Menschen, die Bürgergeld beziehen, sollen künftig für einen möglichen Job Arbeitswege von insgesamt drei Stunden in Kauf nehmen. Das geht aus einem Maßnahmenkatalog der Regierungskoalition hervor, auf den sich die Ampel im Rahmen ihrer Verhandlungen zur Wachstumsinitiative geeinigt hat. Das 31-seitige Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.
Demnach ist künftig bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Pendelzeit von insgesamt drei Stunden (hin und zurück) zu akzeptieren. Bei geringerer Arbeitszeit sind es 2,5 Stunden für den Arbeitsweg. Außerdem sollen Jobcenter in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Wohnort des Bürgergeld-Beziehers nach einem Arbeitsplatz suchen. „Um die Akzeptanz der Leistungen zu erhalten und um mehr Betroffene in Arbeit zu bringen, ist es erforderlich, das Prinzip der Gegenleistung wieder zu stärken“, heißt es in dem Papier.
Verschärfen wollen SPD, Grüne und FDP auch die Mitwirkungspflichten der Bezieher von Leistungen. „Wer eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, wird mit erhöhten Kürzungen des Bürgergeldes rechnen müssen“, heißt es in dem Papier. Die Bundesregierung werde dazu eine einheitliche Minderungshöhe und -dauer von 30 Prozent für drei Monate einführen.
Maßnahmenkatalog der Ampel: Sanktionen bei Schwarzarbeit geplant
Leistungsbezieher, die dem Arbeitsmarkt kurzfristig zur Verfügung stehen, werden sich künftig zudem einmal im Monat persönlich bei der zuständigen Behörde melden müssen. Schwarzarbeit von Bürgergeld-Empfängern soll künftig als Pflichtverletzung geahndet werden und zu Leistungskürzungen von 30 Prozent für drei Monate führen.
Bevor Bürgergeld beansprucht werden kann, sollen Betroffene erst einmal vorhandenes eigenes Vermögen aufbrauchen. Die Altersvorsorge bleibt davon aber ausgenommen. Die Ampel will außerdem Menschen, die sich Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt immer wieder verweigern, verstärkt Ein-Euro-Jobs zuweisen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann verteidigte die Regelungen. „Wer freiwillig mehr arbeitet, hat mehr Netto vom Brutto. Wer keine Lust hat zu arbeiten, obwohl er könnte, wird mit strengeren Regeln beim Bürgergeld konfrontiert“, schrieb der Liberale auf der Plattform X. Er unterstrich: „Das ist sozial gerecht und in Zeiten des Arbeitskräftemangels ökonomisch klug.“
Wer freiwillig mehr arbeitet, hat mehr Netto vom Brutto. Wer keine Lust hat zu arbeiten, obwohl er könnte, wird mit strengeren Regeln beim Bürgergeld konfrontiert.
— Marco Buschmann (@MarcoBuschmann) July 7, 2024
Das ist sozial gerecht und in Zeiten des Arbeitskräftemangels ökonomisch klug.https://t.co/R4gvODCDrs
So will die Ampel Überstunden attraktiver machen
Dem Bericht zufolge will die Ampel-Koalition zudem Überstunden und Arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus attraktiver machen. Dafür sollten auf bezahlte Überstunden keine Steuern und Abgaben mehr bezahlt werden. In Betrieben mit Tarifbindung gelte das für Mehrarbeit oberhalb von 34 Wochenarbeitsstunden, in Firmen ohne Tarifvertrag ab der 41. Arbeitsstunde.
Auch die Erhöhung der regulären Arbeitszeit will die Ampel dem Bericht zufolge fördern: Stockt ein Teilzeitbeschäftigter seine Arbeitszeit auf und bekommt dafür vom Arbeitgeber eine Prämie ausgezahlt, wird diese steuerlich begünstigt. Die Höhe des Steuernachlasses muss noch geklärt werden. Außerdem sollten Firmen mit Tarifbindung Ausnahmeregeln von der Tageshöchstarbeitszeit erhalten. Ferner solle es weiterhin die Möglichkeit der Vertrauensarbeitszeit geben, mit der Mitarbeiter und Firmen auf eine technische Arbeitszeiterfassung verzichten.
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Maßnahmenkatalog: Auch Rentner sollen weiter arbeiten
Wer als Rentner weiterarbeiten wolle, solle nicht nur die Auszahlung des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung erhalten können, sondern zusätzlich eine Rentenaufschubprämie wählen können. Dabei erhalte der über die Altersgrenze hinaus arbeitende Mitarbeiter eine Einmalzahlung in Höhe der Rente, die ihm sonst ausgezahlt worden wäre.
Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten am Freitag einen Durchbruch in ihren wochenlangen Verhandlungen über den Haushalt 2025 und ein Wachstumspaket erzielt. Die Debatte zwischen den Regierungsparteien um den Haushalt ging allerdings auch danach weiter.


