Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich im Vorfeld des Europäischen Rates in Brüssel skeptisch zu Vorschlägen geäußert, einen Teil der eingefrorenen russischen Staatsvermögen zur Finanzierung der Ukraine zu verwenden. Meloni sagte vor dem EU-Gipfel, die Nutzung dieser Gelder sei „bei weitem nicht einfach“ und müsse auf einer soliden rechtlichen Grundlage beruhen, berichteten mehrere Medien, darunter Reuters und italienische Agenturen.
Meloni bekräftigte in einer Parlamentsdebatte in Rom, dass Italien die Belastung seiner Staatshaushalte sorgfältig abwägen wolle, bevor es einer Regelung zur Verwendung der eingefrorenen Gelder zustimmt. Sie betonte zugleich, dass Rom die Ukraine weiter unterstützen wolle und darauf achte, dass jegliche Maßnahmen im Einklang mit Recht und finanzieller Nachhaltigkeit stünden.
Meloni verlangt Klarheit über Risiken
Hintergrund ist der Vorschlag der Europäischen Kommission, Erträge aus rund 210 Milliarden Euro eingefrorener russischer Vermögenswerte als Sicherheit für einen großen EU-Kredit zur Finanzierung von Kiews Verteidigung und Haushalt zu nutzen. Insgesamt sind weltweit rund 300 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten eingefroren - darunter auch in den USA, Japan, Großbritannien, der Schweiz und Kanada.
Meloni machte deutlich, dass Entscheidungen dieser finanziellen und rechtlichen Tragweite nicht übereilt getroffen werden sollten. Sie forderte Klarheit über mögliche Risiken, darunter Reputationsschäden, rechtliche Rückzahlungen oder zusätzliche Belastungen für nationale Haushalte, bevor sich Italien hinter konkrete Vorschläge stelle. Die Debatte um die Nutzung der eingefrorenen Vermögenswerte bleibt ein zentrales Thema vor dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs, bei dem auch über künftige Unterstützungsmechanismen für die Ukraine entschieden werden soll.
Euroclear im Zentrum der Debatte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drängt trotz rechtlicher Bedenken weiter darauf, eingefrorene russische Staatsvermögen zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Der größte Teil dieser Vermögenswerte (rund 180 Milliarden Euro) liegt in Belgien, wo mit Euroclear die zentrale europäische Wertpapierverwahrstelle sitzt. Belgiens Premierminister Bart De Wever warnt seit Monaten vor erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken. Sollte die EU die Vermögen in großem Umfang nutzen oder verpfänden, könnte Belgien im Fall von Klagen oder Gegenmaßnahmen Russlands haftbar gemacht werden. Die belgische Regierung fürchtet, am Ende für mögliche Rückforderungen oder Schadensersatzforderungen einstehen zu müssen.
Von der Leyen machte am Mittwoch im EU-Parlament in Strasbourg klar, dass die Staats- und Regierungschefs der EU diese Woche eine Entscheidung über die Finanzierung der Ukraine treffen müssen. Laut ihrer Rechnung müsse die EU plötzlich deutlich weniger Geld finden, um die Ukraine am Laufen zu halten. Anders als bisher sprach von der Leyen nicht mehr von 140 Milliarden Euro: „Nach Schätzungen des IWF und der Kommission beläuft sich der Finanzbedarf der Ukraine in den Jahren 2026 und 2027 auf etwas mehr als 137 Milliarden Euro. Europa sollte zwei Drittel davon abdecken, also 90 Milliarden.“
Russland droht mit Gegenmaßnahmen
Russland verurteilt entsprechende Vorstöße scharf und spricht von „Diebstahl“ staatlicher Vermögenswerte. Moskau droht offen mit Gegenmaßnahmen gegen westliche Staaten und Unternehmen, sollte es zu einem Zugriff auf die eingefrorenen Gelder kommen.
Auch international stößt der Kurs der EU-Kommission auf Vorbehalte. Japan stellte sich in der vergangenen Woche öffentlich gegen eine Nutzung russischer Vermögen. Nach Angaben aus EU-Kreisen, über die Politico berichtete, schloss Finanzministerin Satsuki Katayama einen solchen Schritt wegen rechtlicher Risiken aus. Mehrere Diplomaten verweisen allerdings darauf, dass Tokio dabei auch politische Rücksicht auf die Vereinigten Staaten nehme und nicht von der Linie Washingtons abweichen wolle.
Bereits zuvor hatte die Europäische Zentralbank den Plänen der Kommission einen deutlichen Dämpfer versetzt. Die EZB lehnte es ab, einen Kredit von 140 Milliarden Euro für die Ukraine zu garantieren, der durch russische Vermögenswerte abgesichert werden sollte. Die Notenbank sieht die Gefahr, dass eine solche Konstruktion gegen das in den EU-Verträgen verankerte Verbot monetärer Staatsfinanzierung verstoßen könnte.


