Lebrun/imago

Russische Geheimdienste sollen gezielt belgische Politiker sowie führende Manager des Finanzdienstleisters Euroclear unter Druck setzen, um eine Nutzung eingefrorener russischer Staatsvermögen zur Unterstützung der Ukraine zu verhindern. Das geht aus Recherchen des Guardian hervor, der sich auf Angaben aus europäischen Sicherheitskreisen beruft.

Demnach richtet sich eine Einschüchterungskampagne vor allem gegen Entscheidungsträger in Belgien, wo mit Euroclear der größte Teil der in der EU blockierten russischen Zentralbankvermögen verwahrt wird. Insgesamt liegen dort Vermögenswerte im Umfang von rund 180 Milliarden Euro. Nach Einschätzung europäischer Sicherheitsbehörden soll hinter den Aktivitäten der russische Militärgeheimdienst GRU stehen.

Im Fokus der Drohungen sollen unter anderem die Vorstandschefin von Euroclear, Valérie Urbain, sowie weitere Führungskräfte des Unternehmens stehen. Euroclear erklärte auf Anfrage des Guardian, mögliche Bedrohungen würden mit höchster Priorität behandelt und gegebenenfalls gemeinsam mit den zuständigen Behörden untersucht. Zu konkreten Sicherheitsmaßnahmen äußerte sich das Unternehmen nicht.

Belgiens Angst vor Russlands Vergeltung

Bereits zuvor hatten Medien wie EUobserver und Le Monde berichtet, dass Urbain seit längerer Zeit von Personenschützern begleitet werde. Auch Belgiens Premierminister Bart De Wever hatte wiederholt öffentlich vor erheblichen Konsequenzen gewarnt, sollte die EU russische Vermögenswerte beschlagnahmen oder als Sicherheit für Kredite einsetzen. Moskau habe Belgien wissen lassen, dass ein Zugriff auf die Gelder „nicht ohne Folgen“ bleiben werde, sagte De Wever.

Hintergrund ist der Vorschlag der Europäischen Kommission, Erträge aus rund 210 Milliarden Euro eingefrorener russischer Staatsvermögen als Sicherheit für einen großen EU-Kredit zur Finanzierung von Kiews Verteidigung und Haushalt zu nutzen. Weltweit sind nach westlichen Schätzungen rund 300 Milliarden Euro russischer Vermögenswerte eingefroren, darunter auch in den Vereinigten Staaten, Japan, Großbritannien, der Schweiz und Kanada.

Belgien sieht rechtliche Risiken – von der Leyen ändert EU-Kurs

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drängt trotz rechtlicher Bedenken weiter darauf, eingefrorene russische Staatsvermögen zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Der größte Teil dieser Gelder (rund 180 Milliarden Euro) liegt in Belgien bei Euroclear. Die belgische Regierung warnt seit Monaten vor erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken. Sollte die EU die Vermögen in großem Umfang nutzen oder verpfänden, könnte Belgien im Fall von Klagen oder Gegenmaßnahmen Russlands haftbar gemacht werden. In Brüssel wird befürchtet, am Ende für mögliche Rückforderungen oder Schadensersatzforderungen einstehen zu müssen.

Von der Leyen machte am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg deutlich, dass die Staats- und Regierungschefs der EU noch in dieser Woche eine Entscheidung über die künftige Finanzierung der Ukraine treffen müssten. Anders als zuvor sprach sie plötzlich nicht mehr von einem Finanzbedarf von 140 Milliarden Euro. Nach neuen Berechnungen von Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission belaufe sich der Finanzbedarf der Ukraine in den Jahren 2026 und 2027 auf etwas mehr als 137 Milliarden Euro. Europa solle davon zwei Drittel übernehmen, also rund 90 Milliarden Euro, sagte von der Leyen.

Russland spricht von „Diebstahl“

Russland verurteilt entsprechende Vorstöße scharf und spricht von „Diebstahl“ staatlicher Vermögenswerte. Moskau droht offen mit Gegenmaßnahmen gegen westliche Staaten und Unternehmen, sollte es zu einem Zugriff auf die eingefrorenen Gelder kommen. Die russische Zentralbank hat nach eigenen Angaben Klagen in Milliardenhöhe gegen Euroclear angestrengt.

Auch international stößt der Kurs der EU-Kommission auf Vorbehalte. Japan stellte sich in der vergangenen Woche öffentlich gegen eine Nutzung russischer Vermögenswerte. Nach Angaben aus EU-Kreisen, über die Politico berichtete, schloss Finanzministerin Satsuki Katayama einen solchen Schritt wegen rechtlicher Risiken aus. Mehrere Diplomaten verweisen allerdings darauf, dass Tokio dabei auch politische Rücksicht auf die Vereinigten Staaten nehme und nicht von der Linie Washingtons abweichen wolle.

Zusätzliche Zweifel kommen von der Europäischen Zentralbank. Die EZB lehnte es bereits zuvor ab, einen EU-Kredit von 140 Milliarden Euro für die Ukraine zu garantieren, der durch russische Vermögenswerte abgesichert werden sollte. Die Notenbank sieht die Gefahr, dass eine solche Konstruktion gegen das in den EU-Verträgen verankerte Verbot monetärer Staatsfinanzierung verstoßen könnte. Auch Italien bremst die EU-Pläne. Giorgia Meloni warnt ebenfalls vor rechtlichen und finanziellen Risiken.