Kaukasus

Armenien und Aserbaidschan werfen sich Verstöße gegen Feuerpause vor

Eriwan und Baku melden einen Tag nach der jüngsten Eskalation der Gewalt neue Angriffe.

Rauch steigt nach einem Beschuss in Wardenis auf.
Rauch steigt nach einem Beschuss in Wardenis auf.IMAGO/Alexander Patrin

Zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan im Südkaukasus gehen die Kämpfe nach der jüngsten Eskalation weiter. „In Richtung Dschermuk hat der Gegner Kampfdrohnen eingesetzt“, sagte der Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums, Aram Torosjan, am Mittwoch. Auch das nördlich davon gelegene Dorf Werin Schorscha sei attackiert worden. Die Angriffe hätten sich im Laufe des Tages verschärft, auch Fahrzeuge der russischen Friedenstruppe seien unter Feuer genommen worden, heißt es weiter.

Baku dementierte die Vorwürfe aus Eriwan und warf dem Nachbarn seinerseits Angriffe vor. Demnach beschieße das armenische Militär Stellungen der Aserbaidschaner im Gebiet Kalbadschar im Westen Aserbaidschans. Dabei setzten die armenischen Truppen auch schwere Waffen wie Haubitzen ein. Unabhängig waren die Aussagen zunächst nicht zu überprüfen.

Armenien/Aserbaidschan: Mehr als 150 Soldaten seit Dienstag getötet

Im Schatten des Ukraine-Kriegs waren in der Nacht zum Dienstag schwere bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den beiden verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken ausgebrochen. Nach Angaben beider Seiten wurden bis Mittwoch insgesamt mehr als 150 Soldaten getötet. Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan gab die Zahl der gefallenen Soldaten seines Landes mit mindestens 105 an. Aserbaidschan nannte die Zahl von 50 getöteten Soldaten seiner Armee. Die aserbaidschanische Regierung bot an, 100 getötete armenische Soldaten an das Nachbarland zu übergeben.

Nach Angaben Paschinjans sollen die aserbaidschanischen Truppen bei den jüngsten Gefechten zehn Quadratkilometer armenischen Territoriums besetzt haben. Paschinjan appellierte an die aserbaidschanischen Streitkräfte, „unsere Gebiete zu verlassen“.

Wegen der angespannten Lage hatte Paschinjan bereits in der Nacht mit Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen. Dabei habe der Regierungschef um Hilfe der Militärallianz OVKS gebeten, teilte das armenische Fernsehen mit. Das Verteidigungsbündnis der früheren Sowjetrepubliken Russland, Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan beriet am Dienstagabend. Putin nahm an der Videokonferenz teil. Beschlossen wurde nur, den OVKS-Generalsekretär Stanislaw Sass zur Erkundung der Lage ins Konfliktgebiet zu senden, wie die belarussische Agentur Belta meldete.

In Eriwan gab es am Mittwochabend offenbar Proteste gegen die Regierung. Auf Videos ist zu sehen, wie Menschen den Rücktritt von Paschinjan fordern und ihn einen Verräter nennen.

Bundesregierung „zutiefst besorgt“ über die Kämpfe

Die Bundesregierung zeigte sich „zutiefst besorgt“ über die Kämpfe entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze. „Wir fordern Aserbaidschan und Armenien auf, umgehend jegliche Handlungen einzustellen, die die Sicherheit zwischen beiden Ländern, wie auch der Region, gefährden könnten“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Mittwoch in Berlin. Beide Länder sollten stattdessen „unbedingt“ den Dialog fortsetzen.

Armenien und Aserbaidschan bekriegen einander seit Jahrzehnten wegen des Gebiets Berg-Karabach. Im Herbst 2020 hatte Armenien einen Krieg gegen seinen Nachbarn verloren. Infolgedessen musste das Land die Kontrolle über den Großteil des mehrheitlich von Armeniern bewohnten Berg-Karabachs aufgeben. Damals wurde eine russische Friedenstruppe zum Schutz der Waffenruhe in der Region stationiert. Russland gilt traditionell als Schutzmacht Armeniens im Kaukasus, während die Türkei in dem Konflikt auf der Seite Aserbaidschans agiert. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Konflikten wurde diesmal nach armenischen Angaben nicht die Exklave angegriffen, sondern Stellungen im Kernland Armenien.