Gießen-Gewalt, verletzte Polizisten und Sachbeschädigungen – zu Beginn des umstrittenen Eritrea-Festivals ist es am Samstag in Gießen zu den von Polizei und Stadt befürchteten Ausschreitungen gekommen. „Die Kollegen wurden massiv angegriffen, Steinewürfe, Flaschenwürfe, Rauchbomben“, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. 26 Einsatzkräfte seien unter anderem durch Steinwürfe verletzt worden.
Er sprach von einer „sehr dynamischen Lage, die sich noch weiter entwickelt“. Man rechne damit, dass weitere potenzielle Störer anreisen könnten. „Wir nehmen die Lage natürlich sehr, sehr ernst.“ Der Großeinsatz werde am Sonntag andauern.
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehr als 1000 Beamten vor Ort, Verstärkung wurde angefordert. Insgesamt seien 100 Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch eingeleitet worden. Die Polizisten hätten am Samstag mehr als 400 Personen kontrolliert und gegen einen großen Teil von ihnen Platzverweise verhängt. Rund 100 Personen seien in Gewahrsam genommen worden, die zum Teil aus dem europäischen Ausland angereist seien.
Seit dem frühen Morgen waren nach Polizeiangaben unterschiedlich starke Personengruppen in Gießen durch Ausschreitungen an verschiedenen Orten aufgefallen.
Polizei ist seit Tagen vorbereitet
Die Polizei hatte sich seit Tagen auf eine Großlage in der mittelhessischen Stadt und die Anreise potenziell gewaltbereiter Gegner der Veranstaltung eingestellt. Das Festival gilt wegen seiner Nähe zur Regierung des ostafrikanischen Landes als umstritten. Bereits im August vergangenen Jahres war es bei der Vorgänger-Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen. Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland als Veranstalter rechnete am Samstag und Sonntag mit jeweils etwa 2500 Besuchern.
Die Stadt Gießen hatte das Festival zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten. Dies wurde vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt. Am Freitag bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese erstinstanzliche Entscheidung.
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— Hartes Geld (@Hartes_Geld) July 8, 2023
Mögliche Unterstützung des Regimes steht in der Kritik
Nach Darstellung des Polizeisprechers handelt es sich bei dem Festival um „eine kulturelle Veranstaltung“, die die eritreische Kultur und Traditionen feiere. „Es handelt sich um eine friedliche und familiäre Veranstaltung für Jedermann.“ Bereits im vergangenen Jahr waren jedoch Vorwürfe laut geworden, dort sollte Geld zur Unterstützung des Regimes gesammelt werden.
Der Sprecher sagte, es sei auch zum Einreißen von Absperrzäunen gekommen sowie zu Versuchen, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. So habe eine Gruppe von vermutlich rund 100 bis 150 Personen einen Zaun an den Hessenhallen - dem Veranstaltungsort - eingerissen. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, ein Wasserwerfer stand bereit.
Mehrere Hundert Polizisten aus allen hessischen Präsidien
Aufgrund der dynamischen Lage seien zusätzlich zu den mehr als 1000 Beamten, die bereits im Einsatz waren, weitere Polizisten nach Gießen gerufen worden, sagte der Polizeisprecher. Es gehe um mehrere Hundert weitere Polizisten „aus allen hessischen Polizeipräsidien, die zusätzlich nach Gießen kommen, um hier für die Sicherheit vor Ort zu sorgen“. Mit Lautsprechertrupps werde versucht, auf Personen einzuwirken, die an Absperrungen aufträten und möglicherweise versuchen wollten, diese zu durchbrechen. Auch ein Polizeihubschrauber und eine Drohne waren im Einsatz.
Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.
Ich möchte ausdrücklich NICHT auf #Gießen aufmerksam machen!
— McCrushi (@McCrushi) July 8, 2023
Ausdrücklich NICHT!
Es ist nur ein Fest der Kulturen 🤦🏻♂️🙄 pic.twitter.com/DzillDrlP2





